Was ist Gemeine Ochsenzunge?
Die Gemeine Ochsenzunge ist ein Raublattgewächs (Boraginaceae), das vorwiegend im östlichen Mitteleuropa angesiedelt ist und weiter westlich nur unbeständig vorkommt. Sie wächst an trockenen Ruderalstellen: Acker- und Wegrändern, auf Grasheiden und Brachflächen, Sanddünen und Weinbergen, wo sie mit ihren leuchtend violetten Blüten auffällt.
Die zweijährigen bis mehrjährigen Stauden weist eine bis über einen Meter in die Tiefe reichende Pfahlwurzel auf, aus der sich ein einfacher, erst weit oben verzweigender runder, abstehend behaarter Stängel erhebt. Er erreicht eine Höhe von bis zu einem Meter; daran sitzen wechselständig die schmal-lanzettlichen bis linealischen, behaarten Blätter, die nach oben hin zusehends kleiner werden; ihre zungenartige Form war Namensgeber der Pflanzen. Im ersten Jahr nach dem Austreiben bilden sie lediglich eine grundständige Rosette, die Blütenstände kommen erst ab dem zweiten Jahr hinzu.
Gegen Ende der Triebe erscheinen die stark verzweigten Rispen mit zwittrigen Blüten; anfangs sind ihre Kronblätter karminrot, erst mit der Zeit verfärben sie sich leuchtend dunkel-blauviolett. Auch Albinos mit weißen Blüten treten auf. Staubblätter und Griffel sind fast vollständig in der schmalen Kronröhre verborgen. Nach der Bestäubung entwickeln sich die vierteiligen Klausenfrüchte, die eine hellbraune Farbe und deutliche Runzeln und Warzen aufweisen.
Der kuriose Farbwechsel der Ochsenzungenblüten ist darauf zurückzuführen, dass die Epidermis rote Pigmente besitzt und das dazwischen liegende Mesophyll mit seinem violetten Anthocyanen erst mit dem Erblühen so dick wird, dass es durch das Rot hindurchscheint.
Gemeine Ochsenzunge im Garten

Quelle:
AnRo0002, CC0, via Wikimedia Commons
Standort
Anchusa officinalis nimmt mit so ziemlich jeder normalen Gartenerde vorlieb; sie steht gerne in der vollen Sonne und weiß einen durchlässigen, frischen bis trockenen Boden zu schätzen. Im Winter ist als heimischer Vertreter Minusgrade bis -28 °C gewöhnt.
Schnitt
Du solltest die Gemeine Ochsenzunge vorzugsweise erst im Frühjahr schneiden; die Reste fungieren auch als Winterschutz und bieten Kleintieren und Insekten Versteckmöglichkeiten. Schneide am besten alles Abgestorbene im März eine Handbreit über dem Boden ab, bevor der neuerliche Austrieb und die jungen Sämlinge erscheinen. Den zerkleinerten Rückschnitt kannst Du zum Mulchen oder für den Koompost weiterverwenden.
Vermehrung
Gemeine Ochsenzunge ist nicht besonders langlebig, aber im Garten durchaus hartnäckig, da sie sich fleißig mit Selbstaussaat am Leben hält. Zudem kannst Du die meist zweijährigen Pflanzen teilen oder Wurzelschnittlinge abnehmen. Gerade bei den Sorten ist die vegetative Vermehrung anzuraten, da Du sonst nicht weißt, wer da als Pollenspender die sortentypischen Eigenschaften im Samen durcheinanderbringen könnte.
Verwendung
Als altbewährte Heilpflanze gehört die Gemeine Ochsenzunge natürlich in jeden Apothekergarten, aber auch im Steingarten oder an den Rändern von Beeten und Wegen macht sie mit ihren prächtigen Blüten eine gute Figur.
Schädlinge
Die Gemeine Ochsenzunge wird häufig von Rostpilzen wie dem Braunrost Puccinia dispersa heimgesucht, die braune Flecken an den Blättern hinterlassen. Gallmücken sind dafür verantwortlich, wenn deformierte und unfruchtbare Blüten vorhanden sind. Und Schnecken, wenn von den frischen Sämlingen plötzlich nichts mehr da ist.
Ökologie

Quelle:
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In der Mitte der Blüten sieht man helle Schlundschuppen, die als Saftmale Bestäuber anlocken. Zudem verwehren sie Fliegen und Ameisen, die als Bestäuber längst nicht so effektiv sind, den Zugang zu den Nektarien. Bestäubt wird die Ochsenzunge vor allem von Honigbienen und Wildbienen, Schmetterlingen und dem an einen winzigen Kolibri erinnernden Wollschweber Systoechus sulphureus. Bei ausbleibenden Besuchern kommt es zur Selbstbestäubung.
In Großbritannien gehört Anchusa officinalis laut den Ergebnissen des AgriLand-Projekts zu den Top Ten-Nektarlieferanten. In Russland hat man genauer nachgemessen: Ein Hektar Ochsenzungen liefert per anno um die 170 kg Honig und 40 kg Pollen.
Abgesehen von den Honigbienen holen sich hier 18 Wildbienen den Pollen für ihren Nachwuchs, darunter auch vom Aussterben bedrohte Arten wie Anthophora quadrifasciata und Weißgürtel-Schmalbiene Lasioglossum albocinctum. Die Mauerbiene Osmia lepeletieri gilt in Deutschland bereits als ausgestorben. Dagegen sind die Zweifarbige Schneckenhausbiene Osmia bicolor oder die Bunte Blattschneiderbiene Megachile versicolor noch recht häufig zu sehen.
Ihre Eier legen hier die Purpurglanzeule Euplexia lucipara und die Flugsand-Kräuterflur-Erdeule Actebia praecox ab, damit ihr Nachwuchs hier sein Raupenfutter findet.
Für die Verbreitung der Samen sorgen Ameisen wie die weit verbreitete Schwarze Wegameise Lasius niger, die sich über das fettreiche Elaisosom hermachen.
Wissenswertes
Ähnlich wie der nahe verwandte Borretsch (Borago officinalis) wurde die Gemeine Ochsenzunge früher als Gemüse und Salatgewürz verwendet; heute ist sie recht aus der Mode gekommen und wird bestenfalls noch als Zierpflanze eingesetzt.
Vermutlich ist das auch besser, denn inzwischen weiß man, dass die Pflanzen ähnlich wie das deswegen bereits öfters in den Schlagzeilen aufgetauchte
Jakobs-Greiskraut Senecio jacobaea lebertoxische Pyrrolizidin-Alkaloide enthält. Große Mengen sollte man also lieber nicht davon essen.
Dessen ungeachtet fungierte die Ochsenzunge seit der Antike als Heilpflanze. Dioskurides, Plinius d.Ä. und Galen schrieben, dass sie in Wein eingelegt die Stimmung verbessere. Der ‚echte‘ Medicus Avicenna äußerte sich ähnlich und nutzte die Pflanzen gegen Entzündungen von Mund und Rachen. Ebenso finden sich Belege für eine medizinische Wirkung in den Kräuterbüchern von Leonhart Fuchs, Hieronymus Bock und Otto Brunfels. Kraut und Wurzel enthalten Alkaloide wie Cynoglossin und Consolidin, Anthocyane, Schleimstoffe und Gerbstoffe.
Die Pfahlwurzel der Ochsenzunge enthält einen roten Farbstoff. Alkanin wurde früher zum Rotfärben von Wolle und alkoholischen Getränken genutzt. Als Färbepflanze spielt das Kraut heute keine Rolle mehr, da Alkanin weniger lichtecht ist als die modernen künstlichen Farben.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner