Heimische Wildpflanzen sind die neuen Exoten
Heimische Wildpflanzen sind vielerorts selten geworden und damit die neuen Exoten in unseren Gärten. Sie sind, im Gegensatz zu Neuzüchtungen und Neuankömmlingen, eine wichtige Nahrungsquelle für Wildbienen und Schmetterlinge. In puncto Stand- und Klimafestigkeit sind sie anderen Arten deutlich überlegen. Auch kalte Winter überleben sie meist ohne Probleme. Gut für dich, gut für die Natur.
Also pflanzt heimische Arten, so wie diese!
Markus Wichert
Naturgärtner
Was ist Kleine Traubenhyazinthe?
Kaum ein Garten, zu dessen frühjährlichem Repertoire keine Traubenhyazinthen gehören. Muscari botryoides gehört neben Krokus und Schneeglöckchen zu den beliebtesten Frühblühern. Wild wächst sie in einem breiten Streifen zwischen Frankreich und Ural, vor allem in feuchten Magerrasen, Bergwiesen und im Unterholz lichter Hainbuchen- und Eichenwälder.
Die ausdauernden krautigen Pflanzen gehören zur Familie der Spargelgewächse (Asparagaceae); statt Spargel gibt es hier unter der Erde mit fadenförmigen Wurzeln besetzte runde braune Zwiebeln, die als Überdauerungsorgane fungieren und im Frühling meist nur zwei schmale fleischige Blätter austreiben.
Etwa genauso groß wird der Blütenstand aus einem runden, etwa 20 Zentimeter hohen Stängel und der namensgebenden kurzen kompakten Traube aus nickenden glockenförmigen Blüten. Diese sind doppelt dreizählig, zwittrig und haben eine auffallend blaue Farbe; sie bleiben geruchlos und wissen ihre Bestäuber mit anderen Mitteln anzulocken.
Nach der erfolgreichen Bestäubung bilden sich scharf dreikantige Kapseln, die bei Reife eintrocknen und sich längs öffnen, um ihre meist sechs schwarzen, zwei Millimeter großen eiförmigen und geriffelten Samen freizugeben.
Von anderen Traubenhyazinthen lässt sich Muscari botryoides am ehesten durch das Fehlen von Tochterzwiebeln unterscheiden; daher wächst sie eher vereinzelt als in dichten Horsten. Und viele andere haben einen intensiven Duft.
Kleine Traubenhyazinthe im Garten

Quelle: Irina Borsuchenko/shutterstock.com
Standort
Im Garten hätte die Kleine Traubenhyazinthe gerne einen lehmigen, aber gut durchlässigen Boden, der möglichst frisch sein sollte; er kann aber auch gerne längere Zeit etwas austrocknen, ohne dass die Zwiebelchen dann nicht mehr genug Wasser auftreiben könnten. Im Winter vertragen sie bis zu -34 °C.
Vermehrung
Kleine Traubenhyazinthe vermehrt sich selbst im Gegensatz zur Verwandtschaft nicht mit Tochterzwiebeln, sondern mit reichlich gebildeten Samen. Du kannst die sich mit Selbstaussaat vergrößernden Bestände ab und zu teilen, sobald sie zu groß werden, und die Samen keimen recht zuverlässig.
Verwendung
Frühblüher wie die Kleine Traubenhyazinthe lassen sich im Garten vielfältig im niedrigen Vordergrund von Blumenbeeten und Staudenbeeten oder im Steingarten einsetzen; auch auf Balkon und Terrasse machen sie mit ihren hübschen Blüten in Kästen und Kübeln eine gute Figur.
Schädlinge
Schädlinge und Krankheiten sind bei der Kleinen Traubenhyazinthe eher selten; vor allem bei unzuträglichen Bedingungen wie Überdüngung oder zu feuchter Erde können sie anfällig für Pilzerkrankungen werden. Die gute Nachricht: Schnecken mögen sie nicht so besonders.
Ökologie

Quelle: Thijs de Graaf/shutterstock.com
- Als Bestäuber kommen vor allem Honigbienen und Hummeln, um sich den frühjährlichen Nektar zu holen.
- Den Pollen akquirieren auch Wildbienen aus den kleinen Glöckchen, insbesondere die Gewöhnliche Schmalbiene Lasioglossum calceatum, die bei uns noch relativ häufig zu sehen ist.
- Die nickenden Glöckchen schützen nicht nur das Innere der Blüten vor Feuchtigkeit, sondern helfen bei der Reife auch bei der Ausbreitung: Fallen Regentropfen darauf, so werden die Samen im Inneren davongeschleudert und mit dem Wasser weitertransportiert. Ähnlich funktioniert das mit dem Herausschütteln auch mit dem Wind.
Wissenswertes
- Alla turca war nicht nur in der Musik modern, sondern auch in der Botanik: Die Kleine Traubenhyazinthe wurde in Europa in der Blütezeit des Osmanischen Reiches im 16. und 17. Jahrhundert bekannt und ebenso wie Tulpen, Narzissen und andere Hyazinthengewächse in Mitteleuropa eingeführt.
- Als sogenannte Stinsenpflanzen sind sie ausgewildert und bis heute stellenweise eingebürgert in der Wildnis zu finden. Die Bezeichnung kommt aus dem Friesischen und bezeichnet Steinhäuser, die seinerzeit den besser gestellten Familien vorbehalten waren: Die Häuser verschwanden, aber die Zierpflanzen in den Gärten blieben und haben sich nur begrenzt in der weiteren Umgebung verteilt.
- Die Pflanzen enthalten Glykoside, waren aber als Heilpflanzen nie besonders angesagt.
- Muscari kommt übrigens vom lateinischen muscarium für Moschus; bei dieser Art fehlt allerdings der bei anderen Traubenhyazinthen übliche Geruch. Der Artname botryioides bedeutet traubenartig.