Was ist Wiesen-Schlüsselblume?
Die Gewöhnliche Wiesen-Schlüsselblume, Wiesen-Primel, Arznei-Schlüsselblume oder Himmelsschlüssel (Primula veris) ist bei uns relativ häufig auf mageren Wiesen, Rainen, Böschungen und Waldrändern, auf Kalkmagerrasen wie auch in lichten und krautreichen Eichenwäldern zu finden. Das Mitglied der gleichnamigen Familie der Primelgewächse (Primulaceae) bevorzugt kalkhaltige Böden und ist nicht nur als Zierpflanze, sondern auch als Heilpflanze in Gebrauch. Ihr Ausbreitungsgebiet umfasst ganz Europa bis nach Vorderasien hinein, wobei sie in den Gebirgen bis auf eine Höhe von 1.700 Meter aufsteigt.
Das ausdauernde immergrüne bis halbimmergrüne Kraut erreicht eine Höhe und Breite von 10-20 Zentimetern und besteht vorwiegend aus einer bodennahen Blattrosette mit 5-20 Zentimeter langen und 2-8 Zentimeter breiten ei- bis zungenförmigen, deutlich runzligen Blättern. Diese sind auf beiden Seiten graugrün, oberseits kahl und auf der Unterseite meist schwach behaart und drüsig. Der Überwinterung dient das kurze dicke Rhizom.
Die aufrechten, kräftigen und behaarten Stängel der Wiesen-Schlüsselblume erscheinen von April bis Juni. An ihren Enden sitzen einseitswendige, der Sonne zugewandte Dolden aus 5-20, selten bis zu 30 becherartigen, leicht hängenden Blüten an 2-15 Millimeter großen Stielen. Sie sind 1-1,5 Zentimeter groß, zwittrig, sternförmig und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle und haben einen zarten Duft. Der längskantige Kelch ist 8-16 Millimeter lang und bauchig zu einer Glocke verwachsen, welche der Kronröhre im Inneren nicht anliegt und etwas kürzer als diese ausfällt. Der tellerartig ausgebreitete Kronsaum der goldgelben, am Schlund mit einem orangenen Fleck versehenen Kronblätter erscheint trichterförmig vertieft.
Nach der Bestäubung erscheinen die aufrechten Früchte, ovale Kapseln, die mit 5-10 Millimetern etwa halb so lang sind wie der sie umhüllende Kelch. Bei der Samenreife öffnen sie sich an ihrer Spitze mit kleinen, sich zurückbiegenden Zähnchen und geben die zahlreichen Samen frei.
Wiesen-Schlüsselblume im Garten

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Standort
Die Wiesen-Schüsselblume bevorzugt einen humosen, feuchten bis mäßig trockenen und gut durchlässigen Ton- oder Lehmboden, der am besten reichlich Kalk enthält. Viel Licht und Wärme nimmt sie dankbar zur Kenntnis, von praller Sonne bis zu Halbschatten. Schatten mag sie hingegen gar nicht, weswegen sie im Wald der nahe verwandten Hohen Schlüsselblume (Primula elatior) nicht in die Quere kommt.
Schnitt und Pflege
Viel zu tun gibt es bei der ausgesprochen pflegeleichten Wiesen-Schlüsselblume Primula veris nicht. Nur wenn Du ihre weitere Ausbreitung unterbinden möchtest solltest Du regelmäßig die Kapseln abknipsen, bevor sie reif werden und sich ihrer Samen entledigen. Achtung: Wenn Du sie in aller Ruhe gewähren lässt kann sie auch schon mal überhandnehmen.
Vermehrung
Die reichlich gebildeten Samen sorgen für eine schnelle Selbstaussaat. Du kannst sie unmittelbar nach der Samenreife im Spätsommer und Herbst an Ort und Stelle auspflanzen. Sie sind Lichtkeimer und Kaltkeimer, dürfen also nur leicht auf das Substrat angedrückt werden und brauchen eine Kältephase zum Keimen. Größere Bestände von Wiesen-Schlüsselblume lassen sich problemlos teilen und versetzen; die Teilung erfolgt am besten in der Wachstumsphase im Sommer. Zudem bilden die Rosetten reichlich Überwinterungsknospen.
Verwendung
Kalkhaltiger und leicht feuchter Boden? Dann ist die Wiesen-Schlüsselblume für Deinen naturnahen Garten geradezu unverzichtbar. Unter guten Bedingungen vermehren sich bereits einige wenige Exemplare schnell und dekorieren die Wildblumenwiese mit ihren goldgelben Blüten. Ebenso gut macht sie sich im Steingarten, in Rabatten und Blumenbeeten oder auf Balkon und Terrasse in Blumenkästen und Töpfen, gerne auch in Arrangements mit anderen Blumen.
Schädlinge
Die Wiesen-Schlüsselblume ist nicht nur pflegeleicht, sie hat auch mit Krankheiten und Schädlingen nicht viel am Hut. Noch nicht einmal die gefräßigen Schneckenkönnen sich für das saftige Grün begeistern.
Ökologie
Für die Bestäubung der Wiesen-Schlüsselblume kommen in Anbetracht der langen Kronröhre nur langrüsselige Insekten infrage – vor allem Hummeln und Schmetterlinge, aber auch die Zweifarbige Sandbiene Andrena bicolor und die Frühlings-Pelzbiene Andrena plumipes. Frustrierte Honigbienen knabbern schon mal die Blüten seitlich an, um an den süßen Nektar zu gelangen.
Als Raupenfutter dient die Wiesen-Schlüsselblume unter anderem dem recht verbreiteten Schlüsselblumen-Würfelfalter (Hamearis lucina), einem Bläuling, dessen hellbraune haarige Raupen fleckige dunkle Längsbinden aufweisen. Ebenfalls namensgebend war das Kraut für die Primel-Erdeule (Diarsia mendica), einen bei uns wesentlich selteneren Nachtfalter.
Die Verbreitung der winzigen Samen erfolgt in erster Linie durch den Wind, der sie weit von der Mutterpflanze wegträgt. Wegen ihres hohen ökologischen Wertes findet man die Schlüsselblumensamen häufig im Saatgut von Wildblumenmischungen.
Wissenswertes
Petrus‘ Schlüssel und die Schlüsselblume
Der Name Schlüsselblume kommt vermutlich von den einseitswendigen Dolden, in denen die einzelnen Blüten an dem kräftigen Stiel wie der Bart eines Schlüssels stehen. Der Legende nach hat Petrus seinen Himmelsschlüssel verloren, und dort wo er auf die Erde fiel wuchsen die ersten Schlüsselblumen. Daher auch der Trivialname Himmelsschlüssel für die Primula veris. Der Artname veris bedeutet lateinisch die erste und verweist auf die frühe Blütezeit des Wiesenbewohners.
Früher häufig, inzwischen immer seltener
2016 hat man die Wiesen-Schlüsselblume zur Blume des Jahres gewählt. Damit wollte man vor allem auf die vielerorts immer weiter schwindenden Bestände der vormals weit verbreiteten Primel aufmerksam machen. Verantwortlich dafür sind vor allem die intensive Bewirtschaftung der Wiesen und die zunehmende Überdüngung der eher mageren Böden, auf denen die Primula veris bevorzugt wächst. Inzwischen gilt sie als regional gefährdet und ist nach der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt. Von wild wachsenden Exemplaren sollte man also die Finger lassen.
Unterarten und Hybriden der Wiesen-Schlüsselblume
In Deutschland ist die Unterart Primula veris ssp. veris am weitesten verbreitet; lediglich im kalkarmen Nordwesten ist sie etwas seltener. Ihre Blattspreite verschmälert sich typischerweise abrupt in den durch ihre Verlängerungen geflügelten Blattstiel. Sie blüht erst nach Frühlings-Adonisröschen (Adonis vernalis) und zeitgleich mit Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus).
Dagegen tritt die seltenere Primula veris ssp. columnae vor allem in Bayern, Schwarzwald, Harz und im südlichen Teil der neuen Bundesländer auf. Sie zeichnet sich durch anfänglich deutlich weiß-filzigen Unterseiten der Blätter, und einen herzförmigen Blattgrund aus, der in einen ungeflügelten Blattstiel übergeht. Hier fällt die Blütezeit mit der von Behaartem Veilchen (Viola hirta) und Gelbem Windröschen (Anemone ranunculoides) zusammen.
In der freien Wildbahn bildet Primula veris häufig natürliche Hybriden mit der ebenfalls bei uns heimischen Hohen Schlüsselblume Primula elatior; ihre typischen Merkmale gehen dann oft mehr oder weniger nahtlos ineinander über. An einfachsten lassen sich die beiden Eltern an ihrem Geruch unterscheiden: Während die auch als Duftende Schlüsselblume Primula veris einen deutlichen Duft aufweist, erscheint die Primula elatior geruchlos. Zudem fehlen bei dieser die orange Flecken der Kronblätter nahe am Schlund der Blüten. Abgesehen von der Wildform gibt es im Gartenfachhandel mittlerweile Unmengen verschiedener Sorten und Hybriden, wie die buntblühende ‚Sunset Shades‘ oder die rotblütigen Kreuzungen mit Primula x polyantha. Den renommierten Award of Garden Merit der Royal Horticultural Society hat sie übrigens auch schon eingeheimst.
Miraculix trifft Hildegard von Bingen
Die erste sichere Erwähnung die Wiesenschlüsselblume findet sich bereits bei Plinius dem Älteren, und in der Mythologie und Heilkunde der keltischen Druiden spielte sie eine große Rolle. In den mittelalterlichen Kräuterbüchern wurde sie ausführlich behandelt; Hildegard von Bingen erwähnt sie passend zu Petrus‘ Himmelsschlüssel als St. Peters Kraut (S. petri herba).
Die Wiesen-Schlüsselblume als Heilpflanze
Naturheilkunde und Volksmedizin nutzen Primula veris bis heute als Heilpflanze offizinell; sie gilt als schmerzstillend, krampflösend, harntreibend und schleimlösend. Vor allem die Wurzeln enthalten reichlich Saponine, die man als Schleimlöser bei Erkältungen anwendet und sich in zahlreichen Hustentees findet. Sie reizen zudem die Schleimhäute, wenn man sie pulverisiert einatmet – daher machte man früher aus ihnen Niespulver. Übertreiben sollte man es damit ohnehin nicht, denn die Reizung der Schleimhäute kann zu Übelkeit und Durchfall führen.
Zu den Saponinen der Wurzeln kommen Glykoside wie Primeverin und Primulaverin, und phenolische Substanzen, die bei empfindlichen Personen allergische Reaktionen hervorrufen können. In den Blüten finden sich zudem antioxidativ wirksame Flavonoide und Carotinoide sowie das ätherische Öl, das für den typischen Geruch verantwortlich ist.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner