Was ist Kleiner Wiesenknopf?
Kleiner Wiesenknopf, Kleine Bibernelle oder Pimpernell (Sanguisorba minor) ist der kleinere Verwandte vom Großen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) – beide gehören zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae) und sind als einheimische Wildkräuter, die auch als Heilpflanze und Küchenkraut genutzt werden bei uns weit verbreitet. Während der größere Bruder feuchte Wiesen in Auen und Mooren bevorzugt findet sich der Kleine Wiesenknopf auf basischeren und deutlich trockeneren Standorten, insbesondere auf sonnigen Felsfluren, Magerweiden, Trocken- und Halbtrockenrasen, an Böschungen und Wegrändern mit kalkhaltigen Böden vom Flachland bis in die mittleren Gebirgslagen auf eine Höhe von 1200 Metern. Außerhalb dieser Standorte, vor allem im Nordwesten Deutschlands ist er eher selten. Sein Verbreitungsschwerpunkt liegt in Mittel- und Südeuropa, er wächst aber auch in einem großen Gebiet von Skandinavien bis nach Nordafrika und Afghanistan.
Die ausdauernden krautigen Stauden erreichen mit ihren Blütenständen eine Höhe von bis zu einem Meter; aus einem unterirdischen Rhizom erhebt sich ein aufsteigend aufrechter drahtiger, runder bis kantiger Stängel, der nach oben hin reichlich verzweigt und höchstens im unteren Teil zottig behaart ist. In einer dichten bodennahen Rosette stehen 10-20 Zentimeter lange Grundblätter; sie sind unpaarig gefiedert mit 4-12 Paaren von eiförmig-elliptischen, 4-20 Millimeter langen und sitzenden bis kurz gestielten Fiederblättchen. Dagegen sind die oberen Blätter gleichmäßig über den ganzen Stängel verteilt; nach unten hin werden sie kleiner und weisen zusehends weniger Fiederblättchen auf. Bei allen Blättern ist die Unterseite heller und matter gefärbt als die dunkelgrüne Oberseite; der Rand trägt meist 5-7, seltener 3-9 grobe Zähnchen.
Die Blüten erscheinen in 1-3 Zentimeter großen eiförmigen bis fast runden Köpfchen, bei denen es sich streng genommen um Ähren handelt; sie sind fünfzählig mit einfacher Blütenhülle und sternförmig, mit einem grünen Kelch, wohingegen Kronblätter fehlen; anfangs sind sie grün, in der Sonne färben sie sich rötlich. In den Köpfchen stehen zuoberst rein weibliche Blüten mit durch ihre prägnant rote Farbe auffälligen pinselartigen Narben, darunter zwittrige Blüten und ganz unten rein männliche Blüten, bei denen die Staubblätter mit hängenden Staubbeuteln besonders weit herausragen. Zur Fruchtreife sind die die Nüsschen umgebenden Kelchblätter vier Millimeter lang mit vier geraden Längskanten. Sie weisen schmale Leisten, aber keine Flügel auf und sind auf der Fläche erhaben netzförmig runzelig.
Kleiner Wiesenknopf im Garten
Standort
Der Kleine Wiesenknopf bevorzugt einen lockeren kalkhaltigen und höchstens mäßig sauren Lehmboden. Er sollte in der Sonne oder im Halbschatten stehen, und bei länger anhaltender Trockenheit im Sommer nimmt er gründliches Wässern mit der Gießkanne dankbar zur Kenntnis; völlig austrocknen sollte er nicht. Als einheimisches Kraut ist er in unseren Breiten vollkommen winterhart.
Schnitt
Schneiden und Pflegen sind beim äußerst robusten Kleinen Wiesenknopf nicht erforderlich, er sorgt recht gut für sich selbst. Wenn Du für die Küche etwas von den Blättern und Blüten ernten möchtest, nimm nur die jungen, die alten schmecken nicht mehr besonders.
Vermehrung
Die Vermehrung erfolgt entweder durch Aussaat oder indem man die Pflanzen teilt. Beides nimmt man entweder im Herbst oder im Frühjahr vor.
Verwendung
Als althergebrachtes Küchenkraut gehört der Kleine Wiesenknopf in jeden Bauerngarten und Kräutergarten. Ebenso gut gedeiht er in einer naturnahen Wiese, krautigen und gemischten Rabatten, und dank seiner Anspruchslosigkeit kann man ihn auch hervorragend für die Dachbegrünung einsetzen.
Schädlinge
Schädlinge und Krankheiten wird man beim äußerst robusten Kleinen Wiesenknopf kaum finden. Mit Ausnahme der jungen Keimlinge schmeckt das Kraut noch nicht mal Schneckenbesonders - mal eine willkommene Ausnahme bei unseren Küchenkräutern.
Ökologie
Der Kleine Wiesenknopf gilt als Pionierpflanze, denn für die Versorgung mit Nährstoffen bildet er an seinen Wurzeln eine Mycorrhiza aus: Die Pilze bekommen dafür im Gegenzug Zucker aus der Photosynthese.
Vor allem der Wind sorgt sowohl für die Bestäubung als auch für die Verbreitung der Samen – daher auch die pinseligen roten Narben und die weit heraushängenden Staubbeutel. Windblütigkeit ist bei Rosengewächsen die absolute Ausnahme. Darüber hinaus sorgen die weit heraushängenden Staubbeutel dafür, dass auch Bienen anfliegen und sich an der Übertragung des Pollens beteiligen.
Nektar liefern die Blüten keinen. Dementsprechend gehen erwachsene Schmetterlinge hier leer aus. Im Gegensatz dazu finden hier neun Arten ein weit verbreitetes Raupenfutter. Die wichtigsten davon sind die beiden Glucken Wolfsmilch-Ringelspinner (Malacosoma castrensis) und Brombeerspinner (Malacosoma rubi), die beiden Dickkopffalter Roter Würfel-Dickkopffalter (Spialia sertorius) und Kleiner Würfel-Dickkopffalter (Pyrgus malvae) sowie Russischer Bär oder Spanische Fahne (Euplagia quadripunctaria = Callimorpha quadripunctaria).
Die Früchte fliegen dank ihrer ballonartigen Struktur nicht nur erstaunlich weit, sie können auch mit dem Regen davongeschwemmt werden. Viele Fruchtstände bleiben bis weit in den Winter hinein erhalten und überragen die ansonsten oft kahlen Wiesen.
Wissenswertes
Gutes Futter auf nährstoffarmen Böden
Botanisch gilt der Kleine Wiesenknopf als Zeigerpflanze für magere Böden. Auf Magerweiden, insbesondere auf Schafsweiden findet er sich oft in großer Zahl und wird auch vom Weidevieh gerne gefressen – er gilt als gute Futterpflanze.
Der Unterschied zwischen Pimpernell und Bibernell: Was wirklich stimmt
Pimpernell und Bibernell geht im Volksmund oft durcheinander; in der Botanik bezeichnet man mit Bibernell korrekterweise die Gattung Pimpinella – auch da gibt es eine Große Pimpinelle oder Große Bibernelle (Pimpinella major) und Kleine Pimpinelle oder Kleine Bibernelle (Pimpinella saxifraga). Diese gehören allerdings nicht wie Sanguisorba zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae), sondern zu den Doldenblütlern (Apiaceae).
Wiesenknopf in der Küche: Salat, Spinat, Frankfurter Grüne Sauce
Die Blüten und die Blätter des Kleinen Wiesenknopfs verwendet man als Würzkraut in der Küche; sie haben einen frischen leicht nussigen, säuerlich und wenig scharfen Geschmack, der ein wenig an Spinat oder an Gurkenschalen erinnert. Am bekanntesten ist seine Verwendung bei Frankfurter Grüne Sauce, die schon der dort gebürtige Goethe so liebte. Aber auch sonst kommt er gerne und oft in anderen Saucen und als Salatgewürz zum Einsatz, oder man kocht ihn kurz als Gemüse wie Spinat.
Für besseren Wein
Im elisabethanischen England versetzte man damit den Wein, um ihn schmackhafter zu machen. In allen Fällen verwendet man nur die frischen jungen Blättchen, die älteren werden zäh und bitter, und beim Trocknen geht das charakteristische Aroma größtenteils verloren. Notfalls lässt sich damit noch Wiesenknopf-Tee zubereiten, der vor allem mit dem beim Trocknen erhalten bleibenden Gerbstoffen wirkt.
Sanguisorba minor als Heilpflanze in Naturheilkunde, TCM und moderner Medizin
Als Heilpflanze steht er hinter dem Großen Wiesenknopf zurück, wird aber in ähnlicher Weise verwendet. Wie volkstümliche Namen wie Blutkraut oder Blutströpfchen verraten nutzte man ihn früher zum Stillen der Blutungen von Wunden. Daher auch der botanische Name – sanguis bedeutet lateinisch Blut, sorbere aufsaugen. Darüber hinaus gilt Wiesenknopf-Tee in der Naturheilkunde bis heute als probates Mittel gegen Durchfall und entzündliche Erkrankungen von Oberhaut und Schleimhäuten. Dank der vor allem in den Wurzeln reichlich vorhandenen Gerbstoffe (bis über 10 %) wirkt er adstringierend, blutstillend, verdauungsfördernd und harntreibend. Weitere biologisch aktive Stoffe sind Saponine, Flavonoide wie Rutin, Vitamin C und Terpenoide wie Ursolsäure. Den Tee sollte man in der Schwangerschaft vorsichtshalber nicht trinken.
Nicht nur bei uns hat er eine lange Tradition in der Volksheilkunde, sondern auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin, wo man ihn ebenfalls seit Jahrhunderten vor allem zur Blutstillung einsetzt. Auch in der modernen schulmedizinischen Literatur findet man Untersuchungen zu Sanguisorba minor: So beugt er im Rattenmodell Gedächtnisverlust vor und macht in der Zellkultur Krebszellen weniger beweglich.
Kleiner Wiesenknopf in der Homöopathie
In der Homöopathie nutzt man den Kleinen Wiesenknopf gegen Krampfadern und Venenstauungen; auch hier wird er dank des Bibernell/Pimpinell-Chaos häufig verwechselt: Pimpinella alba bezeichnet den nicht verwandten Doldenblütler.
Blutstillende Wirkung als prophylaktische Maßnahme?
Die Ritter und Soldaten im Mittelalter wussten es noch nicht besser: Da der Kleine Wiesenknopf sich als Blutstiller bewährt hatte war man der Meinung, dass man nach Verletzungen weniger blutet, wenn man vorher etwas von dem Kraut konsumierte. So einfach ist es natürlich leider nicht…
Wenn’s morgens tröpfelt…
An feuchten nebligen Morgen sieht man in den Wiesen oft kleine Tröpfchen am Rand der Blätter des Kleinen Wiesenknopfes, ganz ähnlich wie beim Frauenmantel. Das sind keine Tautropfen, sondern Guttationstropfen – die scheiden Pflanzen aus, wenn die Luftfeuchtigkeit zu hoch zum Verdunsten ist. Indem sie das überschüssige Wasser herauspressen können die Blätter trotzdem Nährstoffe aus den Wurzeln aufnehmen.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner