Was ist Waldmeister?
Waldmeister oder Maikraut (Galium odoratum) findet man von Mitteleuropa ausgehend bis nach Ostasien weit verbreitet in krautreichen Buchen- oder Laubmischwäldern, und auch im Garten erfreut er sich als wohlriechende Zierpflanze großer Beliebtheit. Das 15-30 Zentimeter hohe ausdauernde Kraut gehört zur Familie der Rötegewächse (Rubiaceae) und bildet unterirdisch flach und weit kriechende Rhizome, aus dem sich die aufrechten, unverzweigten und vierkantigen Stängel erheben. An deren Knoten stehen die gestielten, länglich-lanzettlichen oder schmal-elliptischen Blätter unten zu sechs, oben zu acht Exemplaren in strahligen Wirteln. Sie werden bis zu sechs Zentimeter lang und 1,5 Zentimeter breit, mit einem in den Blattstiel verschmälerten Grund und einer kleinen stacheligen Spitze. Sie haben einen glatten Rand und sind genau wie der Stängel mittelgrün gefärbt.
Die vierzähligen, radiärsymmetrischen und zwittrigen Blüten erscheinen in endständigen Trichterrispen. Sie sind 1-4 Millimeter lang gestielt, 4-6 Millimeter breit, mit fehlenden oder kleinen grünen Kelchblättern und weißen, bisweilen bläulich überlaufenen Kronblättern. Diese sind bis zu sieben Millimeter lang und breit, spatelförmig mit einer kleinen Spitze am Ende. Aus den zweiblättrigen Fruchtknoten bildet sich eine Spaltfrucht mit zwei 2-3 Millimeter langen, eiförmigen Teilfrüchten, die mit langen hakigen Borsten besetzt sind.
Waldmeister im Garten
Standort
Waldmeister ist wenig anspruchsvoll und gedeiht am besten auf einen mäßig feuchten, nährstoff- und basenreichen locker-humosen Lehmboden. Die Pflanzen sind voll frosthart und stehen bevorzugt im Schatten oder Halbschatten.
Schnitt
Will man Waldmeister ernten, so schneidet man ihn vor der Blüte. Die Blätter werden beim Trocknen papierartig dünn und zerbrechlich und bekommen ihren typischen Waldmeistergeruch.
Vermehrung
Die Vermehrung erfolgt durch Samen, die man im Herbst an Ort und Stelle oder in Kasten aussät. Sie sind Frostkeimer und benötigen eine Kälteperiode. Leichter ist die vegetative Vermehrung mithilfe der reichlich gebildeten Rhizome, indem man bestehende Horste teilt.
Verwendung
Waldmeister ist ein ausgezeichneter Bodendecker für Hecken und Gehölz.
Schädlinge
Schädlinge und Krankheiten sind am äußerst robusten Waldmeister selten; bisweilen finden sich Rostpilze oder Mehltau an den Blättern.
Ökologie
Bestäubt wird der Waldmeister vor allem von Honigbienen, Wildbienen und Fliegen; er gilt als gute Bienenweide. Bei Ausbleiben der tierischen Helfer ist auch eine Selbstbestäubung möglich. Als Raupenfutter nutzen ihn fünf Schmetterlinge, allesamt Spannerartige: der Rotbinden-Blattspanner (Catarrhoe rubidata), Olivgrüne Bindenspanner (Colostygia olivata), Tuffsteinspanner (Coenotephria tophaceata), Labkraut-Bindenspanner (Lampropteryx suffumata) und der Gelblichweiße Kleinspanner (Scopula floslactata).
Die Verbreitung erfolgt mithilfe der klettenartigen Teilfrüchte, die im Fell von vorbeigehenden Tieren hängen bleiben.
Wissenswertes
Der botanische Name Galium odoratum bedeutet sinngemäß wohlriechendes Labkraut. Eine alte Bezeichnung ist Asperula odorata. Der typische Waldmeistergeruch entsteht erst beim Trocknen der Pflanze, da hierbei das aromatische Cumarin aus seinen Glykosiden freigesetzt wird. Vor der Blüte erntet man ihn für die Zubereitung von Waldmeistertee oder als probates Mittel gegen Kleidermotten. Cumarin und Iridoidglykoside wirken entzündungshemmend, schweißtreibend und krampflösend. Frischer Waldmeister ist unverzichtbarer Geschmacksgeber für eine Maibowle und lässt sich auch für verschiedene Süßspeisen wie Wackelpudding verwenden. Übertreiben sollte man es mit dem Genuss nicht, denn in größeren Mengen verzehrt führt Cumarin zu Kopfschmerzen und kann die Leber schädigen. Die Wurzeln verwendete man früher teils wie den Färberkrapp zum Färben von Stoffen.
Nach so viel Waldmeister soll das Rezept für die Maibowle nicht fehlen: Ein Bündel noch nicht blühenden Waldmeister einen Tag lang anwelken lassen oder eine halbe Stunde ins Gefrierfach legen, damit Cumarin freigesetzt wird. Kopfüber in Weißwein gehängt über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen; die Schnittstellen dürfen nicht in der Flüssigkeit stehen, da die Bowle sonst bitter wird. Vor dem Verzehr mit der halben Menge Sekt aufgießen. Entwickelt wurde das Rezept im 9. Jahrhundert vom Benediktinermönch Wandalbert im Kloster Prüm, der den meiowîn als Mittel zur Stärkung von Herz und Leber erfand. Wer das Original versuchen möchte: Hier kamen noch Gundermann und schwarze Johannisbeeren hinzu. Meistens beschränkt man sich heutzutage auf die Zugabe von frischen Erdbeeren. Im belgischen Arlon verwendet man Zucker, Cognac und Orangescheiben für den traditionellen Maitrank.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner