Was ist Akeleiblättrige Wiesenraute?
Akeleiblättrige Wiesenraute oder Amstelraute (Thalictrum aquilegifolium) ist eine relativ unbekannte, aber absolut unverkennbare Zierpflanze, die als Geheimtipp für Gärten gilt und bei uns nur sehr selten wild auftritt. Man findet den Vertreter aus der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) an schattigen und wechselnassen, oft zeitweise überschwemmten Standorten wie Auwäldern, an Wasserläufen, in Gebüschen, Staudenwiesen und auf Hochstaudenfluren der Mittelgebirge und Gebirge. Das Verbreitungsgebiet umfasst Mittel- und Osteuropa, die Gebirge Südeuropas und Ostasien bis nach Sibirien hinein. In den Alpen dringt sie bis auf eine Höhe von 2300 Meter vor.
Thalictrum aquilegifolium ist eine stattliche horstbildende Staude mit einer kurzen, dünn spindelförmigen rötlichen Wurzel, die mit ihren aufrechten verzweigten und bereiften Stängeln eine Höhe von bis zu eineinhalb Metern erreicht. Den Winter übersteht die ausdauernde Pflanze mithilfe von überwinternden Knospen in Bodennähe. Ihren Namen hat sie von der Ähnlichkeit ihrer wechselständigen Blätter mit denen der Akelei (Aquilegia spec.): Sie sind 10-30 Zentimeter lang und 2-3-, selten 4-fach gefiedert, mit 2-3 Zentimeter langen und 1-2 Zentimeter breiten kahlen und verkehrt-eiförmigen, am Rand welligen Fiederblättchen, von denen die endständige stets die größte ist und drei Zähne aufweist statt nur zwei wie die seitlichen. Auffallend ist die blaue Schattierung der Blattoberseite, während die Blattunterseite deutlich heller ausfällt. Der Blattstiel erreicht eine Länge von 4-8 Zentimetern und wird an seinem Grund von zwei kleinen knorpeligen Nebenblättern begleitet. In der Blütezeit sind bereits viele der grundständigen Blätter vertrocknet.
Im Frühsommer erscheinen an den Enden der im oberen Teil bis auf Hochblätter blattlosen Triebe dichte und geradezu flauschig anmutende, 5-8 Zentimeter lange Rispen mit 8-10 Millimeter großen hauchzarten Blüten. Diese sind sternförmig und zwittrig; Kronblätter fehlen vollständig, die vier 3-4 Millimeter großen grünweißen, kronblattartigen Kelchblätter fallen bereits beim Öffnen der Blüten ab. Stattdessen übernehmen die zahlreichen Staubblätter die Funktion des Schauapparates für Bestäuber; die großen pinselartigen Puscheln sind violett, seltener weiß gefärbt und stehen an 4-17 Millimeter langen Stielen. Im oberen Teil sind die 8-10 Millimeter langen Staubfäden so keulig verdickt, dass sie den Durchmesser der gelben Staubbeutel erreichen. Die 4-8 Fruchtblätter stehen frei und gestielt und tragen einen kurzen Griffel. Vor allem gegen Abend duften die Blüten intensiv und angenehm ähnlich wie Maiglöckchen.
Als Früchte dienen 7-10 Millimeter lange glatte einsamige Achänen; diese sind gestielt, dreikantig geflügelt und hängen zusehends herab.
Akeleiblättrige Wiesenraute im Garten
Standort
Die Akeleiblättrige Wiesenraute wächst am besten auf einem feuchten und nährstoffreichen, vorzugsweise kalkreichen und humosen Ton- oder Lehmboden. Sie steht gerne in der Sonne oder noch lieber im Halbschatten und ist als einheimische Pflanze in unseren Breiten vollkommen winterhart. Am besten pflanzt man sie etwas windgeschützt, damit sie bei voller Blütenpracht nicht umgeweht werden – oder man hilft ihnen mit einer Stütze, wenn die Triebe offensichtlich unter der Last der Blüten zu schwer werden.
Faustregel: Je sonniger die Akeleiblättrige Wiesenraute steht, desto mehr Feuchtigkeit benötigt sie.
Schnitt
Wenn Du die Akeleiblättrige Wiesenraute in Deinem Garten im Zaum halten möchtest solltest Du die Fruchtstände rechtzeitig kappen, bevor sie die Samen freigeben. Die Pflanzen sorgen kräftig für Selbstaussaat. Natürlich kann Du sie auch ausreifen lassen und ernten. Ansonsten verwelkt das Kraut im Herbst und zieht sich auf Wurzeln und Überwinterungsknospen zurück – was dann noch herumsteht kannst Du getrost beseitigen.
Vermehrung
Vermehren kann man die Akeleiblättrige Wiesenraute durch Aussaat. Die Samen sät man im Herbst unmittelbar nach der Fruchtreife oder im Frühjahr in Töpfen aus und pflanzt sie bei ausreichender Größe ins Freiland – nicht. zuletzt, um sie nicht vorzeitig den Schneckenzum Opfer fallen zu lassen. Die Horste kann man nach der Blüte teilen; es dauert aber oft ziemlich lange, bis sie neu wurzeln und austreiben, aber so lässt sich eine allmähliche Vergreisung am besten verhindern. Dagegen geht Wiesenraute kaufen natürlich deutlich schneller, die Topfware wächst problemlos an.
Verwendung
Mit ihrem hübschen Laub und den prachtvollen Blüten gibt die Akeleiblättrige Wiesenraute einen schönen Hintergrund von Rabatten, Bauerngarten und Wildblumengarten oder macht sich gut im Vordergrund vor dunklem Gehölz oder Mauern. Ebenso ist sie für die Uferbepflanzung vom Gartenteich und sumpfige naturnahe Wiesen geeignet. In kleinen Gruppen gepflanzt kommen sie am besten zur Geltung. Für den eher trockenen Steingarten ist die zierlichere Kleine Wiesenraute (Thalictrum minus) besser geeignet. Schön machen sie sich auch als Schnittblumen für die Vase.
Schädlinge
Auch wenn die Wiesenraute recht robust ist kann sie bisweilen von Mehltau befallen werden, insbesondere an trockenen Standorten. Ihr größter Feind sind aber Schnecken– frisch Gepflanztes oder junge Keimlinge finden die besonders lecker.
Ökologie
Immer hungrig, immer durstig
Die Akeleiblättrige Wiesenraute hat reichlich Hunger und Durst: Dementsprechend weiß ein Pflanzenkundiger bei wild wachsenden Exemplaren sofort, dass hier der Boden überwiegend nass und nährstoffreich ist.
Dass der Schauapparat zum Anlocken von Insekten nicht von der Blütenhülle, sondern von auffälligen Staubblättern gebildet wird ist bei mitteleuropäischen Pflanzen ausgesprochen ungewöhnlich und nur bei
Thalictrum-Arten zu finden. Besser bekannt sind ähnlich filigrane Kugeln aus Staubblättern von den in wärmeren Gefilden angesiedelten
Akazien und
Eukalyptus, die man bei uns bisweilen in Blumensträußen bindet.
Flüssignahrung Fehlanzeige, aber gute Bienenweide
Thalictrum aquilegifolium ist eine gute Bienenweide und liefert zwar keinen Nektar, dafür aber große Mengen Pollen, den die Honigbienen zu Bienenbrot (Perga) verarbeiten. Honig ist vor allem Wintervorrat, Perga hingegen das täglich Brot des Bienenvolkes.
Ebenso interessiert sind zahlreiche andere Insekten, insbesondere pollenfressende Fliegen, Schwebfliegen und Käfer. Beim Ausbleiben tierischer Pollentaxis kann die Wiesenraute auch vom Wind bestäubt werden oder für Selbstbestäubung sorgen. Windbestäubung liegt bei Thalictrum offenbar im Trend: Andere Arten mit unauffälligeren Blüten haben sich vollständig darauf umgestellt.
Raupenfutter für Nachtfalter
Der intensive abendliche Maiglöckchenduft weist Schmetterlingen nicht den Weg zum Nektar – den gibt es hier nicht – sondern eher unfreiwillig zu einem begehrten Raupenfutter: Acht Nachtfalter legen hier ihre Eier ab, insbesondere die Eisenhut-Höckereule (Euchalcia variabilis) und die Wiesenrauten-Goldeule (Lamprotes c-aureum). Pate stand das Futter auch beim Namen Große Wiesenrauten-Goldeule (Panchrysia deaurata), der Wiesenrauten-Silbereule (Panchrysia v-argenteum) und dem Wiesenrauten-Kapselspanner (Gagitodes sagittata).
Mit dem Wind oder dem lieben Vieh
Für die Verbreitung der geflügelten Früchte sorgt der Wind, oder sie bleiben im Fell von vorüberlaufenden Tieren hängen.
Wissenswertes
Akelei und Wiesenraute: Das sind die Unterschiede
Beide sind nahe miteinander verwandt und gehören zur Familie der Hahnenfußgewächse: Ohne die bei beiden äußerst charakteristischen Blüten kann man die Akeleiblättrige Wiesenraute mit der „richtigen“ Akelei Aquilegia vulgaris verwechseln. Bei der sind aber die Stängel rund und glatt, die Blätter nur zweifach gefiedert mit einer sitzenden Endfieder und die Rosettenblätter sehr lang gestielt.
Seltene Vertreter
Die Gattung Thalictrum besteht aus rund 130 Arten von rhizom- oder knollenbildenden Stauden, die man weltweit – mit Ausnahme Australiens – findet, vor allem in der nördlichen Hemisphäre wie unsere heimische Akeleiblättrige Wiesenraute. Von den bei uns vorkommenden sieben Verwandten gehört sie noch zu den häufigeren; sie sind so selten geworden, dass man sie keinesfalls pflücken oder ausgraben sollte. Größere Bestände der Akeleiblättrigen Wiesenraute finden sich nur noch in den Alpen.
Schweinegiftige alte Heilpflanze
In der Volksheilkunde nutzte man die Wiesenraute in der Antike bis in die Neuzeit als Heilpflanze; das Kraut hilft gegen Malaria und Erkältungskrankheiten, daher auch die volkstümlichen Namen Lungenkraut, Brusttee oder Kaisertee. Heute verwendet man sie wegen der unberechenbaren giftigen cyanogenen Glykoside wie Limanarin und sogar freien Blausäure nicht mehr. Wahrscheinlich ist das auch besser so – auf Wiesen macht das Weidevieh wohlweislich einen großen Bogen um die Pflanzen. Die Wurzeln gelten als hochgradig giftig für Schweine.
Wiesenraute färbt Wolle gelb
Als Färbepflanze ist die Wiesenraute heute nicht mehr in Gebrauch; mit den Blättern hat man früher Wolle gelb gefärbt. Der Farbstoff ist längst nicht so lichtecht und beständig wie die modernen Anilinfarbstoffe.
Sorten, Sorten, Sorten
So eine prächtige Staude spornt natürlich den Ehrgeiz der Gärtner an, und daher bekommt man inzwischen eine reichhaltige Auswahl von Wiesenrauten-Sorten, die sich vor allem in ihrer Wuchshöhe und der Blütenfarbe unterscheiden. Einige blühen nicht wie die Wildform zartlila, sondern weiß oder rot und bringen noch mehr Farbtupfer in den sommerlichen Garten
Tipp: In Gruppen kommen Wiesenrauten immer am besten zur Geltung – umso schöner, wenn es ein rot-weiß-lila Farbenmeer aus verschiedenen Sorten gibt!
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner