Was ist Weiße Schwalbenwurz?
Die Weiße Schwalbenwurz ist in Europa und Asien weit verbreitet, wenngleich man sie in Deutschland nur sporadisch antrifft. Man findet sie auf kalkhaltigen Böden in trockenen und sonnenbeschienenen lichten Wäldern und Trockenrasen. Dort wächst sie bevorzugt an umstehenden Pflanzen schlingend in die Höhe, ähnlich wie Zaunrübe und Ackerwinde. Unterirdisch überdauert sie den Winter mit einem kräftigen, ausläuferbildenden Rhizom, das einen hellen Milchsaft aufweist, oberirdisch tragen die Stängel gegenständige lanzettliche bis ovale bläulichgrüne, unterseits hellere Blätter.
Typisch für die Knospen der Blüten ist ihre verdrehte Form. Aus jeder von ihnen entwickelt sich zumeist nur eine einzige Balgfrucht, die bis zu sieben Zentimeter Länge erreicht. In ihrem Inneren reifen die eiförmig-abgeplatteten Samen mit einem bis zu zwei Zentimeter langen Haarschopf, ähnlich dem Pappus eines Korbblütlers; genau wie bei diesen sorgt der Wind für die Ausbreitung der Schirmchenflieger.
Der Name Schwalbenwurz, ebenso wie der botanische Artname hirundinaria, bezieht sich auf genau diesen Schopf der Samen: damit erinnern an den Umriss einer fliegenden Schwalbe.
Weiße Schwalbenwurz im Garten

Quelle: Przemyslaw Muszynski/shutterstock.com
Standort
Im Garten bevorzugt die Weiße Schwalbenwurz einen durchlässigen und nährstoffarmen, vorzugsweise sandig-lehmigen oder tonigen Boden, gerne auch mit viel Steinen, mit reichlich Sonne oder zumindest Halbschatten. Er sollte eher trocken als zu nass sein – Staunässe ist für die Pflanzen unmittelbar tödlich. Dafür machen ihnen längere trockene Durststrecken im Sommer nichts aus. Ebenso vertragen sie im Winter bis zu -28 °C.
Schnitt
Viel zu schneiden gibt es bei der Weißen Schwalbenwurz nicht; Du kannst sie im Frühjahr eine Handbreit über dem Boden stutzen und alle abgestorbenen Pflanzenteile beseitigen; bis dahin schützen sie die unterirdischen Teile vor Frost und bieten zudem Kleintieren wie Insekten Schutz.
Vermehrung
Am leichtesten geschieht diese vegetativ, indem Du die Bestände teilst. Die Rhizome bilden reichlich Ausläufer, mit denen sich die Schwalbenwurz an einer neuen Stelle schnell etabliert.
Verwendung
Mit ihrer Vorliebe für trockene und sonnige Standorte eignet sich die Weiße Schwalbenwurz für den Steingarten oder sonnenbeschienene Beete. Ebenso lässt sie sich in Kübel und Kästen auf Balkon und Terrasse pflanzen.
Schädlinge
Schädlinge hält die ausgesprochen widerstandsfähige und robuste Weiße Schwalbenwurz mit ihren probaten Giften fern.
Ökologie
Besonders angenehm riechen die weißen Blüten von Vincetoxicum hirundinaria nicht, denn sie enthalten Amine, wie wir sie von verdorbenem Fisch noch viel besser kennen. Dahinter steckt System, denn im Gegensatz zu uns Menschen lieben Fliegen diesen Duft heiß und innig. Sie gelten als die Hauptbestäuber der Schwalbenwurz.
Auf die Größe kommt es an: Die Blüten der Weißen Schwalbenwurz sind Klemmfallen. Der Pollen zweier benachbarter Staubbeutel ist durch einen Faden und Klemmkörper miteinander verbunden und sitzt abwechselnd mit den Nektarien in den Blüten. Diese Mausefalle ist für größere Fliegen kein Problem, aber kleinere und schwächere Vertreter bleiben darin hängen und verenden.
Die auffällige Schwalbenwurz ist Raupenfutter für zwei äußerst unscheinbare Nachtfalter, die sie bereits in ihrem Namen tragen: Die Schwalbenwurz-Höckereule Abrostola asclepiadis und den Schwalbenwurz-Kleinspanner Scopula umbelaria.
Bei Forstwirten ist die Weiße Schwalbenwurz nicht so gerne gesehen – zumindest wenn sie fünfnadelige Kiefernarten wie Zirbelkiefer, Blaukiefer und Weymouthkiefer in ihren Wäldern haben. Die Pflanzen dienen ebenso wie Johannisbeeren dem eingeschleppten Weymouthkiefern-Blasenrost Cronartium ribicola als obligater Zwischenwirt und verursacht bei den Bäumen braune Sporenlager auf den Blattunterseiten und gelbe Aecidien auf der Rinde der Stämme. Dadurch werden die Bäume geschwächt und sterben teilweise ab, mitunter sehr zur Freude der Borkenkäfer.
Für die Verbreitung der charakteristischen Samen ist der Wind verantwortlich, der die Schirmchenflieger über weite Strecken davonträgt. Zudem werden sie auch von Regen und Wasser verbreitet.
Wissenswertes
Hundsgiftgewächse lässt bereits erahnen, dass auch die Weiße Schwalbenwurz der familiären Giftigkeit treu bleibt. Sie enthält unter anderem Isochinolin-Alkaloide, Flavonoide, Asklepiadin und Vincetoxin, ein Gemisch aus Glykosiden, die Erbrechen, Übelkeit und Durchfall verursachen und in hohen Dosen zum Tod durch Atemlähmung führen.
Dessen ungeachtet diente die Weiße Schwalbenwurz seit der Antike als Heilpflanze; darauf weist der botanische Gattungsname Vincetoxicum hin, von lateinisch vincere, besiegen (veni – vidi – vici) und toxicum, Gift. Dioskurides und Plinius d.Ä. beschrieben sie als Antidot, als Gegengift gegen Schlangenbisse und andere Vergiftungen. In der Volksmedizin gilt sie als harntreibend, schweißtreibend, schleimlösend und blutreinigend. Heute werden die Pflanzen von der Naturheilkunde und Phytotherapie aufgrund ihrer unberechenbaren Giftstoffe nicht mehr verwendet.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner