Am Inhalt mitgewirkt haben:
Dr. rer. medic. Harald Stephan
Diplom-Biologe
08.03.2024
Du hast unseren Artikel zu Schmetterlingspflanzen gelesen und wunderst Du Dich über einen weiteren zum Thema Raupenfutter? Da bist Du in guter Gesellschaft. Man vergisst nämlich allzu leicht, dass Schmetterlinge und ihre Raupen zwei recht unterschiedliche Lebewesen sind. Gute Nektarpflanzen für Schmetterlinge sind nicht notwendigerweise gleichzeitig gute Raupenfutterpflanzen. Wir wollen Dir im Folgenden erläutern, warum ein schmetterlingsfreundlicher Garten sowohl Futterpflanzen für die Raupen wie auch Nektarpflanzen für die Schmetterlinge bieten sollte.
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Zwei so verschiedenartige Tiere haben im heimischen Garten naturgemäß völlig verschiedene Ansprüche:
Größer könnte der Unterschied nicht sein: Die fette gemütliche Raupe verbringt den ganzen Tag mit Fressen. Während der Verpuppung geschieht die Verwandlung vom hässlichen Entlein zum prächtigen Schwan: Aus der Puppe schält sich ein Schmetterling, der seine Flügel entfaltet und fortan engelsgleich durch die Lüfte schwebt.
Genetisch sind Raupen und Schmetterling absolut identisch – sie haben den gleichen Genotyp, sprich die gleiche DNA. Aber der Phänotyp, also die äußere Erscheinungsform, ist denkbar unterschiedlich. Ein Wunderwerk der Natur, das einen zum Staunen bringt.
Als ausgewachsener Schmetterling hat man eine vergleichsweise reichhaltige Auswahl: Nektar ist Nektar, denn der besteht vor allem aus Wasser mit etwas Zucker. Letzterer dient als schnell verfügbare Energiequelle. Daher holen sich die Tagfalter und Nachtfalter den Treibstoff oft aus den unterschiedlichsten Quellen.
Zucker hin, Nektar her: Natürlich gibt es auch bei den Tankstellen Präferenzen – man sehe sich blühende Schmetterlingsflieder (Achtung: invasiver Neophyt, verdrängt heimische Pflanzen), Disteln oder Blaukissen an, die an einem warmen Sommertag zum Magneten für die fliegenden Edelsteine werden. Allein schon die duftenden Blüten sorgen dafür, dass viele Pflanzen ihre Bestäuber aus weiter Ferne anlocken.
Was die Auswahl angeht: Auf die Größe kommt es an. Schmetterlinge haben die längsten Rüssel in unserer heimischen Fauna und sind die einzigen Bestäuber von Pflanzen mit besonders langen Blüten, bei denen Bienen und andere Insekten leer ausgehen. Andere leben nur sehr kurz und haben erst gar keine Mundwerkzeuge.
Wenn Du in unserer Datenbank nicht immer die Nektarpflanze findest, an der Du selber gerade einen bestimmten Falter beobachtet hast: Nicht wundern – außer bei den Favoriten gehen die Frischverliebten auch gerne mal auswärts essen ;-)…
Mit dem auswärts essen gehen haben es die Raupen hingegen nicht so. Bei ihnen muss nicht nur Zucker auf dem Büffet stehen, sondern alle Substanzen, die sie für ihre Entwicklung brauchen: Kohlenhydrate, Lipide und Eiweiße. Alles Wichtige, was man als Heranwachsender dringend benötigt.
Dabei sind sie genauso hungrig und oft auch ebenso wählerisch wie unser eigener Nachwuchs. So wie der am liebsten beim Burgerbrater isst oder sich von Spaghetti mit Sauce ernährt bevorzugen viele Raupen ganz bestimmte Marken, sprich Pflanzenfamilien. Jedenfalls deutlich gesünder und mit viel mehr Grünzeug als bei den jungen Zweibeinern ;-).
Hilfe! Was tun bei Raupen an meinen Pflanzen?
Natur ist Natur, aber natürlich darfst Du als Gärtner auch irgendwo Grenzen setzen. Ärgere dich nicht, wenn ein paar Raupen vereinzelt an den Blättern nagen – sie müssen ja auch von etwas leben. Freu Dich lieber, dass sich Schmetterlinge bei Dir zuhause wohl fühlen. Das macht den Charme eines naturnahen Gartens aus, und für Kinder ist es ein Schauspiel, den Puppen beim Schlüpfen zuzusehen.
Bei aller Liebe zur Natur muss man Schädlinge trotzdem eindeutig als solche benennen. Die darf man auch bekämpfen: Klar möchtest Du nicht, dass die Kohlweißlinge Dir den Nutzgarten leerfuttern und Deinen schönen Salat und Kohlrabi niedermachen. Niemand wird es Dir übelnehmen, wenn Du Dich mit geeigneten Gegenmaßnahmen zur Wehr setzt. Das geht auch natürlich und ohne sofort die chemische Keule auszupacken. Etwa durch eine simple Mischkultur mit Sellerie, Porree oder Basilikum. Kohlweißlinge können den Geruch nämlich nicht ausstehen.
Wenn der Eichenprozessionsspinner in Deinem Garten Spuren der Verwüstung hinterlässt, ist das nicht nur für die Eichen eine Belastung, sondern auch für Dich und Deine Familie gefährlich. Die feinen Brennhaare fliegen überall herum und können schwere allergische Reaktionen hervorrufen, von der Raupendermatitis auf der Haut bis hin zum anaphylaktischen Schock beim Einatmen. Das braucht kein Mensch. Hier ist gegebenenfalls professionelle Hilfe angebracht. Spezielle Informationen zum „EPS“ findest Du unter anderem auf den Seiten des Julius-Kühn-Institutes.
Was bedeutet monophag, was heißt polyphag?
Monophagie bedeutet eine extreme Spezialisierung. Die geht so weit, dass nur eine einzige Futterpflanze in Frage kommt und sonst nichts. Mama weiß es zu schätzen, wenn sie genau die in Deinem Garten vorfindet. Die Eier woanders abzulegen hätte wenig Sinn, wenn ihre frisch geschlüpften Babys nichts zu fressen finden. Dagegen kommen bei Polyphagie unterschiedliche Pflanzen auf den Tisch.
Beim Rückgang von Lebensräumen und Artenvielfalt sind Nahrungsspezialisten eindeutig im Nachteil: Sie können nicht auf andere Pflanzen ausweichen. Kein Wunder, dass wesentlich mehr monophage als polyphage Schmetterlinge als gefährdet gelten.
Die Zahlen des Rote Liste-Zentrums klingen bedrohlich. Beispiel Tagfalter: 42 Prozent sind bestandsgefährdet oder bereits ausgestorben, ungefährdet nur noch 31 Prozent. Bei 21 Tagfaltern hat Deutschland eine besondere Verantwortung für die weltweite Arterhaltung. Hilf ihnen und biete Ihnen in Deinem Garten ihr Lieblingsmenü an!
Mit Exoten aus fernen Ländern können viele Raupen nichts anfangen. Sie brauchen stattdessen einheimische Pflanzen, mit denen sie sich im Laufe der Evolutionsgeschichte gemeinsam entwickelt haben. Dabei hat sich immer ein Gleichgewicht eingestellt – hätten sie eine Pflanze zum Aussterben gebracht, hätte das auch dem Schmetterling die Nahrungsgrundlage entzogen.
Willst Du Schmetterlingen und ihren Raupen etwas Gutes tun, schau Dich vor allem bei den einheimischen Pflanzen und Wildkräutern um. Unsere Datenbank bietet Dir eine reichhaltige Auswahl, bei der Du bestimmt etwas Geeignetes findest. Ein weiterer Vorteil der Alteingesessenen: Sie sind an unser Klima angepasst und in aller Regel frosthart. Pflanzt Du Ackerunkräuter und andere bedrohte Arten, so trägst Du damit zu Artenvielfalt und Arterhaltung bei, und auch andere Tiere sind damit glücklich.
Die beiden besten einheimischen Raupenfutterpflanzen sind Bäume:
Ebenfalls gut besucht vor allem als Raupenfutter, teils auch als Nektarpflanze sind:
Ein bekanntes Beispiel für ein bei Schmetterlingen beliebtes „Unkraut“, das sich in einem naturnahen Garten unbedingt eine Ecke verdient hat:
Bei der Bepflanzung Deines Gartens solltest Du nicht nur auf reichhaltige Blütenpracht für die Schmetterlinge achten, sondern auch etwas für ihre Nachkommen auf der Speisekarte vorsehen. Schau Dich in unserer Datenbank um – hier findest Du jede Menge schmetterlingsfreundlicher Pflanzen und Raupenfutterpflanzen! Die Suchfunktion erleichtert Dir die Sache ungemein und liefert Dir reichlich Inspiration, was an geeigneten Schmetterlingspflanzen in Frage kommt, ob nun für das Blumenbeet vor dem Haus oder für die Terrasse und den Balkon.
Beachte bei dieser Gelegenheit auch unsere Hinweise, wie man den Garten nicht nur mit geeigneten Pflanzen, sondern auch mit anderen Maßnahmen schmetterlingsfreundlich gestaltet. Du tust damit der Natur einen großen Gefallen und hilfst dabei, etwas gegen das Insektensterben und für die Erhaltung der Artenvielfalt beizutragen.
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