Was ist Zypressen-Wolfsmilch?
Zypressen-Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias) gehört zu unseren einheimischen Wolfsmilchgewächsen (Euphorbiaceae) und ist so dekorativ, dass man sie auch häufig als Zierpflanze in Gärten findet. In der freien Wildbahn wächst sie an trockenen und offenen Ruderalstellen, Heiden, Gebüsch- und Wegrändern, Kalk-Magerrasen, Magerweiden und Böschungen. Sie ist in ganz Europa weit verbreitet und klettert im Gebirge bis auf über 2000 Meter hinauf, wo sie auch noch auf Hochalmen und Felskanten wächst.
Die ausladenden krautigen Stauden reichen mit ihrem rotbraunen holzigen, bisweilen verzweigten Rhizom bis zu 60 Zentimeter tief und bilden reichlich Ausläufer. Oberirdisch sind sie vollkommen unbehaart und glasig-grün. Die aufrechten oder aufsteigenden schlanken Stängel sind verzweigt und werden 10-40 Zentimeter hoch. Sie tragen wechselständige dichtstehende schmal-linealische Blätter, die bis zu vier Zentimeter lang und 2-3 Millimeter breit werden und eine dunkelgrüne Farbe haben. Die Blätter der Seitenäste sind oft auf dünne Fäden reduziert; bei Verletzungen tritt der weiße Milchsaft hervor, der der ganzen Familie ihren Namen eingebracht hat.
Vom späten Frühling bis in den Hochsommer hinein erscheinen an einigen der an Tannenzweigen erinnernden Triebe endständig die 2-5 Zentimeter breiten Scheindolden. Während die tatsächlichen Blüten der Scheinblüten oder Cyathien winzig sind, fallen die gelbgrünen Hüllblätter sofort ins Auge. Sie sind miteinander verwachsen und etwas heller grün als die übrigen Blätter; mit der Zeit verfärben sie sich rot. In jeder der 8-12 Millimeter großen Cyathien finden sich männliche und weibliche Blüten nebeneinander; sie sind auf Fruchtblatt oder Staubblatt reduziert und verzichten auf eine Blütenhülle. Die halbmondförmigen Nektarien haben zwei Hörnchen, deren Spitzen sich meist berühren und sind goldgelb. Aus den Fruchtknoten entwickeln sich 3-4 Millimeter lange, kahle dreikammerige Kapselfrüchte mit jeweils einem eiförmigen braunen Samen pro Abteil. Sie tragen ein großes Elaisosom und sind selbst ölhaltig.
Zypressen-Wolfsmilch im Garten

Quelle: aga7ta/shutterstock.com
Standort
Wie in der Natur hat es die Zypressen-Wolfsmilch gerne warm und trocken mit reichlich Sonne. Sie bevorzugt einen basenreichen, vorzugsweisen kalkhaltigen humosen oder rohen und lockeren Lehm- und Lössboden. Vor allem auf nährstoffarmen Böden verfärben sich die Hüllblätter in der Sonne oft leuchtend orange. Staunässe ist ihr absolut unzuträglich, wohingegen längeres Trockenstehen ihr nichts ausmacht. Sie ist voll frosthart.
Schnitt
Im Herbst sollte man die Zypressen-Wolfsmilch keinesfalls zurückschneiden. Auch sonst ist sie wenig begeistert und blutet reichlich. In jedem Fall muss man sich mit Handschuhen und ausreichend langer Bekleidung bewaffnen, denn der Saft ist giftig und führt zu schweren Hautreizungen mit Blasen und Entzündungen. Trotzdem sollte man sie – nur sprichwörtlich - im Auge behalten und darauf achten, dass sie nicht über Gebühr Platz wegnimmt. Sie kann sich schnell invasiv ausbreiten.
Vermehrung
Eine Vermehrung mit Samen ist problemlos möglich, aber eigenständig vermehrt sich die Zypressen-Wolfsmilch eher vegetativ mit Ausläufern als durch Selbstaussaat. Teilung der Bestände ist ebenfalls machbar. Stecklinge sollte man vor dem Einpflanzen eine Weile in Wasser stellen, damit der klebrige Milchsaft keine dicke Schicht bildet und die Bewurzelung verhindert.
Verwendung
Die Zypressen-Wolfsmilch ist ein idealer Bodendecker für Staudenbeete und lässt sich wunderbar mit Natternkopf, Wegwarte oder Malven kombinieren. So werden diese Stellen im Garten zu gefundenen Fressen für nektarhungrige Insekten.
Schädlinge
Einer der auffälligsten Schädlinge ist der Erbsenrost (Uromyces pisi), der bei den Pflanzen für unschöne Missbildungen sorgt. Die Pflanzen bilden keine Blüten, sondern nur noch sterile Stängel mit dicken kurzen gelben Blättern.
Achtung, der Erbsenrost trägt seinen Namen vollkommen zu Recht und kann auch im Nutzgarten lästig werden. Die Zypressen-Wolfsmilch ist nur der Zwischenwirt, richtig austoben wird sich der Schlauchpilz auf Erbsen, Bohnen und einigen Zierpflanzen, die ebenfalls zur Familie der Hülsenfrüchtler gehören, insbesondere Wicken und Luzernen. Daher sollte man befallene Pflanzen im Müll beseitigen und keinesfalls auf den Komposthaufen werfen.
Ökologie
Für die Bestäubung sind vor allem Fliegen verantwortlich, aber auch viele andere Insekten finden sich in großer Zahl am reichlich gebildeten und leicht zugänglichen Nektar ein. Insgesamt 21 Schmetterlinge interessieren sich für den Nektar und/oder die Blätter als Raupenfutter. Einige davon haben namensmäßig abgefärbt, wie der Wolfsmilchschwärmer (Hyles euphorbiae), Wolfsmilch-Glasflügler (Chamaesphecia empiformis) und Wolfsmilch-Ringelspinner (Malacosoma castrensis). Zu den extrem bedrohten Arten unter den Besuchern gehören die Hofdame (Hyphoraia aulica) und der Spätsommer-Glasflügler (Chamaesphecia leucopsiformis).
Interessant ist der Schleudermechanismus, mit dem die Zypressen-Wolfsmilch ihre Samen verbreitet – die Kapseln öffnen sich explosionsartig und schießen sie weit davon. Ameisen sammeln sie wegen ihrer ölreichen Anhängsel und verschleppen sie in ihren Bau. Abgeknabbert wandern sie wieder nach oben und werden entsorgt. Daher sind ringförmig um einen Ameisenhaufen wachsende Exemplare in der Natur nicht ungewöhnlich.
Wissenswertes
In ihrem Verbreitungsgebiet bildet die Zypressen-Wolfsmilch Sippen mit diploidem und mit tetraploidem Chromosomensatz. Mikroskopisch lassen sie sich anhand ihrer unterschiedlichen Pollengröße unterscheiden. Der Artname cyparissias bedeutet zypressenähnlich und weist auf die an Nadelbäume erinnernden Blätter hin.
Auf Weiden ist sie weniger gerne gesehen, denn die Pflanzen sind auch für Kühe und Pferde giftig. Die giftigen Komponenten des bitteren und klebrigen Milchsaftes wie Euphorbon und Euphorbin bleiben auch im Heu erhalten. Schafen macht das Gift nichts aus, sodass sie sich nicht vom Verzehr abhalten lassen. Die Vorkommen der Zypressen-Wolfsmilch werden durch die Beweidung gefördert – sie wächst umso besser, wenn ihr keine höheren und konkurrenzstärkeren Gewächse das Licht wegnehmen.
Beim Menschen kann der Kontakt mit dem frischen Saft Hautreizungen mit Rötungen und Blasenbildung hervorrufen. Vor allem den Kontakt mit Schleimhäuten und insbesondere mit den Augen sollte man tunlichst vermeiden! Geradezu widerlich können die feinen Haare der Hochblätter im Herbst werden, denn sie sind hakenförmig und bohren sich tief in die Haut. Dort können sie schlimmstenfalls monatelang für Beschwerden sorgen und Geschwüre hervorrufen.
Dessen ungeachtet verwendete man die Zypressen-Wolfsmilch früher als Heilpflanze – noch im Mittelalter berichten die namhaften Autoren der Kräuterbücher wie Dioskurides, Matthiolus und Lonicerus über die Wirkung ihrer Wurzeln. Scammonium europaeum setzte man als radikales Brechmittel und Abführmittel ein. Probieren sollte man das heutzutage lieber nicht, denn bei innerlicher Einnahme führt das Kraut zu Übelkeit mit Erbrechen und Durchfällen, Krämpfen, Kreislaufschwäche und Kollaps. Der Tod tritt nach zwei bis drei Tagen ein.
Zu den im Handel verbreiteten Sorten gehört ‚Orange Man‘ mit orangefarbenen Blüten und ebensolcher Herbstfärbung der Blätter sowie ‚Fen’s Ruby‘ mit rotem Austrieb. Sie bildet auch Hybriden mit anderen Arten.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner