Was ist Tüpfel-Johanniskraut?
Tüpfel-Johanniskraut oder Echtes Hartheu (Hypericum perforatum) ist eine weit verbreitete einheimische Wildpflanze – man findet sie an Waldrändern, Gebüschsäumen, an Wegen und Böschungen sowie auf mageren Weiden und Magerrasen ebenso wie auf Heiden, Brachen und Waldlichtungen. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Vertreters der Johanniskrautgewächse (Hypericaceae) liegt in Europa und Westasien, aber mittlerweile ist es weltweit vielerorts eingebürgert.
Die kräftige spindelförmige Wurzel der bis zu 60 Zentimeter hohen Staude reicht bis zu einem halben Meter in die Tiefe und bildet reichlich kriechende Wurzelsprosse, mit dem sich das Johanniskraut in der Umgebung ausbreitet und kleine lockere Bestände bildet. Im Inneren der zweikantigen, steif aufrechten Stängel befindet sich ein gut erkennbares Mark – bei den anderen Johanniskraut-Arten ist er hohl, und ein zweikantiger Trieb ist bei den bei uns heimischen Pflanzen extrem selten. Die Äste verzweigen sich erst in der oberen Hälfte und geben der Pflanze ein büscheliges Aussehen. Sie sind reich belaubt; die mittelgrünen, bis zu drei Zentimeter langen Blätter stehen gegenständig am Stängel und sind oval bis fast linealisch. Hält man sie gegen das Licht, so erkennt man Öldrüsen, durchscheinende helle Punkte und einige schwarze unmittelbar in Randnähe.
Im Sommer erscheinen endständige zylindrische Trugdolden mit goldgelben Blüten. Sie werden 1-2 Zentimeter breit und sind fünfzählig, mit doppelter Blütenhülle und radiärsymmetrisch. Drumherum stehen die lanzettlich geformten und grannenartig zugespitzten grünen und mit Drüsen besetzten Kelchblätter. Sie sind immer länger als der Fruchtknoten. Die bis 13 Millimeter langen länglich-ovalen Kronblätter sind goldgelb gefärbt und auf nur einer Seite mit einem gezähnten Rand versehen; auch hier erkennt man am Rand schwarze Punkte. Im Inneren der Blüten stehen bis zu 100 leuchtend gelbe Staubblätter und ein ovaler Fruchtknoten, der sich zu einer eiförmigen zentimeterlangen Kapsel entwickelt. Diese ist leicht dreikantig und enthält drei Kammern mit millimetergroßen länglichen Samen; sie öffnen sich erst bei hoher Lufttrockenheit.
Tüpfel-Johanniskraut im Garten

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Standort
Die verbreitete Pionierpflanze wächst vorzugsweise auf einem frischen bis mäßig trockenen, mäßig sauren bis neutralen humosen und tiefgründigen Boden. Sie braucht nicht allzu viele Nährstoffe und stellt keine besonderen Ansprüche; Johanniskraut gedeiht im heimischen Garten praktisch überall, wo man es anpflanzt. Am besten steht in der prallen Sonne oder wenigstens im Halbschatten, Schatten bekommt ihm ebenso wenig wie Staunässe oder Überdüngung.
Schnitt
Ältere Bestände sollte man ab und zu teilen, damit sie nicht vergreisen; so wachsen sie buschiger und blühen reichhaltiger.
Vermehrung
Für seine eigene Verbreitung sorgt das Tüpfel-Johanniskraut mit seinen kriechenden Wurzelausläufern. Auch eine vegetative Vermehrung mit Stecklingen oder eine Aussaat sind möglich; es handelt sich dabei um einen Kaltkeimer, den man am besten im Winter in Töpfe sät und an einem geschützten Ort vorzieht. Im Handel bekommt man auch kleine Pflänzchen fertig zum Kaufen.
Verwendung
Als einheimische Staude macht sich das Tüpfel-Johanniskraut am besten im naturnahen Wildkräutergarten, in dem es eine der Hauptattraktionen für viele hungrige Insekten ist. Mit viel Licht und Sonne bildet es am Rand von Gebüsch, Wegrändern, im Heidegarten oder in einer mageren Blumenwiese ausladende Horste.
Schädlinge
Selten finden sich rotbraune Flecken auf den Blättern, die von Rostpilzen verursacht werden. Ansonsten ist das Johanniskraut extrem robust und wird nur höchst selten von Krankheiten oder von Schädlingen befallen. Dazu gehören vor allem Blattwespenlarven und Blattkäfer, die im landwirtschaftlichen Anbau der alten Heilpflanze allerdings eine größere Rolle spielen als im heimischen Garten.
Ökologie
Die Blüten des Echten Hartheu glänzen eher durch reichhaltig gebildeten Pollen als mit Nektar. Dementsprechend finden sich vor allem Honigbienen, Wildbienen und Hummeln als Bestäuber ein. 16 Wildbienen bedienen sich daran, und 13 Schmetterlinge nutzen das Tüpfel-Johanniskraut vorwiegend als Raupenfutter. Lediglich der Wolfsmilch-Glasflügler (Chaemaesphecia empiformis) ist hier als erwachsener Spinner zu Gast. Ansonsten finden sich hier die Larven von etlichen Faltern, denen das Johanniskraut zu ihrem deutschen Namen verholfen hat, wie die Johanniskraut-Eule (Actinotia polyodon und Actinotia radiosa), Hartheu-Grauspanner (Aplocera spec.), Johanniskraut-Kleinspanner (Scopula nemoraria) und Weißer Hartheuspanner (Siona lineata).
Neben Fremdbestäubung durch Hummeln und Bienen ist auch eine Selbstbestäubung möglich – quasi als letzte Möglichkeit, wenn sich kein hilfreiches Insekt eingefunden hat, kommen die gespreizten Staubbeuten durch das Schließen der alternden Blüte mit den Griffeln in Kontakt. Die Verbreitung der Samen übernehmen Tiere, wenn sie an den geöffneten Kapseln vorbeistreifen, teilweise auch der Wind und Ameisen, die sie in ihre Bauten schleppen.
Wissenswertes
Der Gattungsname perforatum bedeutet perforiert oder durchlöchert – genau so sehen die Blätter gegen das Licht gehalten aus: Dort erkennt man die riesigen Öldrüsen des Johanniskrautes mit dem bloßen Auge als kleine durchscheinende Punkte – bei den meisten anderen Pflanzen benötigt man dafür ein Mikroskop. Den Gattungsnamen haben die Pflanzen bekommen, weil sie um den Johannistag am 24. Juni herum blühen. Auf Wiesen und Weiden, die häufig gemäht werden, hält es sich nicht sehr lange und verschwindet.
Tüpfel-Johanniskraut gilt als leicht giftig, da es vor allem in den Blüten, Knospen und Früchten Hypericin enthält. Das Anthrachinon-Derivat hat eine leuchtend rote Farbe – dementsprechend verfärben sich die Finger, wenn man sie verreibt. Im Mittelalter hat das zur Bezeichnung Johannisblut oder Herrgottsblut geführt, dem die Autoren der Kräuterbücher jener Zeit heilkräftige Wirkungen zuschrieben. Ähnlichen Ursprungs sind Bezeichnungen wie Blutkraut, Jesuwundenkraut oder Wundkraut. Damals verwenden es heilkundige Größen wie Paracelsus, Hieronymus Bock und Matthiolus vor allem als galletreibendes Mittel, bei Klimakteriumsbeschwerden, zur Kreislaufstabilisierung und nicht zuletzt als Abtreibungsmittel.
In der Naturheilkunde verwendet man Johanniskraut vor allem in Form von Johanniskrauttee als Beruhigungsmittel und leichtes Antidepressivum; es hemmt als sogenannter MAO-Hemmer die Monaminoxidase des Nervensystems, die etliche Neurotransmitter wie die Botenstoffe Serotonin, Adrenalin und Dopamin abbaut. Allerdings sollte man sich vor größeren Mengen des Rotöls oder Johannisblutes hüten – es kann eine Photosensibilisierung der Haut verursachen, sodass man auch ohne Sonnenstudio oder langen Aufenthalt in der prallen Sonne einen heftigen Sonnenbrand bekommt. Dessen ungeachtet gehört das Johanniskraut derzeit zu den beliebtesten Phytopharmaka überhaupt. Neben dem etherischen Öl enthält es Flavonoide wie Rutin und Hyperosid, Harze, Gerbstoffe und Rhodan.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner