Was ist Eberraute?
Eberraute, Stabwurz, Pastorenkraut oder Zitronenkraut (Artemisia abrotanum) war früher in jedem Klostergarten und Bauerngarten zu finden, während man sie heute nur noch selten kultiviert. Eigentlich ist es unverständlich, dass die herrlich duftende Gewürzpflanze so in Vergessenheit geraten ist. Sie zählt zur Familie der Korbblütler (Asteraceae) und ist in Südeuropa und Kleinasien beheimatet. In den letzten Jahren macht sie als Cola-Kraut erneut auf sich aufmerksam – mit etwas Fantasie erinnern Geruch und Geschmack an die amerikanische Zuckerbrause.
Die Eberraute hat einen kräftigen Wurzelstock, aus dem sich die aufrechten und verzweigten, am Grunde verholzenden Stängel erheben. Der laubabwerfende oder halbimmergrüne Halbstrauch erreicht eine Höhe von 40-130 Zentimetern und bildet einen kleinen Busch, der wechselständige, fünf Zentimeter lange graugrüne, fein gefiederte Blätter besitzt. Die Lappen sind fädig, oberseits kahl und auf ihrer Unterseite grau behaart. Beim Zerreiben riechen die Blätter wie die ganze Pflanze intensiv nach Zitrone – die punktförmigen Drüsen enthalten große Mengen ätherisches Öl.
Die kleinen gelbgrauen und eher unscheinbaren Korbblüten der Eberraute erscheinen von Juli bis September, vereinzelt auch bis in den Oktober hinein. Sie bilden dichte, 10-30 Zentimeter lange Rispen. Einzelne Körbchen sind von dachziegelartig stehenden Hüllblättern bedeckt, Spreublätter fehlen. Die Kelchblätter sind auf kleine Schuppen reduziert, die nur einen Millimeter langen Kronblätter im unteren Teil verwachsen. Im Inneren befinden sich 14-20 Röhrenblüten, keine Zungenblüten; die peripheren sind weiblich, die in der Mitte zwittrig. Als Früchte werden längliche braune, nur einen Millimeter lange unbehaarte Achänen ohne Pappus gebildet.
Eberraute im Garten

Quelle: Mang Kelin/shutterstock.com
Standort
Die Eberraute ist wenig anspruchsvoll und braucht nicht viele Nährstoffe im Boden; der Schwachzehrer bevorzugt einen durchlässigen sandigen oder steinigen Boden, gerne mit reichlich Kalk. Der Standort sollte sonnig, warm und geschützt sein. Als Halbstrauch nimmt sie relativ viel Platz in Anspruch und ist für eine Mischkultur nicht geeignet. Eberrauten sind frosthart. Nur bei Kübelpflanzen muss man aufpassen, da sind die Wurzeln nicht geschützt und leiden unter der Kälte. Die solltest Du den Winter sicherheitshalber im Haus verbringen lassen. Achtung: Wenig gießen.
Schnitt, Pflege und Ernte
Eberraute ist pflegeleicht – es reicht vollkommen aus, wenn Du die holzigen Stängel im Frühjahr etwas zurechtstutzt. So werden die kleinen Büsche nicht so schnell kahl und unansehnlich, und die Pflanzen treiben schnell wieder neu aus.
Willst Du die Eberraute ernten brauchst Du nur die frischen Triebspitzen abzuschneiden. Am besten verwendest Du sie in der Küche frisch, man kann das Colakraut aber auch problemlos trocknen. Dazu werden die Zweige im Juli und August geschnitten, gebündelt und verkehrt herum an einem luftigen und trockenen Ort aufgehängt. Sind sie getrocknet kannst Du die Blätter von den Stängeln abstreifen und rebeln. Luftdicht verschlossen, kühl und lichtgeschützt aufbewahrt sind sie lange haltbar und bleiben aromatisch.
Vermehrung
So selten wie die Eberraute mittlerweile geworden ist bekommt man im Gartenhandel nur noch selten die Samen zur Aussaat. Die lassen sich im Herbst oder Frühjahr in Töpfen vorziehen und später im Freiland auspflanzen.
Schneller geht das, wenn Du gleich nach kleinen Pflänzchen Ausschau hältst, die man bisweilen im Gartencenter und bei auf Kräuter spezialisierten Gärtnereien bekommt. Hast Du erst einmal eine kleine Eberraute im Garten kannst Du sie bis in alle Ewigkeit vegetativ vermehren. Das ist eigentlich ganz einfach – die vorhandenen Bestände im Frühling oder im Herbst mit dem Spaten teilen und verpflanzen, oder Du machst aus den Triebspitzen Stecklinge. In sandige Erde gesteckt und gleichmäßig feucht gehalten ziehen sie schnell und zuverlässig Wurzeln.
Wenn Du die Eberraute weniger wegen ihres dekorativen Wertes, sondern vor allem als Küchenkraut gebrauchst kommst Du mit einem kleinen Busch gut aus. Mach Deinen Freunden und Bekannten mit den überschüssigen Stecklingen eine Freude – wetten, dass die meisten die alte Gewürzpflanze nicht kennen?
Verwendung
Als alte Heil- und Gewürzpflanze ist die Eberraute natürlich prädestiniert für den Kräutergarten und den Apothekergarten. Auch im Steingarten macht sie eine gute Figur, zumal sie recht trockenheitsverträglich ist. Mit ihrem filigranen Laub lässt sie sich auch schön im Blumenstrauß als Grün verwenden.
Schädlinge
Mit ihren ätherischen Ölen hält sich die Eberraute die meisten Schädlinge und Pilze recht erfolgreich vom Leib. Bisweilen finden sich Blattläuse, Mehltau ist bei dieser Artemisia-Art relativ selten.
Ökologie
Die Bestäubung der Eberraute erfolgt vor allem durch den Wind – das kennt man auch so ähnlich von ihrer Verwandtschaft. Gerade der Beifuß (Artemisia vulgaris) macht sich bei Allergikern häufig mit seinen Pollen unbeliebt. Wer darauf empfindlich reagiert sollte auf Eberraute im Garten sicherheitshalber lieber verzichten.
Das Pastorenkraut wird von einem Nachtfalter zur Eiablage verwendet: den Larven der Beifuß-Blüteneule Protoschinia scutosa dienen die Blüten und Achänen als Raupenfutter. Allerdings wird man die seltenen Wanderfalter bei uns bestenfalls im Süden Deutschlands finden, da sie nur in seltenen Ausnahmefällen aus Südeuropa über die Alpen gelangen und sich hier normalerweise nicht fortpflanzen.
Wissenswertes
Der Name der Eberraute: Weder Sau noch Raute
Der Name Eberraute hat weder mit dem männlichen Wildschwein zu tun noch mit der Raute (Ruta spec.), sondern leitet sich vom lateinischen abrotanum beziehungsweise griechischen habrótanun ab.
Eberraute als Heilpflanze: Hildegard von Bingen trifft den Medicus
Die Eberraute ist eine uralte, inzwischen aus der Mode gekommene Heilpflanze und diente früher auch als Gewürz. Bekannt war sie bereits in der Antike. Laut Hippokrates beschleunigt sie die Geburt und hilft bei Lungenentzündungen, Dioskurides empfahl sie als krampflösendes und harntreibendes Mittel, gegen Vergiftungen und die zerstoßenen Samen als Tee zubereitet gegen Ischias.
Die Landgüterverordnung Capitulare de villis Karls des Großen empfiehlt die Eberraute unter dem Namen abrotanum zum Anbau. Unter der gleichen Bezeichnung findet sie ausführliche Erwähnung in den Kräuterbüchern des Mittelalters. Hildegard von Bingen empfiehlt in ihrer Physica die stagwurz für eine ganze Reihe von Erkrankungen: Der Saft der Eberraute soll gegen Kopfgrind helfen, die zerstoßene Pflanze als Umschlag gegen Schwellungen, und eine Mischung mit altem fett und baumöl gegen Gicht.
Nochmal ranzig: Gegen die Glatze des Mannes wirkt das Einreiben mit Pottasche aus Eberraute mit altem Öl vermischt – so berichtet der englische Heilkundige und Astrologe Nicholas Culpeper (1616-1654). Recht brachial klingt heutzutage die Empfehlung des persischen Arztes Avicenna, der Vorlage des Medicus, fürs Zähne ziehen: Erstmal das Zahnfleisch mit dem Skalpell lockern und in die Lücke eine Mischung aus Eberrautenwurzel und Wurzel sowie Milch einer Wolfsmilch tropfen, dann fällt er früher oder später von selbst aus. Weitere Rezepte mit Eberraute hatte der Medicus als Zahnweiß auf Lager.
Heute findet die Eberraute in der modernen Naturheilkunde und Phytotherapie nur noch vergleichsweise selten Anwendung. Man nutzt sie traditionell als mildes Wurmmittel, als Stärkungsmittel, zur Förderung der Verdauung und Erleichterung der Menstruation.
Zitronenkraut in der Küche
Der Name Zitronenkraut kommt nicht von ungefähr: Die Blätter enthalten große Mengen ätherisches Öl, Gerbstoffe und Bitterstoffe, die appetitanregend wirken. Abgesehen von dem intensiven Zitronenaroma schmecken sie leicht bitterlich. Wenn Du sie in der Küche noch nicht kennst: Denk einfach daran, dass zur Gattung Artemisia neben der Eberraute auch Gewöhnlicher Beifuß (Artemisia vulgaris), Wermut (Artemisia absinthium) und Estragon (Artemisia dracunculus) gehören. In ähnlicher Weise kannst Du mit den Eberrautenblättern Fleischgerichte, Saucen und Salate würzen – aber nur sehr sparsam. Ähnlich wie bei ihren Verwandten reicht eine kleine Menge aus, um für ein intensives Geschmackserlebnis zu sorgen. Das Cola-Kraut hat einen zitronig-karamelligen Geschmack, der ziemlich unverkennbar ist.
Eberraute als Mottenschutz für die garde robe
Wahrscheinlich ist Dir die Eberraute schon öfters begegnet, ohne dass Dir das bewusst ist: Sie ist ein häufiger Bestandteil von Duftkissen, Kräutersträußen und Potpourries. Den intensiven Duft kann man sich auch im Kleiderschrank zunutze machen, denn Kleidermotten mögen den Geruch von Cola-Kraut ebenso wenig wie Lavendel. In Frankreich nennt man das Kraut auch garde robe, sinngemäß Klamottenschutz. Der eigentliche Sinn von Kleiderschrank.
Inhaltsstoffe von Artemisia abrotanum
Die Blätter der Eberraute enthalten bis zu 1,4 Prozent ätherisches Öl, das man durch Wasserdampfdestillation als Eberrautenöl gewinnen kann. Kennzeichnende Duftstoffe sind Thujon und 1,8-Cineol sowie die Cumarin-Derivate Umbelliferon, Isofraxidin und Scopoletol. Für den bitteren Geschmack sind Rutin und Sesquiterpenlactone wie Absinthin verantwortlich. Zudem enthält Eberraute Alkaloide, vor allem Abrotin, das eine ähnliche Wirkung wie Chinin aufweist.
Thujon ist neben dem intensiven Aroma auch der Grund, warum man das Colakraut in der Küche nur sparsam verwenden sollte: Das ist genau die Substanz, die wegen ihrer neurotoxischen Wirkung zum jahrelangen Verbot von Absinth, dem Kräuterlikör aus der Wermutpflanze (Artemisia absinthium) geführt hat. Große Mengen Eberraute können Kopfschmerzen und Schwindel verursachen.