Was ist Gewöhnliche Kuhschelle?
Gewöhnliche oder Gemeine Kuhschelle oder auch Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) gehört zur Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae). Man findet sie zerstreut in ganz Europa mit Ausnahme des Südens; im Norden dringt sie bis nach Schweden vor, im Osten bis in die Ukraine, und bei uns fehlt sie nur in der Norddeutschen Tiefebene und in den Alpen völlig. Sie bewohnt vor allem in den Mittelgebirgen Kalkmagerrasen und Sandmagerrasen, wächst aber auch auf Schafweiden, an sonnigen Hängen und in lichten Kiefernwäldern.
Mit den unterirdischen Ausläufern des kräftigen Rhizoms bilden die ausdauernden krautigen Zwergstauden dichte Bestände; die großen Wurzeln reichen bis zu einem Meter tief in die Erde. Die grundständigen, eine kleine Rosette bildenden Blätter der Kuhschelle erscheinen erst nach den Blüten. Sie sind lang gestielt, mit einer 8-20 Zentimeter langen Blattspreite, hellgrün und anfangs weich behaart; 7-9 Fiedern sind selbst noch einmal zwei- bis dreifach fiederteilig mit feinen linealischen oder linealisch-lanzettlichen Fiedern.
Die 5-6 Zentimeter großen aufrechten, nur wenig nickenden Blüten von Pulsatilla vulgaris erscheinen im Frühjahr auf einem oder mehreren straff aufgericheten Stängeln pro Pflanze und verfolgen den Lauf der Sonne. Sie bilden unverkennbare kleine Glocken, die ihr auch ihren Namen eingebracht haben. Außen sind sie dicht seidig behaart. Ihre Kronblätter sind hell- bis blauviolett, in seltenen Fällen auch rötlich oder weiß. Vor diesem dunklen Hintergrund fallen die zahlreichen kurzen, leuchtend gelben Staubblätter besonders ins Auge. Knapp unterhalb der Blüte stehen drei fein geschlitzte und silbrigweiß behaarte Hochblätter.
Der zunächst kurze Blütenstängel verlängert sich bis zur Fruchtreife im Juni und Juli erheblich und erreicht mitunter eine Höhe von über 30 Zentimetern; auf ihm sitzt eine Sammelnussfrucht aus zahlreichen kleinen Achänen mit langen silbrig-weißen Federschweifen, die sich aus den Griffeln bilden und im Volksmund regional als Hexenbesen bezeichnet werden.
Gewöhnliche Kuhschelle im Garten
Standort
Die natürlichen Vorkommen der Gewöhnlichen Kuhschelle zeigen, dass sie Lössboden und Wärme liebt. Ansonsten nimmt sie natürlich auch mit einer durchlässigen steinigen oder sandigen, mäßig sauren Gartenerde vorlieb. Sie sollte nur basenreich sein, gerne auch mit Kalk. Der Boden sollte immer leicht feucht, aber niemals nass sein, und Staunässe ist absolut tödlich. An einem sommerwarmen und sonnigen Platz fühlt sie sich am wohlsten. Im Winter ist sie in unseren Breiten vollkommen winterhart; besonders als Kübelpflanze muss sie dann aber vor überschüssiger Nässe geschützt werden.
Schnitt
Viel zu pflegen oder zu schneiden gibt es bei der Gewöhnlichen Kuhschelle nicht. Vertrocknete Pflanzenteile kannst Du natürlich jederzeit entfernen. Störungen im Wurzelbereich mögen die Pflanzen überhaupt nicht; daher solltest Du Dir den Standort genau überlegen und die Zwerge dort unbehelligt wachsen lassen, spätere Korrekturen gehen immer mit erheblichen Verlusten einher.
Beim Hantieren mit Küchenschellen ist unbedingt Vorsicht geboten: Der giftige Pflanzensaft kann erhebliche Hautreizungen mit Bläschen und Entzündungen hervorrufen! Das Tragen von Handschuhen ist daher dringend anzuraten.
Vermehrung
Vermehren lässt sich die Gemeine Küchenschelle mit Samen; die Kaltkeimer sät man am besten im Spätsommer oder Herbst, damit sie nach der Kälteperiode zuverlässig keimen. Als Lichtkeimer darf man sie nicht zu tief einbuddeln. Wesentlich schneller geht das Ansiedeln natürlich mit junge Küchenschelle kaufen; die vorgezogenen Pflanzen setzt man im Frühling oder Herbst. Ein Umsiedeln und Teilen der Bestände ist oftmals schwierig, denn Störungen an den Wurzeln nimmt Pulsatilla übel.
Verwendung
Im Steingarten darf die Gewöhnliche Kuhschelle nicht fehlen; ebenso gut macht sie sich im Heidegarten, in Magerbeeten, in nährstoffarmen naturnahen Blumenwiesen oder an felsigen und steinigen Plätzen. Einmal angepflanzt bildet die dankbare Zwergstaude schnell große Gruppen, die für sommerliche Blütenpracht sorgen. Ebenso gut lässt sie sich in Kübeln und Kästen auf Balkon und Terrasse bringen.
Schädlinge
Im Großen und Ganzen ist die Gewöhnliche Kuhschelle äußerst robust und hat wenig mit Krankheiten und Schädlingen zu tun. Schneckenmachen einen großen Bogen um die leicht giftigen Pflanzen, und Brandpilze oder Rostpilze wie Urocystis pulsatillae und Coleosporium pulsatilla befallen sie eher selten.
Ökologie
Bestäubt wird die Gewöhnliche Kuhschelle vor allem von Honigbienen und Hummeln, die sich am reichlich produzierten Nektar und Pollen bedienen. Letzteren holen sich auch zwei Wildbienen, die in Schneckenhäuser Nester bauende Zweifarbige Schneckenhausbiene (Osmia bicolor) und die Dunkelgrüne Schmalbiene (Lasioglossum morio), mit nur sechs Millimetern Körperlänge eine der kleinsten Wildbienen Deutschlands.
Für das Kraut als Raupenfutter interessieren sich zwei Nachtfalter, der Kuhschellen-Waldrebenspanner (Horisme aquata) und der Kuhschellen-Kleinspanner (Scopula tessellaria).
Die Verbreitung der klettenartigen „Hexenbesen“ erfolgt durch das Anhaften an Tieren und mit dem Wind, und auch Vögel zupfen oft daran herum. Bemerkenswert ist die hygroskopische Verformung der Schweife je nach Luftfeuchtigkeit: Dadurch können sich die Nüsschen nicht nur ein ganzes Stück weit bewegen, sondern sich um die eigene Achse drehen und in den Boden einbohren.
Wissenswertes
Von Kühen, Kälbern und Glocken
Beim heute vielerorts gebräuchlichen deutschen Namen Küchenschelle ist streng genommen etwas schiefgelaufen: Eigentlich wäre die korrekte Schreibweise Kühchenschelle, als Verkleinerungsform von Kuhschelle. Die Bezeichnung bekamen die Blüten, weil sie halbgeöffnet wie kleine Kuhglocken aussehen. Ähnliches gilt übrigens auch für den botanischen Gattungsnamen: Pulsatilla kommt von lateinisch pulsare, pulsieren oder hin- und herschwingen – wie die Glocken, wenn sich die Blüten im Wind bewegen.
Nahe mit Anemonen verwandt
Wegen der Ähnlichkeit ihrer Blüten mit denen von Anemonen wie dem Busch-Windröschen (Anemone nemorosa) wird die Gemeine Küchenschelle auch als Kuckucksanemone bezeichnet. Tatsächlich sind die beiden Gattungen nahe miteinander verwandt; den deutlichsten Unterschied zwischen Pulsatilla und Anemone machen die typischen fedrigen Nüsschen der Kuhschellen.
Verwechslungsmöglichkeiten
Mit ihren aufrechten und immer der Sonne zugeneigten Blüten lässt sich Pulsatilla vulgaris leicht von der ansonsten äußerst ähnlichen Wiesen-Kuhschelle Pulsatilla pratensis unterscheiden: Bei der nicken die Blüten deutlich mehr und die Blütenblätter sind nur wenig länger als die Staubblätter.
Wilde Kuhschellen unter Naturschutz
Alle Arten von Kuhschelle stehen unter Naturschutz, wild wachsende Exemplare darf man also weder pflücken noch ausgraben. Aus gutem Grund, denn sie sind durch die schwindenden Lebensräume selten geworden. Früher wesentlich weiter verbreitet beschränken sich die Vorkommen inzwischen auf das Areal zwischen Eifel, Alb und Thüringen. Überdüngung und intensivierte Landwirtschaft machen die Lebensgemeinschaften der Trockenrasengesellschaften zunichte. Um auf die Bedrohung aufmerksam zu machen hat man die Gewöhnliche Kuhschelle 1996 zur Blume des Jahres gewählt.
Wie so viele Hahnenfußgewächse enthält auch die Küchenschelle giftiges Protoanemonin, das für Menschen und viele Tiere giftig ist. Insbesondere für Hunde ist frische Pulsatilla mitunter tödlich giftig, wohingegen Weidetiere meistens einen großen Boden darum machen. Beim Trocken wird das Protoanemonin in weniger giftiges Anemonin umgewandelt, sodass Küchenschelle im Heu vergleichsweise harmlos ist. Mit der frischen Pflanze sollte man vorsichtig umgehen, denn der Saft reizt Oberhaut und Schleimhäute und führt zu Bläschen und Hautentzündungen oder innerlich zu Krämpfen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, im Extremfall zu Lähmungserscheinungen und Tod.
Küchenschelle als Heilpflanze
In der Naturheilkunde spielt die Gewöhnliche Kuhschelle seit der Antike eine Rolle; schon der griechische Arzt Hippokrates empfahl sie gegen Frauenleiden. Man verwendete sie mit ihren Saponinen und Gerbstoffen gegen zahlreiche Erkrankungen, heute aber eher selten, nicht zuletzt wegen der akut hautreizenden und giftigen Eigenschaften.
Pulsatilla in der Homöopathie
In der Homöopathie kommen Pulsatilla-Globuli aus zur Blütezeit gesammeltem Kraut zum Einsatz, in denen die Giftstoffe unschädlich verdünnt sind. Sie werden bei unzähligen Krankheiten verwendet, darunter Depressionen, Erkältungen, Migräne, Magen-Darm-Beschwerden, Leber- und Gallenleiden, Krankheiten des Harntraktes, Rheuma und Gicht, Ekzemen und Krampfadern.
Kuhschelle als Färbepflanze
Kaum noch bekannt ist die Kuhschelle als Färbepflanze: Mit Alaun zusammen färbt sie Stoff grün. So selten wie sie inzwischen geworden ist geradezu undenkbar.
Sorten für den Steingarten
Eingang in die Gärten hat die Küchenschelle erst gefunden, nachdem Steingärten modern wurden – hier gehört sie zum absoluten Standardinventar. Eine bemerkenswerte Wandlung, denn zuvor wurde sie in den Kräuterbüchern des Mittelalters bis in die Neuzeit hinein ausschließlich als Wildpflanze beschrieben. Neben der Wildart bekommt man im Gartenhandel auch eine ganze Menge von Sorten und Hybriden, wie die weißblühende Pulsatilla vulgaris ‚Alba‘ und die dunkelrot blühende Sorte ‚Röde Klokke‘.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner