Was ist Gewöhnlicher Beifuß?
Die Namen sind vielfältig: Echter oder Gewöhnlicher Beifuß, Wilder Wermut, Sonnwendgürtel, Gänsekraut oder Geißbart (Artemisia vulgaris) aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) ist ein weit verbreitetes Kraut, das man recht häufig unter den „Unkräutern“ von Ufern, Böschungen, Wegrändern, Schuttplätzen und ähnlichen Ruderalstellen antrifft, das aber auch als Gewürz Eingang in Garten und Küche gefunden hat. Die äußerst formenreiche Art wächst im Tiefland ebenso wie in den Mittelgebirgen, in den Alpen ist sie eher selten und steigt bis in eine Höhe von 1600 Metern. Darüber hinaus findet man ihn in den gemäßigten Zonen Europas und Asien wie auch in Nordafrika, und anderweitig ist er oftmals eingebürgert.
Im Gegensatz zu anderen Artemisia-Arten bildet die ausdauernde Staude nur selten Ausläufer. Die kahlen oder leicht behaarten, oft rötlich überlaufenen und leicht gerillten Stängel werden 60-180 Zentimeter hoch und verholzen im unteren Teil. Die schwach stachelspitzigen Blätter am Stängel sind recht unterschiedlich einfach oder doppelt fiederteilig mit über zwei Millimeter breiten Zipfeln; die Fiedern der obersten Stängelblätter sind lanzettlich und meist eingeschnitten und am Rand glatt oder teils grob gesägt. Die Endfiedern werden selten länger als vier Zentimeter. Die dunkelgrüne Oberseite der Blätter ist meist kahl oder verkahlt schnell, die Unterseite wird von einem weißen Filz bedeckt. Am Grunde des Blattstiels stehen stängelumfassende Öhrchen. Beim Zerreiben riechen die Blätter schwach aromatisch.
Die unscheinbaren Blüten des Beifuß‘ stehen in breiten und reich verzweigten Rispen. Die Köpfchen sind eiförmig, nur 2-3 Millimeter breit und 3-4 Millimeter lang, mit einem kahlen Köpfchenboden, der von eiförmigen und filzig behaarten Hüllblättern umgeben ist. Im Inneren stehen rötliche bis gelbe Röhrenblüten; die inneren sind zwittrig, die äußeren rein weiblich. Als Früchte werden 0,5-1 Millimeter lange dunkelbraune bis schwarze Achänen mit glatter Oberfläche und ohne Pappus gebildet.
Gewöhnlicher Beifuß im Garten
Standort
Gewöhnlicher Beifuß hat keine besonderen Ansprüche und kommt mit so ziemlich jeder Gartenerde klar, die nicht zu dicht oder zu nass ist. Er wächst am besten auf einem frischen bis feuchten nährstoffreichen und humosen Boden, der möglichst gut durchlässig sein sollte und in der Sonne liegt. Staunässe erweist sich schnell als tödlich. Als einheimische Art ist der Beifuß in unseren Breiten vollkommen winterhart. Am besten pflanzt man ihn getrennt von anderen Pflanzen, da er auf deren Wachstum einen hemmenden Einfluss hat. Ausgesprochen hemmend kann auch der Pollen auf Patienten mit Allergien wirken – wer an Heuschnupfen leidet sollte sicherheitshalber seine Kompatibilität mit Beifußpollen prüfen, bevor er sich die Pflanzen in den Garten holt.
Schnitt
Schneiden heißt das Jahr über zumeist ernten – man kann die Stängel und Blätter frisch verwenden oder trocknen. Am besten nimmt man dafür nur die unverholzten oberen Spitzen der Triebe, bevor sich die Blüten öffnen, dann ist das Aroma am stärksten. Mit dem Öffnen der Blüten werden sie nur hart und bitter. Ansonsten reicht es vollkommen aus, im Herbst die vertrockneten Triebe abzuschneiden.
Vermehrung
Die Samen kann man im Herbst oder im Frühling aussäen, wobei man die Lichtkeimer nur leicht auf das Substrat andrücken darf. Auch das Teilen des Wurzelstocks ist zu diesen Zeiten möglich. Im Frühsommer kann man Stecklinge bewurzeln, aber Samen und Teilung sind wesentlich effektiver, zumal man für den Bedarf in der Küche nur eine oder zwei Pflanzen benötigt. Zum Ansiedeln kann man auch im Gartencenter einen Topf Beifuß kaufen, statt sich die Mühe mit der Aussaat zu machen.
Verwendung
Mit seiner Verwendung als Küchenkraut ist der Beifuß natürlich für den heimischen Kräutergarten prädestiniert. Mit seinem dekorativen Blattwerk und Wuchs ist er aber auch für Steingarten oder Rabatten geeignet. Oft genug siedelt er sich ganz von alleine im Garten an, wo er wie in der freien Natur Ruderalstellen an Zäunen und Mauern, den Rand des Gartenteiches oder am Komposthaufen bevorzugt.
Schädlinge
Als Ruderalpflanze ist der Beifuß hart im Nehmen und wird nur selten von Krankheiten und Schädlingen heimgesucht. Vor allem wenn er sich an seinem Standort nicht wirklich wohl fühlt – zumeist mit zu viel Schatten und zu viel Feuchtigkeit – kann er anfällig für Mehltau werden.
Ökologie
Die kleinen Blüten vom Beifuß werden von vielen Insekten bestäubt, die problemlos an den leicht erreichbaren Pollen und Nektar gelangen. Für insgesamt 15 Schmetterlinge ist das Kraut als Raupenfutter interessant, wobei es sich bis auf den tagaktiven Distelfalter (Vanessa cardui) allesamt um Nachtfalter handelt. Zu den bekanntesten gehören der Feldbeifuß-Mönch (Cucullia artemisiae) und Beifuß-Mönch (Cucullia absinthii), die trockene und sonnige Schuttplätze ebenso lieben wie die Pflanze.
Die Verbreitung erfolgt durch den Wind und durch Anhaften an vorüberstreifendem Getier – bei Feuchtigkeit quellen die Samen und werden schleimig und klebrig.
Wissenswertes
Beifuß macht den Gänsebraten leichter verdaulich
Der Beifuß ist ein alter Kulturbegleiter, der sich an Ruderalstellen, wie sie der Mensch in der Nähe seiner Siedlungen hinterlässt, besonders wohlfühlt – vermutlich war es von da nur ein kleiner Schritt in die Gärten. Er ist nur schwach aromatisch und schmeckt herb-würzig und bitter, macht aber schwer verdauliche und fettige Speisen bekömmlicher. Bestes Beispiel dafür ist die klassische Weihnachtsgans, bei der traditionell ein Beifußzweig in der Füllung nicht fehlen darf – daher auch die volkstümliche Bezeichnung Gänsekraut. Andere Verwendungsmöglichkeiten sind ähnlich fettreiche Speisen wie Ente oder Krustenbraten vom Schwein, oder volkstümlich ein wenig Beifuß auf dem Schmalzbrot. Man sollte mit ihm wegen des ausgeprägt bitteren Geschmacks eher vorsichtig würzen. Wie bereits ausgeführt nimmt man am besten nur die noch nicht erblühten Triebspitzen, die mit bereits offenen Blüten sind noch wesentlich bitterer.
Artemisia vulgaris als Heilpflanze: Von der Naturheilkunde bis Malaria und Corona
Als Heilpflanze wurde Beifuß bis in die Neuzeit verwendet, ist aber inzwischen weitestgehend aus der Mode gekommen. Hildegard von Bingen empfahl Beifuß als magenstärkendes Mittel: Er enthält ätherisches Beifußöl, Gerbstoffe und Bitterstoffe, die ihn zu einem aromatischen Bittermittel (Amarum aromaticum) machen. Typisch für das ätherische Öl sind die bekannten Geruchsstoffe Kampfer, Thujon, Linalool und 1,8-Cineol. Im Kraut finden sich zudem biologisch aktive Inhaltsstoffe wie Flavonoide und Carotinoide, Terpenoide und Hydroxycumarine, die prominentesten Bitterstoffe sind Sequiterpene. Dazu gehört auch das Artemisinin, das als Mittel gegen Malaria verwendet wird. Für diese Entdeckung ging 2015 der Nobelpreis für Medizin an die chinesische Pharmakologin Tu Youyou, und inzwischen ist Artemisinin als Wirkstoff gegen Corona, die durch SARS-CoV-2 hervorgerufene Covid-19-Erkrankung im Gespräch.
Beifußtee: Nichts für Schwangere und bei Heuschnupfen
In der Schulmedizin nutzt man wesentlich häufiger den nahe verwandten Wermut (Artemisia absinthium), aber mit seiner leichten Verfügbarkeit ist auch der weit verbreitete Beifuß bestens als verdauungsförderndes Mittel geeignet. Er regt den Gallenfluss und die Sekretion der Magensäure an, sodass Fette besser verdaut werden können. Der Vorteil gegenüber Wermut: Beifuß ist nicht ganz so unangenehm bitter. Beifußtee gilt zudem als Mittel gegen Hämorrhoiden, Steinleiden und Nervenerkrankungen, in der Volksheilkunde soll er sogar gegen Epilepsie helfen. Schwangere und Personen mit bekannten Allergien gegen Korbblütler sollten auf den Genuss lieber verzichten.
Apropos Allergien: Der weit verbreitete Beifuß ist für viele Patienten mit Heuschnupfen eine Plage, denn Beifußpollen ist hochallergen und löst allergische Reaktionen aus. Die meisten Pollen werden vormittags freigesetzt.
Echter Beifuß und Dünen-Beifuß
Gewöhnlicher Beifuß ist äußerst formenreich – die häufigste und am weitesten verbreitete Sippe ist die typische Unterart Artemisia vulgaris ssp. vulgaris mit reichlicher Verzweigung und großen breitästigen Rispen. Dagegen findet man die seltene Unterart Artemisia vulgaris ssp. coarctata nur in den Staudenfluren von Dünen und Stränden vor allem an der Ostsee wie in Mecklenburg und Schleswig-Holstein. Bei diesem Dünen-Beifuß sind die Stängel nur wenig verzweigt und die Blütenstände sind schmale und oftmals etwas nickende Rispen aus dichten Ähren.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner