Was ist Kreuzdorn?
Der Kreuzdorn oder genauer Purgier-Kreuzdorn, Purgierdorn, Hexendorn oder Stechdorn (Rhamnus cathartica) ist ein einheimischer Strauch aus der gleichnamigen Familie der Kreuzdorngewächse (Rhamnaceae). Wild wächst er in ganz Europa von Spanien bis nach Sibirien, in Kleinasien bis zum Kaukasus und Ural wie auch in Nordafrika vom Tiefland bis in eine Höhe von 1.600 Meter aufsteigend. Man findet ihn an offenen und eher nassen Stellen wie Mooren, Auwäldern, feuchten Laubmischwäldern und Waldsäumen, aber auch in im Sommer warmen und vorwiegend trockenen Gebüschen, oft zusammen mit Berberitze, Schlehe, Hasel, Liguster und Roter Hartriegel und nicht zuletzt dem nahe verwandten Faulbaum (Rhamnus frangula).
Beim Purgier-Kreuzdorn handelt es sich um einen 2-5 Meter hohen laubabwerfenden aufrechten Strauch mit sparrig abstehenden Ästen, die wie der Name bereits vermuten lässt reichlich mit kräftigen Sprossdornen bewehrt sind. Die mit nur wenigen Korkwarzen überzogene glatte Rinde ist dunkelrot bis schwarzbraun und löst sich erst im Alter als Ringelborke in langen dünnen Streifen ab. Junge Zweige sind rundlich, grau bis graubraun und kurz behaart, sie verkahlen jedoch zügig. Zu dem Namen Kreuzdorn haben die kreuzgegenständigen Zweige geführt, die größtenteils in einem Dorn enden. Die enganliegenden länglich-eiförmigen Winterknospen sind rotbraun und haben eine kleine Spitze; sie werden 5-8 Millimeter lang und bestehen aus am Rand bewimperten Knospenschuppen.
Die gegenständigen Laubblätter des Kreuzdorns haben einen 1-3 Zentimeter langen Stiel und eine eiförmige, kurz gespitzte und am Grund gerundete Blattspreite von 4-6 Zentimeter Länge und einer Breite von 2-4 Zentimetern. Ihre Oberseite erscheint dunkelgrün, wohingegen sie unterseits deutlich heller und vor allem auf den Blattnerven fein behaart sind. Der Blattrand ist fein gezähnt; am Grund des Blattstieles stehen pfriemliche Nebenblätter, die schon bald abfallen. Gegen Ende des Jahres bekommen sie eine gelbe Herbstfärbung.
Der Purgier-Kreuzdorn ist zweihäusig getrenntgeschlechtlich, heißt er produziert auf männlichen oder weiblichen Büschen eingeschlechtliche Blüten, die mit ihrer grünlichgelben Farbe recht unscheinbar ausfallen. Sie sind einen Zentimeter breit, sternförmig, vierzählig mit doppelter Blütenhülle und erscheinen im Mai und Juni in den Blattachseln, wo sie 2-8-blütige Scheindolden bilden. Sie weisen einen zentimeterlangen Stiel, 2-3 Millimeter lange länglich-dreieckige Kelchblätter und 5-6 Millimeter lange schmal-lanzettliche Kronblätter auf. In den männlichen Blüten finden sich vier Staubblätter und ein verkümmerter Fruchtknoten, die weiblichen Blüten bestehen umgekehrt aus einem freistehenden Fruchtknoten und vier rudimentären Staubblättern. Nach der Bestäubung entwickeln sich daraus kugelige, 6-8 Millimeter große Steinfrüchte von zunächst grüner, in der Reife schwarzvioletter Farbe. Ihr Fruchtfleisch ist saftig und enthält 2-4 eiförmige, 3-5 Millimeter große Kerne, in denen sich jeweils ein einzelner Samen befindet. Die Fruchtreife erfolgt im September und Oktober.
Kreuzdorn im Garten
Standort
Der Purgier-Kreuzdorn ist ausgesprochen anspruchslos, bevorzugt aber einen humosen und lockeren, vorzugsweise kalkhaltigen Lehmboden, der gerne auch steinig und flachgründig sein darf. Auf jeden Fall sollte er basenreich und leicht alkalisch ausfallen. Am liebsten stehen die Büsche in der Sonne oder im Halbschatten, wobei sie auch schattentolerant sind. Der Boden darf zwischendurch austrocknen, auch wenn der Kreuzdorn einen eher feuchten Standort bevorzugt. Die Pflanzen sind vollkommen winterhart und kommen auch mit strengen Frösten problemlos zurecht.
Schnitt
Der Purgier-Kreuzdorn gilt als mäßig schnellwüchsig und mäßig langlebig – er wird nur um die 100 Jahre alt. Schneiden musst Du ihn nicht unbedingt, abgesehen vom Entfernen alter und abgestorbener Äste. Wenn, dann sollte der Schnitt im Frühjahr erfolgen.
Vermehrung
Häufig bilden sich am Kreuzdorn Wurzelsprossen, die sich in der Umgebung ausbreiten. Vermehren kannst Du ihn auch per Aussaat – pflanze die Samen unmittelbar nach der Samenreife im Herbst im Garten aus. Schneller funktioniert die Nachzucht auf vegetativem Wege; schneide hierzu im frühen Sommer Stecklinge vom noch grünen Holz und bewurzele sie in gleichmäßig feucht gehaltener Erde.
Verwendung
Rhamnus cathartica ist im Garten vor allem als Hecke interessant, die einen guten Sichtschutz bietet und zudem als früchtelieferndes Vogelnährgehölz wertvoll ist. Nicht wundern, wenn unter dem Kreuzdorn wenig wächst. Die sich zersetzenden Blätter und Früchte hemmen die Keimung anderer Pflanzen und sorgen so für wenig Unterwuchs. Als Bepflanzung für Grünstreifen zwischen Äckern und Feldern erfreut er sich inzwischen wieder wachsender Beliebtheit, nicht zuletzt wegen seines hohen ökologischen Wertes.
Schädlinge
Schädlinge und Krankheiten wird man beim Purgier-Kreuzdorn fast nie finden – die Pflanzen gelten als ausgesprochen robust und widerstandsfähig. Dafür sorgen auch die für die meisten Tiere wie auch den Menschen giftigen Inhaltsstoffe, die auch Krankheitserreger wie Bakterien und Pilze äußerst effektiv fernhalten.
Ökologie
Futter für Fliegen und Schmetterlingsraupen
So unauffällig die gelbgrünen Blüten auch sind, für Insekten sind sie eine Sensation. Hier kommen mal ausnahmsweise nicht nur langrüsselige Bienen und Schmetterlinge, sondern Tiere mit kurzem Rüssel wie Fliegen, Käfer und Schwebfliegen auf ihre Kosten, die sich am freiliegenden Nektar gütlich tun und als Hauptbestäuber gelten.
Als Raupenfutter dient der Purgier-Kreuzdorn zwölf Schmetterlingen wie dem Zitronenfalter, Kreuzdorn-Zipfelfalter und Kreuzdornspanner. Beim Zitronenfalter stand die Vorliebe für Rhamnus-Arten Pate beim lateinischen Namen: Gonepteryx rhamni. Der zu den Bläulingen gehörende Kreuzdornzipfelfalter Satyrium spini ist auf Kreuzdorngewächse und vor allem auf den Purgier-Kreuzdorn als Futterpflanze angewiesen. Ähnliches gilt auch für den Kleinen Kreuzdornspanner Philereme vetulata und den Großen Kreuzdornspanner Philereme transversata, wobei der Letztere auch mit Schlehe vorlieb nimmt.
Kreuzdorn als Vogelschutzgehölz und Vogelnährgehölz
Die Verbreitung der Samen übernehmen vor allem Vögel, die diese komplett verschlucken und ihre Steinkerne unbeschadet und weit entfernt von der Mutterpflanze wieder ausscheiden. Nicht von ungefähr heißen die schwarzvioletten Früchte vielerorts Amselbeeren. Ihnen machen die den Zweibeinern unbekömmlichen Inhaltsstoffe nichts aus, ähnlich wie einigen Mäusen und anderen Kleinsäugern. Die lange am Strauch bleibenden Beeren machen ihn zu einem guten Vogelnährgehölz; die grünen Beeren verschmähen die Tiere wohlweislich, denn hier ist der Giftstoffgehalt besonders hoch. Zudem nutzen die gefiederten Gesellen das dornige Gestrüpp zum Nisten und Verstecken, denn die wenigsten Beutegreifer möchten mit den spitzen Dornen Bekanntschaft machen.
Purgier-Kreuzdorn als invasive Art in Nordamerika
Seine Widerstandsfähigkeit sorgt dafür, dass sich der Kreuzdorn auch in fremden Gebieten gut behaupten kann. In den USA und Teilen Kanadas gilt er als invasive Art; zudem macht er sich dort als Zwischenwirt der als Ernteschädling berüchtigten Sojabohnenblattlaus Aphis glycines Matsumara unbeliebt. Zudem schädigen die Kreuzdorne die einheimische Flora: Ihr Laub ist reich an Stickstoff und schädigt mit seinen Inhaltsstoffen die dort heimischen Pilze im Boden, sodass die auf wenig Stickstoff und Pilzmyzel angewiesenen Pflanzen benachteiligt sind. Zudem bleiben die Samen lange keimfähig und lassen sich die renitenten Wurzeln selbst von Rodung und Brandrodung nicht beeindrucken. Noch nicht einmal das vieldiskutierte Glyphosat kann hier etwas ausrichten.
Kreuzdorn als Überträger von Hafer-Kronenrost
Apropos unbeliebt: Früher war es üblich, Kreuzdornbüsche in der Feldflur zwischen den Äckern zu pflanzen – nur nicht in der Nähe von Äckern mit Hafer, wo man sie stattdessen gezielt beseitigte. Der Grund: Rhamnus catharticus ist wie auch die Ölweide Zwischenwirt für den Hafer-Kronenrost Puccinia coronata avenae (Puccinia coronifera). Was beim Kreuzdorn als halbwegs harmlose Infektion verläuft verursacht auf den Blättern verschiedener Süßgräser und vor allem Hafer krönchenförmig-pustelige gelbe bis braune Sporenlager, die im Winter von einem schwarzen Kranz umgeben sind. Vor der Einführung weitgehend resistenter „rostfreier“ Hafersorten haben Epidemien mit Kronenrost zeitweise zu weltweiten Ernteausfällen von 10-40 % geführt. Der Pilz gilt als die schädlichste und am weitesten verbreitete Krankheit von Hafer.
Wissenswertes
Die Rhamnus, nicht der Rhamnus
Nicht über den lateinischen Namen wundern: Auch Carl von Linné ist der Endung -us aufgesessen und benannte den Purgier-Kreuzdorn in seiner Erstbeschreibung als Rhamnus catharticus. Irrtum: Wie domus, manus, tribus ist auch rhamnus weiblich, daher korrigierte man die Bezeichnung später zu Rhamnus cathartica.
Schissbeeren: Purgier-Kreuzdorn als altbewährtes Abführmittel
Der Purgier-Kreuzdorn ist eine alte Heilpflanze, die man seit Menschengedenken als Abführmittel und Brechmittel verwendet. Das gilt vor allem für die Früchte, die man noch heute in der Apotheke unter der Bezeichnung Fructus Rhamni carthaticae bekommt und die im Volksmund auch unter Schissbeeren laufen. Fructus Rhamni cathartici ist ein verbreiteter Rechtschreibfehler - siehe oben.
Ähnlich wirkt die Rinde; beide enthalten als pharmakologisch wirksame Substanzen Anthraglykoside wie Emodin, das in geringerer Konzentration auch in Japanischer Staudenknöterich Fallopia japonica und Handlappiger Rhabarber Rheum palmatum vorkommt. Daher auch der Name: cathartica kommt vom griechischen katharein, reinigen, ebenso wie man mit Purgativum ein starkes Mittel zur Darmentleerung bezeichnet.
Gelbbeeren: Kreuzdorn als Färbepflanze und im Kopierpapier
Zum Färben von Wolle, Baumwolle und Leder nutzte man früher die Kreuzdornbeeren oder Gelbbeeren. Sie enthalten das Flavonoid Rhamnetin, das in Verbindung mit Metallsalzen einen lichtbeständigen und wasserunlöslichen Farbstoff abgibt. Je nach Beize lassen sich damit gelbe, orange, rotbraune oder grüne Farbtöne erzielen. Kein Wunder, dass ein weit verbreiteter Trivialname von Rhamnus cathartica bis heute Färbedorn lautet. Rhamnetin ist übrigens auch Bestandteil der Entwicklerschicht von druckempfindlichem Kopierpapier.
Schüttgelb, Saftgrün und Kreuzbeerkarmin: Kreuzdornbeeren in der Malerei
Auch in der Malerei nutzte man die Kreuzdornbeeren zur Herstellung von wasserlöslichen Pigmenten. Je nach Reifegrad und mit Zusätzen von Alaun, Soda und/oder Pottasche lässt sich ein gelber (Schüttgelb), grüner (Saftgrün) oder karminroter (Kreuzbeerkarmin) Farbstoff gewinnen.
Kreuzdornholz zum Drechseln und im Möbelbau
Das Kreuzdornholz ist hart, schwer und dauerhaft; es lässt sich nur schwer spalten, aber gut bearbeiten. Sein Kern ist rötlich gelb, der dünne Splint gräulich gelb. Wegen seiner schönen und feinen Maserung verwendete man es früher vor allem für Möbel, insbesondere für Furniere, Intarsien und Drechselarbeiten. Heute ist es sehr selten geworden und kaum noch in Gebrauch.