Was ist Adlerfarn?
Der Adlerfarn (Pteridium aquilinum) ist eine einheimische und weit verbreitete Farnart, die aktuell zur Familie der Adlerfarngewächse (Dennstaedtiaceae) gerechnet wird. Kennzeichnend für deren ausdauernde Vertreter sind die randständigen Sporenhäufchen, die Sori, die auch beim Adlerfarn von dem umgerollten Blattrand und einen feinen Schleier geschützt stehen. Die Pflanzen wachsen bevorzugt auf einem sauren Boden, insbesondere in den Gebüschen der Säume und Lichtungen von Eichenwäldern, Kiefernforsten und Moorwäldern. Sein Hauptverbreitungsgebiet liegt in Europa, er wächst aber weltweit mit Ausnahme der Wüsten und zirkumpolaren Kaltgebiete.
Die überbogene, parallel zum Boden gekrümmte Spreite des Adlerfarns ist 30-90 Zentimeter lang, breit dreieckig und 2-4-fach gefiedert – bei europäischen Farnen ist das nirgendwo sonst der Fall. Diese Wedel verwelken im Herbst, wobei sie sich gelblich verfärben, und entstehen jedes Jahr neu. Sie entspringen einzelstehend dem kräftigen unterirdischen Rhizom, mit dem er sich tief unter der Erde kriechend in seiner Umgebung ausbreitet und das mehrere Meter lang werden kann. Das sich dichotom verzweigende Rhizom ist schwarz und faserig. Die Farne erreichen eine Höhe von bis zu zwei Metern, kletternd bisweilen auch bis zu vier Metern, indem sie als Spreizklimmer mit ihren Fiedern an umliegendem Gebüsch und anderen Strukturen emporhangeln. Damit ist der Adlerfarn unsere größte einheimische Farnart.
Als niedere Gefäßpflanze blüht der Adlerfarn natürlich ebenso wenig wie seine Kollegen. Die geschlechtliche Vermehrung erfolgt hier in den aus den Sporen hervorgehenden Prothallien, die Makrosporen und Mikrosporen bilden. Erst aus den hier befruchteten Eizellen entwickelt sich die mächtige Pflanze.
Adlerfarn im Garten
Standort
Der Adlerfarn braucht einen sauren und eher nährstoffarmen Boden. Kalkhaltige Böden meidet er; er steht gerne im lichten Schatten und erträgt auch volles Licht. Wie feucht der Boden ist, das interessiert ihn eigentlich wenig – mit seinem tiefreichenden Rhizom findet er immer noch ein paar Tropfen Wasser. Und natürlich ist der Adlerfarn winterhart, wie es sich für eine bei uns heimische Pflanze gehört.
Schnitt
Schneiden ist beim Adlerfarn vor allem dann notwendig, wenn er sich allzu gründlich im Garten breit zu machen beginnt. Dann solltest Du ihn rechtzeitig zurechtstutzen. Da die Vermehrung vor allem vegetativ erfolgt ist eine Rhizomsperre unbedingt anzuraten. Achtung: Das Wurzelsystem sitzt ganz schön tief. Und wenn Du auch nur ein Fizzelchen davon beim Ausgraben übersiehst wächst das nach kurzer Zeit munter weiter.
Vermehrung
Die Vermehrung erfolgt fast ausschließlich vegetativ – mit den Sporen, die ohnehin eher spärlich gebildet werden und der Aufzucht der Prothallien macht sich Otto Normalgärtner unglücklich. Im Gartenmarkt kannst Du einen Adlerfarn kaufen und in den Garten setzen. Einmal etabliert reicht es vollkommen aus, gegebenenfalls ein Stück Rhizom an die vorgesehene Stelle zu pflanzen.
Verwendung
Wie an seinen natürlichen Standorten fühlt sich der Adlerfarn an leicht gestörten Standorten am wohlsten: etwa am Rand von Hecken und Gehölz oder unter Baumgruppen. Dort wächst er alljährlich in die Höhe und bildet ein Dickicht, das mit seinen filigranen Blättern einen hübschen grünen Hintergrund für Stauden und andere Pflanzen weiter vorne abgibt.
Schädlinge
Der Adlerfarn gilt als unkaputtbar, und Schädlinge wie auch Krankheiten können ihm so gut wie nichts anhaben. Selbst die häufig hier einkehrenden Nachtfalterraupen können bestenfalls das Grün reduzieren – im darauffolgenden Frühjahr sind die alten Blätter ohnehin Makulatur und der Adler erhebt sich wie Phönix aus der Asche, genauer aus dem tiefliegenden Rhizom.
Ökologie
Wo wächst der Adlerfarn?
Wo Adlerfarn wild vorkommt kann man davon ausgehen, dass der Boden sauer, arm an Basen und Stickstoff und reich an verrottendem organischem Material aus Pflanzen ist. Man findet ihn häufig in Wäldern mit Rot-Eiche und Trauben-Eiche, Kork-Eiche, Schwarzkiefer und Rotbuche. Dort bildet er eine lichtarme Unterschicht, in der nicht allzu viele Pflanzen hochkommen, abgesehen von den Frühblühern wie Maiglöckchen, Schattenblume oder Zweiblättriger Blaustern, die noch vor dem Austrieb der Wedel vom reichlichen Sonnenlicht profitieren. Auf gestörten Böden von Lichtungen und Einschlägen, Wegrändern und Brachland wächst er häufig zusammen mit Schmalblättiges Weidenröschen, Traubenholunder und Sal-Weide, in den Moorlandschaften zusammen mit Besenheide, Sand-Ginster, Heidelbeere und Rauschbeere.
Schnelle Vermehrung mit leichten Sporen und ewigen Rhizomen
Nicht zuletzt die Leichtigkeit der Sporen des Adlerfarns hat ungemein zu seiner weltweiten Verbreitung beigetragen. So gelangen sie mit Wind und Wasser schnell an Stellen, wo die schnellwüchsigen Rhizome so schnell nicht hingelangen. Allerdings fehlen die Sporangen bei vielen Wedeln. Dann sorgen die unterirdischen Teile für die schnelle vegetative Vermehrung; stirbt ein Zwischenstück der dichotom verzweigten Rhizome ab, so sind die Jungpflanzen von der Mutterpflanze getrennt und wachsen munter weiter. So bilden sich rasch ganze Kolonien von Klonen. Im Grunde genommen ist der Adlerfarn damit fast unsterblich; ein Rhizom soll bis über 1.000 Jahre alt werden.
Gut geschützt vor Waldbrand
In Gebieten mit Waldbrandgefahr ist der Adlerfarn meistens fein raus – das Rhizom liegt so tief im Untergrund, dass ihm die Flammen selten etwas anhaben können. So können sie nach einem Waldbrand schnell wieder austreiben und eine gestörte Fläche schnell wiederbesiedeln.
Adlerfarn als invasive Art
Weltweite Verbreitung heißt noch lange nicht, dass der Adlerfarn sich überall beliebt macht. Insbesondere auf sauren und nährstoffarmen Böden breitet sich der Kosmopolit oft invasiv aus und bildet dichte Bestände. In der Forstwirtschaft ist das auf Lichtungen und Einschlägen problematisch, denn dadurch nimmt er jungen Bäumchen das Licht weg und verhindert deren Wachstum. In Mooren kann er das Heidekraut und andere Bewohner verdrängen, und selbst auf sandigen ungenutzten Weiden bildet er rasch große Herden.
In Wäldern gelten große Bestände von Adlerfarn als nicht ganz unbedenklich, da sie für Hasen und Rehe nicht genießbar sind und das Aufkommen von Sträuchern und Hecken verhindern, die als Nahrung und Unterschlupf dienen könnten. Andererseits ist der Adlerfarn ein willkommener Unterschlupf für kleine Hirsche, Füchse, viele Nagetiere und Vögel wie Fasane und Schnepfen.
Nahrung für Schmetterlinge und Ameisen
Nicht zuletzt ist der Adlerfarn eine wichtige Futterpflanze für Nachtfalter – insgesamt nutzen ihn bei uns 11 Arten als Raupenfutter, so die Adlerfarneule (Callopistria juventina), der Adlerfarn-Wurzelbohrer (Pharmacis fusconebulosa) und der Moorwald-Adlerfarnspanner (Petrophora chlorosata). Die untersten Fiederpaare der Blätter weisen an der Basis Nektarien auf, die Ameisen herbeilockt.
Wissenswertes
Inhaltsstoffe von Adlerfarn – giftig und krebserregend vom Rhizom bis zu den Sporen
Der Adlerfarn enthält organische Säuren wie Fumarsäure und Bernsteinsäure, Carotinoide wie Carotin und Leutein, Steroide, Sesquiterpenoide, phenolische Substanzen, Tannine und Flavonoide. Er ist in allen Teilen giftig, denn er enthält auch Saponine und Glykoside.
Als karzinogen gilt das Glukosid Ptaquilosid (Aquilid A, Braxin C), das als alkylierendes Reagenz die DNA schädigt und Mutationen hervorruft. Ganz gesichert sind die Zusammenhänge noch nicht, aber Adlerfarn steht im Verdacht, am gehäuft auftretenden Magenkrebs in den Andenregionen Venezuelas, Japans und Wales verantwortlich zu sein.
Zudem enthält Adlerfarn cyanogene Verbindungen – das merkt man bereits am eindringlichen Bittermandelgeruch, der einem beim Kochen der Triebe in die Nase steigt. Besonders fies: Die Sporen gelten als besonders giftig. Sie können während der Hauptausbreitungszeit zwischen Juli und Oktober bei großen Adlerfarnbeständen für Menschen gefährlich werden, die sich in der Nähe aufhalten, etwa in der Forstwirtschaft.
Rinder, Pferde, Kaninchen: So giftig ist Adlerfarn für Tiere
Für weidende Tiere erweist er sich als giftig, da das darin enthaltene Enzym Thiaminase das Vitamin Thiamin, besser bekannt als Vitamin B1, abbaut. Dieses ist für die Nervenfunktion wichtig. Dadurch führt ein regelmäßiger Verzehr zu Vitamin B1-Mangel und Nervenschäden mit sensiblen und motorischen Störungen. Die Auswirkungen sind unterschiedlich: Nagetiere werden auf Dauer blind, Pferde leiden an Anämie und Blutungen infolge Schädigung des roten Knochenmarks, Schweine an Anorexie mit Gewichtsverlust und Herzinsuffizienz, Schafe an Sehstörungen und Tumoren des Verdauungstraktes.
Bei Weidevieh wie Kühen, Schafen, Ziegen und Pferden, aber auch bei Haustieren wie Kaninchen und Meerschweinchen kommt es zu Blutungen an den Schleimhäuten und damit auch zu blutigem Harn, einer chronischen Hämaturie, die man auch als Pteridismus bezeichnet. Milch von Tieren, die Adlerfarn gefressen haben, also Kuhmilch wie auch Schafsmilch und Ziegenmilch ist auch für den Menschen bedenklich. Dauerhafte Reizungen der Schleimhäute mit den Giftstoffen des Adlerfarns können Krebs im Magen-Darm-Trakt auslösen. Quercetin soll zudem bei Rindern, die längere Zeit davon fressen, Blasenkrebs auslösen.
Trotzdem vertilgen einige Tiere den Adlerfarn. Hirsche beschränken sich auf die frischen Triebe und äsen stets nur kleine Mengen; Kaninchen und Hasen fressen Wedel und Rhizom, Ziegen die Blätter, wohingegen Schafe einen großen Bogen um die Giftpflanze machen.
Adlerfarn als Nahrungsmittel: Farnbrot, Bier und Asia Food
Trotz der Giftigkeit isst man die jungen Triebe in vielen Ländern gegesen. Das Rhizom enthält zudem bis zu 60 Prozent Stärke. Die gute Nachricht: Einweichen in Natronlauge, traditionell in Form einer wässrigen Lösung von Pflanzenasche, sprich Pottasche, inaktiviert das giftige Ptaquilosid, das auch durch Kochen unwirksam wird. Aus gesundheitlichen Gründen sollte man aber sicherheitshalber auf den Genuss von Adlerfarn in jeder Form verzichten.
- In Japan legt man die so vorbehandelten jungen Adlerfarntriebe in Salz, Sake oder Miso ein. Mit Sojasauce kalt gegessen gilt warabi, gekocht sansai, Berg- oder vielmehr Wildgemüse als Spezialität. Das stärkehaltige Rhizom liefert den gelierenden Grundstoff für das Dessert warabimochi.
- In Korea macht man aus dem ebenfalls zuvor eingeweichten gosari gekocht und gebraten die Beilage namul oder das beliebte koreanische Gericht Bibimbap mit Reis, anderem Gemüse, Rindfleisch oder Tofu, Ei und der scharfen Paste Gochujang.
- In Sibirien und bei den indigenen Völkern Nordamerikas verwendet man die Rhizome vom Adlerfarn zusammen mit dem ebenfalls stärkehaltigen Malz aus Gerste zum Bierbrauen.
- Auf den Kanarischen Inseln stellten die Ureinwohner, die Altkanarier, aus dem stärkehaltigen Rhizom gofio Hier diente es zum Strecken des Gerstenmehls, das man geröstet und gemahlen zu Brei verarbeitete. Mit Ziegenmilch, Ziegenkäse oder Fett vermischt galt gofio als Grundnahrungsmittel – übrigens gar nicht so verschieden von der Gerstengrütze, die auch bei uns in Europa noch lange vor dem Brot üblich war.
- Nicht ganz so dramatisch dürfte der alte mediterrane Brauch sein, die Blätter des Adlerfarns zum Filtern von Schafsmilch und zum Einpacken von Ricotta
- Nicht nur in fernen Ländern, auch bei uns war das stärkehaltige Rhizom vom Adlerfarn in Notzeiten und Kriegen willkommen. Bis ins 19. Jahrhundert nutzte man das getrocknete und gemahlene Wurzelwerk zum Strecken von Mehl und zum Brotbacken. Heutzutage ist Farnbrot vollkommen unbekannt.
- Ein Blick auf die andere Seite der Welt: Für die Maori war das Rhizom des nahe verwandten Pteridium esculentum jahrhundertelang die Hauptnahrung.
Adlerfarn als Heilpflanze
Als Heilpflanze ist der Adlerfarn uralt – er wird in den Kräuterbüchern des Mittelalters eingehend für eine ganze Reihe von Leiden beschrieben, insbesondere ähnlich wie der Wurmfarn gegen Darmparasiten. Die traditionelle Heilkunde der Balearen nutzte ihn gegen Blähungen und zur Blutreinigung. Dagegen aßen die amerikanischen Ureinwohner das rohe Rhizom bei Bronchitis, das getrocknete und pulverisierte Adlerfarnrhizom gegen Würmer und mit Ingwer vermischt als Aphrodisiakum.
Adlerfarn zur biologischen Schädlingsbekämpfung: Mulchen und Adlerfarnbrühe
Die Giftstoffe des Adlerfarns machen ihn an vielen Stellen des Gartens zum idealen Material zum Mulchen. Unter fruchtenden Erdbeeren verhindern seine antimykotisch wirksamen Substanzen den Grauschimmel, der die Ernte verdirbt. Bei anderen Pflanzen zieht eine fünf Zentimeter hohe Mulchschicht aus getrocknetem Adlerfarn Schnecken an. Was sich erstmal ungewöhnlich anhört ist für die Schneckenfatal, denn auch für sie ist er giftig. Heißt sie kommen nicht bis zu den Pflanzen, von denen sie ihre Raspelzunge lassen sollen.
Auch Adlerfarnbrühe anstelle von Schachtelhalmsud ist einen Versuch wert – sie hat eine starke insektizide Wirkung beispielsweise auf die sonst renitente Apfelblutlaus (Eriosoma lanigerum) oder Drahtwürmer, die Larven des Saatschnellkäfers (Agriotes lineatus) in Kartoffeln. Einfach zerschnippelten Adlerfarn in der zehnfachen Menge Wasser verrotten lassen, fertig.
Adlerfarn als Gründüngung
Adlerfarn gibt eine gute Gründüngung – er enthält siebenmal mehr Stickstoff, dreimal so viel Phosphor und fünfmal so viel Kalium wie Kuhmist. In den französischen Pyrenäen verbrannte man den Adlerfarn, um so eine besonders nährstoffreiche Pflanzenasche zu bekommen.
Adlerfarn für Leder, Seife, Glas und Färben
Die durch Verbrennen von getrocknetem Adlerfarn gewonnene Pflanzenasche ist besonders reich an Kalium Daher verwendete man die Adlerfarn-Pottasche früher zum Gerben von Leder, als Bleichmittel, zum Sieden von Seife und für die Glasherstellung. Auch als Färbepflanze hat Adlerfarn eine lange Tradition: Das Rhizom färbt zusammen mit Chromsalzen Wolle gelb, die Triebe mit Alaun oder Chromaten grünlich-gelb und Seide mit Eisensulfat grau.
Adlerfarn auf dem Dach, im Stall und im Bett
Vielerorts war es früher üblich, Stroh- und Reetdächer mit Adlerfarn vor Insekten zu schützen. Im Stall diente er bis in die Neuzeit als Einstreu, und im früher anstelle von Daunenbetten oder Mikrofaserkügelchen verwandten Strohsack fürs Bett kamen ein paar Blätter getrockneter Adlerfarn als Mittel gegen Flöhe, Läuse, Bettwanzen und andere ungebetene Gäste.
Behaart oder unbehaart?
In Mitteleuropa unterscheidet man zwei Unterarten von Adlerfarn:
- Pteridium aquilinum ssp. aquilinum, die Typart mit behaarten Blattspindeln, rundlich-eckigen Blattstielen und einem schwarzen Haarbüschel am Ende des Rhizoms;
- Pteridium aquilinum ssp. latiusculum, bei dem die Blattspindel kahl bleibt, der Blattstiel flach und die Spitze des Rhizoms kahl aussieht. Insgesamt wirken die Pflanzen etwas zarter, und ihre Verbreitung beschränkt sich auf die nördlichen Anteile Europas, Nordamerikas und Asiens. Bisweilen läuft diese Sippe auch als eigene Art Pteridium pinetorum.
Die Systematik ist ohnehin nicht ganz klar – mal rechnet man die Gattung Pteridium zu den Dennstaedtiaceae, mal zu den Hydrolepidaceae oder zu den Pteridiaceae. Die Botaniker werden voraussichtlich noch viele Jahre weiter darüber streiten.