Was ist Kleines Immergrün?
Kleines Immergrün oder Kleines Singrün (Vinca minor) aus der Familie der Hundsgiftgewächse (Apocyanaceae) tritt man bei uns häufiger gepflanzt an als ausgewildert; es wächst zerstreut, aber gesellig in artenreichen Laub- und Buchenmischwäldern Süd- und Mitteleuropas und Kleinasiens.
Das immergrüne Kraut erreicht eine Wuchshöhe von 10-20 Zentimetern und verbreitet sich mit seinen niederliegenden und an den Knoten wurzelnden Ausläufern. Die sich reichlich verzweigenden Triebe werden bis zu zwei Metern lang, sodass sich mit der Zeit dichte Teppiche und Matten bilden. Seine dekorativen bis zu fünf Zentimeter langen Blätter stehen sich gegenständig gegenüber; sie sind ledrig, elliptisch oder lanzettlich, kahl mit ganzem Rand, auf der Oberseite dunkelgrün und unterseits heller graugrün.
Die fünfzähligen Blüten erscheinen einzeln in den Blattachseln an 1-3 Zentimeter langen Stielen; sie sind zwittrig, fünfzählig und sternförmig, mit einer am Grund verwachsenen und drei Zentimeter breiten stieltellerartigen blauen, seltener weißen Krone. Die Kelchblätter sind 3-4 Millimeter lang, lanzettlich-dreieckig, kahl und stachelig auslaufend. Die Kronblätter sind leicht rechtsseitig verbogen und verleihen der Blüte ihr absolut typisches schiffschraubenartiges Aussehen. Die vier Millimeter langen Staubbeutel bleiben in der Kronröhre versteckt.
Nur sehr selten bildet das Kleine Immergrün in unseren Breiten Früchte und Samen; die rare Frucht wird etwa 1,5 Zentimeter lang und besteht aus zwei zylindrischen balgförmigen Teilfrüchten. Darin befindet sich jeweils ein einzelner schwarzer, gebogener und auf der Außenseite geriefter Samen mit gehöckerter Oberfläche.
Kleines Immergrün im Garten
Standort
Das Kleine Immergrün gilt als etwas anspruchsvoll. An seinen natürlichen Standorten bevorzugt es einen frischen nährstoff- und basenreichen, vorzugsweise reinen Lehm- oder Tonboden. Es steht vorzugsweise im Halbschatten, wo es am besten blüht; es verträgt auch problemlos dunkle Schattierung, aber weder pralle Sonne noch Staunässe. Die Pflanzen sind voll frosthart und überstehen klaglos selbst strengste Winter.
Schnitt
Ein Schnitt ist öfters mal erforderlich, da das Kleine Immergrün zu invasivem Wachstum neigt und sich schnell über Gebühr auszubreiten droht. Dem muss man rechtzeitig begegnen, bevor der grüne Gegner zu viel Land gewonnen hat, vorzugsweise im zeitigen Frühjahr. Beim Hantieren mit den Pflanzen sollte man Handschuhe tragen, da der Milchsaft giftig ist und Hautreizungen hervorruft.
Vermehrung
Die vegetative Vermehrung erfolgt selbständig mittels Ausläufern, die man auch abtrennen und versetzen kann. Am besten erledigt man das von Herbst bis Frühjahr. Im Sommer kann man Stecklinge von noch nicht vollständig verholzten Trieben schneiden. Eine Vermehrung mit Samen ist eher die Ausnahme, da die Pflanzen nur sehr selten fruchten.
Verwendung
Das Kleine Immergrün ist ein dankbarer und dekorativer Bodendecker für Strauchrabatten, Gehölzgärten und schattige Böschungen. Auf Friedhöfen findet man es häufig als immergrünen Grabschmuck.
Schädlinge
Fressfeinde wie Schneckenund Kaninchen hält Vinca minor erfolgreich mit Giften fern, aber sie ist recht empfindlich gegenüber Pilzkrankheiten, vor allem Rostpilzen, die an den Blättern unschöne Flecken hinterlassen.
Ökologie
Bestäubt werden die farbenfrohen Blüten des Kleinen Immergrüns von Bienen, Hummeln, Wespen, Faltern und Wollschwebern, die mit ihren langen Rüsseln an den Nektar am Grund der Kronröhren gelangen können. Beim Saugen verteilen sie auch den Pollen der in den Kronröhren verborgenen Staubbeutel; dadurch ist auch eine Selbstbestäubung möglich. Die Verbreitung der höchst selten produzierten Samen übernehmen Ameisen, die das fettreiche Elaisosom als Futter verwenden.
Wissenswertes
Die in Europa wild wachsenden Bestände sind bereits vor langer Zeit aus den Kloster- und Burggärten ausgebüxt, wo sie im Mittelalter häufig als Zier- und Heilpflanze gehalten wurden. Aus dem Süden mitgebracht haben sie vermutlich bereits die alten Römer; bereits Plinius und Dioskurides beschrieben ihre Heilwirkung.
Die Pflanzen sind in allen Teilen giftig und rufen nach Verzehr Übelkeit und Erbrechen mit Blutdruckabfall und Herzrhythmusstörungen hervor. Als Heildroge ist das Kleine Immergrün heute nicht mehr zugelassen, da die Alkaloide und ihre Begleitstoffe schwere hämatologische Erkrankungen hervorrufen können. Noch im Mittelalter war das anders, und in den Kräuterbüchern der Zeit wird die Heilwirkung ausführlich behandelt. Vinca galt als adstringierend, diuretisch, tonisch und wundheilungsfördernd.
Die Pflanzen enthalten über 50 Alkaloide wie das Monoterpen-Indolalkaloid Vincamin, das man als isolierte Substanz vasodilatorisch gegen Durchblutungsstörungen des Gehirns und Morbus Menière einsetzt. Weitere typische Vinca-Alkaloide sind Vincamon, Vincaminol, Apovincamin und Desoxyvincaminol. Hinzu kommen Flavonoide, Bitterstoffe, Tannine und Saponine. Vinca minor-Globuli, in denen diese Substanzen durch die Potenzierung zur Unschädlichkeit verdünnt sind, nutzt die Homöopathie gegen Frauenleiden, empfindliche Haut und Juckreiz.
Neben der einheitsgrünen Wildform gibt es Zuchtsorten mit bunten Blättern und weißen, blauen, violetten und purpurfarbenen Blüten.