Was ist Wiesen-Sauerampfer?
Wiesen-Sauerampfer oder Großer Sauerampfer (Rumex acetosa) findet sich verbreitet auf nährstoffreichen wie mageren Weiden und Wiesen ebenso wie auf Wegen und an Ufern von Flüssen und Bächen. Als Heilpflanze und Gemüse hat er eine lange Tradition, die in den letzten Jahren wieder verstärkt Beachtung findet. Ursprünglich in Europa, Asien und Nordafrika beheimatet wurde er mittlerweile weltweit verschleppt und wächst auch auf dem amerikanischen Kontinent und vielen Inseln.
Bei dem Vertreter aus der Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae) handelt es sich um eine ausdauernde krautige Pflanze, die mit ihren Blütenständen eine Höhe von bis zu einem Meter erreicht und im Winter oft grün bleibt. Die kräftige Pfahlwurzel reicht bis zu eineinhalb Meter in die Tiefe und produziert reichlich Ableger. Seine grundnahen Blätter bilden eine Halbrosette; sie sind 7-15 Zentimeter lang, dicklich, grasgrün, länglich-elliptisch bis pfeilförmig mit abwärts gerichteten Spitzen im unteren Anteil. Ihre Länge beträgt das 2-5-fache der Breite, und sie weisen einen langen Stiel auf. Dagegen sind die oberen Blätter sitzend und umfassen den geriffelten und oft rötlich überlaufenen Stängel mit kleinen „Öhrchen“. Charakteristisch für den Blattgrund sind die zu einer Tute, einer tütenartigen Blattscheide verwachsenen Nebenblätter. Sie sind hier gezähnt oder fransig geschlitzt.
Der Wiesen-Sauerampfer ist zweihäusig und bildet wahlweise männliche oder weibliche Blüten. Die Blütenstände entspringen den Blattachseln der mäßig verzweigten, aufrechten Stängel; es handelt sich dabei um Scheinrispen, in denen kleine Wickel als Teilblütenstände stehen. Seine winzigen Blüten haben eine rote Farbe und weisen eine Blütenhülle aus drei inneren und drei äußeren, gleich gestalteten Perigonblättern auf. Bei den männlichen Blüten sind sie weit geöffnet und haben rote Ränder. Die weiblichen Blüten zeichnen sich durch tiefrote Narben aus; zudem wachsen hier die drei inneren Tepalen nach der Bestäubung weiter und bedecken als Klappen oder Valven die in der Reife 1,8-2,2 Millimeter langen schwarzbraun glänzenden dreikantigen Nussfrüchte. Der innere Teil dieser Hülle bildet bei mindestens einer der 3-4 Millimeter großen Valven eine kleine knorpelige, innen hohle Schwiele; die Ränder sind bei dieser Art stets glattrandig; dagegen sind die äußeren Hüllblätter an der Frucht zurückgeschlagen.
Wiesen-Sauerampfer im Garten
Standort
Wiesen-Sauerampfer mag es gerne frisch bis feucht; der Boden darf nährstoffarm sein, aber auf fruchtbarer Erde wächst er wesentlich besser – in der Botanik gilt er nicht von ungefähr als Stickstoffzeiger. Zu viel Phosphor ist ihm hingegen unzuträglich. Der Lehm- oder Tonboden sollte humos, tiefgründig und locker sein und einen mild bis mäßig sauren pH-Wert aufweisen. Er liebt viel Sonne. Als einheimische Pflanzen ist er in unseren Breiten vollkommen frosthart.
Schnitt
Schneiden heißt beim Wiesen-Sauerampfer in der Regel ernten. Dazu sollte man nur junge zarte Blätter vor oder zu Beginn der Blütezeit verwenden, mit zunehmendem Alter werden sie unbekömmlich, und welche mit den häufig auftretenden Rostflecken sind ohnehin praktisch ungenießbar. Gegebenenfalls musst Du ihn zudem in seinem Ausbreitungsdrang begrenzen, denn ansonsten macht er sich schneller in Deinem Garten breit als Dir lieb ist.
Vermehrung
Die Vermehrung mit Samen ist einfach – er bleibt jahrelang keimfähig und bildet schnell neue Pflanzen. Du kannst also ohne weiteres in der freien Wildbahn reife Nüsschen ernten und ab März direkt im Garten aussäen, wenn Du keinen „fertigen“ Wiesen-Sauerampfer kaufen möchtest. Es handelt sich dabei um Lichtkeimer, die Du nur leicht auf das Substrat andrücken, aber niemals tief einbuddeln solltest. Einmal angesiedelt sorgt er fleißig für Selbstaussaat und vermehrt sich zudem mit seinen reichlich gebildeten Wurzelsprossen.
Verwendung
Der Wiesen-Sauerampfer ist in naturnahen Wiesen ein willkommenes Raupenfutter für viele Schmetterlinge. Ansonsten kann man einige Exemplare auch im Kräuterbeet oder Gemüsegarten halten und in der Küche verwenden.
Schädlinge
Der weit verbreitete Wiesen-Sauerampfer ist ein wichtiger Bestandteil der Ökosysteme von Wiesen und Weiden, an dem nicht nur Insekten, sondern auch zahlreiche Pilze Gefallen finden. Zu den Hauptschädlingen gehören vor allem Rostpilze aus den Gattungen Puccinia und Uromyces, die auf den Blätter unschöne Flecken hinterlassen. Blattläuse sind ständige Gäste, und frischen Sauerampfer lieben auch Schneckenheiß und innig.
Ökologie
Insekten braucht der Wiesen-Sauerampfer nicht für seine Bestäubung, denn das erledigt bereits der Wind. Dummerweise kann der vom Wind davongetragene Pollen bei empfindlichen Personen Heuschnupfen auslösen; glücklicherweise ist er nur wenig allergen und dank der langen Blütezeit zwischen Mai und August nur in vergleichsweise geringen Mengen in der Luft, ganz anders als bei Hasel oder Gräsern.
Sage und schreibe 31 Schmetterlingen dient das Kraut des Wiesen-Sauerampfers als Raupenfutter. Dazu gehören neben vielen Nachtfaltern auch einige auffällige Tagfalter wie Streifenbär (Spiris striata) sowie zahlreiche Bläulinge aus der Gattung Lycaena, darunter Dukatenfalter (Lycaena virgaureae), Brauner Feuerfalter (Lycaena tityrus), Kleiner Feuerfalter (Lycaena phlaeas) und Großer Feuerfalter (Lycaena dispar) oder Lilagold-Feuerfalter (Lycaena hippothoe). Etliche davon sind auf den Großen und Kleinen Sauerampfer als Nahrungspflanzen angewiesen.
Die Verbreitung der Samen erfolgt nicht zuletzt dank der schützenden Valven, die die Nussfrüchte umhüllen. Sie werden nicht nur vom Wind davongeweht, sie sind zudem schwimmfähig und warten geduldig auf den nächsten Regenschauer. Ansonsten können sie auch im Fell oder an Pfoten, Hufen und Füßen haften bleiben und so das Weite suchen.
Wissenswertes
Klein und groß und nicht dasselbe
Auch wenn der lateinische Name so ähnlich klingt: Rumex acetosella ist nicht das Gleiche wie Rumex acetosa. Die Verkleinerungsform von Großer Sauerampfer bezeichnet folgerichtig Kleiner Sauerampfer oder Zwerg-Sauerampfer, eine nahe verwandte Art, die sich vom großen Bruder außer in der Höhe vor allem durch charakteristisch spießförmige statt pfeilförmige Blätter unterscheidet.
Wiesen-Sauerampfer als Weideunkraut: Vorsicht giftig
Bauern dürften öfters über den vermaledeiten Wiesen-Sauerampfer schimpfen, denn auf Grünland zur Futtergewinnung breitet er sich rasend schnell zwischen den eigentlich erwünschten Gräsern aus. Kein Wunder, denn die Nussfrüchte sind praktisch unkaputtbar und bleiben nicht nur jahrelang keimfähig, sie überstehen sogar die vielen anderen Samen äußerst unzuträgliche Düngung mit Gülle.
Hat er sich erst einmal eingeschlichen wird man ihn kaum noch los, denn selbst nach dem Jäten können kleine Fitzel der langen Speicherwurzeln neue Pflanzen austreiben. Er trocknet nur schlecht und verdirbt in großen Mengen Heu und Silage; zudem mögen Kühe und anderes Weidevieh die sauren Blätter nicht besonders. Auf Pferdekoppeln und Rinderweiden sieht man oft nur noch Meerrettich und Sauerampfer stehen, während das Gras rundherum säuberlich abgefressen ist. Nicht von ungefähr: Für viele Tiere sind größere Mengen giftig, insbesondere für Schafe.
Sauerampfer als Wildgemüse: International gefragt
Der Mensch verspeist den Sauerampfer seit jeher als Wildgemüse. Meistens wird er dafür ähnlich wie Spinat gekocht oder mit diesem gemischt. Die alten Römer und Griechen bereiteten daraus eine Suppe, die beim Verdauen fettreicher Speisen hilfreich sein sollte. Ampfersuppe ist heute ein typisch belgisches Gericht, und in Ungarn isst man ihn traditionell wie bei uns Spinat zusammen mit Pellkartoffeln und Spiegelei. In Osteuropa wird er in sauren Suppen gekocht, wie grünem Borschtsch oder der armenischen Aveluk-Suppe mit Linsen, Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch und Koriander. In Nigeria macht man daraus Eintöpfe oder Salat, in Indien kommt er in Currys mit gelben Linsen und Erdnüssen, in Afghanistan gibt es die in Ausbackteig frittierten Blätter zum Fastenbrechen am Ende des Ramadans. Praktisch bei Fischgerichten: Oxalsäure und Ascorbinsäure lösen feine Gräten auf.
Aber auch in der deutschen Küche findet er Verwendung, am bekanntesten als Bestandteil in Frankfurter Grüne Sauce. Mit den Triebspitzen und Knospen kann man Linseneintopf oder Aufläufe würzen. Früher trocknete man in Notzeiten die Wurzeln und streckte damit das Getreidemehl beim Brotbacken. Trotz der vielen Rezepte mit Sauerampfer sollte man nicht vergessen, dass er als schwach giftig gilt – zu viel davon sollte man daher nicht zu sich nehmen.
Eisen, Vitamin C und Oxalsäure
Wiesen-Sauerampfer enthält Flavonglykoside, jede Menge Vitamin C und Eisen, aber auch Oxalsäure in Form von Kaliumhydrogenoxalat, das man unter dem Mikroskop in Blattquerschnitten als Kristalle identifizieren kann. Größere Mengen davon führen zu Durchfall und Erbrechen; zudem säuern sie den Urin an, sodass andere Salze vermehrt ausfallen und Nierensteine oder Blasensteine bilden können. Oxalsäure bindet als Chelator Eisenatome und behindert so die Eisenaufnahme im Darm, sodass der hohe Eisengehalt nur bedingt nützlich ist. Dagegen erkannte man schon früh, dass das Vitamin C gegen Skorbut hilft, die alte Seemannskrankheit, die früher bei langen Überseefahrten ohne frisches Gemüse unvermeidlich auftrat. Die britische Marine setzte auf Zitronen, die deutsche auf Sauerkraut, um den Vitamin C-Mangel auszugleichen – der Name A(nti)-scorbin-säure für Vitamin C weist auf die Anwendung gegen Skorbut hin.
Töpfe aus Aluminium sind heutzutage glücklicherweise aus der Mode gekommen – zum Kochen von Sauerampfer sollte man sie auf keinen Fall benutzen, denn die Oxalsäure löst große Mengen Aluminiumionen aus den Wänden. Was die Töpfe blitzeblank sauber macht ist für die Nieren in diesen Konzentrationen kaum zu bewältigen.
Finger weg von frisch gedüngten Wiesen!
Nicht zu unterschätzen ist die Gefahr von Wiesen-Sauerampfer von überdüngten Wiesen. Als Stickstoffzeiger fühlt er sich auf nitratreichen Böden besonders wohl und wächst dort wie Unkraut. Den sollte man aber lieber stehenlassen, denn seine Blätter enthalten dadurch reichlich Nitrat, das von unseren Darmbakterien in giftiges und möglicherweise krebserregendes Nitrit und Nitrosamin umgewandelt wird. Vor allem für Babys und Kleinkinder sind diese hochgradig giftig.
Sauerampfertee: Von der Pest zur Leberreinigung
In der Schulmedizin wird Wiesen-Sauerampfer nicht verwendet, wohl aber in der Volksheilkunde. Schon in den mittelalterlichen Kräuterbüchern wird das frische Kraut als Heilmittel gegen Fieber und Pestilenz empfohlen. Traditionell nutzt man frischen Sauerampfer gegen Appetitmangel und Harnverhalt und zur Blutreinigung oder als Lebermittel. Pfarrer Kneipp zufolge soll er in Wein gekocht Frauen bei Menstruationsschmerzen helfen. Für die Zubereitung von Sauerampfertee lässt man zwei Teelöffel Sauerampfer mit einer Tasse kochendem Wasser zehn Minuten ziehen. Davon trinkt man kurmäßig zwei Tassen täglich.
Wiesen-Sauerampfer als alte Färbepflanze
Heute so gut wie vergessen: Früher nutzte man Wiesen-Sauerampfer als Färbepflanze. Mit Alaun färben die Blätter Wolle gelb, die Wurzeln in Gegenwart von Chromsalzen schwarz.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner