Was ist Zimbelkraut?
Das fragil anmutende Zimbelkraut macht seiner anderen Bezeichnung Mauerblümchen alle Ehre: In der freien Wildbahn findet man das zarte Kraut vor allem an Felsen, Mauern und anderen steinigen Stellen, wo es mit seinem Wurzelwerk die Ritzen erobert. Daraus wird mit der Zeit oft ein regelrechter Teppich – ein immergrüner Bodendecker par excellence, nur in der Vertikalen.
Es besteht aus fadenförmigen kahlen Stängeln, die eine Länge von über einem halben Meter erreichen und kleine herzförmig 5-7-lappige Blätter tragen. Je nach Sonne sind sie auf der Unterseite oft violett gefärbt.
Die schattiert violetten Blüten des Zimbelkrauts sehen aus wie Miniaturausgaben des Löwenmäulchens; sie sind klein, aber auffällig, denn sie tragen zwei gelbe Flecken auf ihrer Unterlippe. Sie imitieren Staubbeutel und sollen Bestäuber anlocken.
Raffiniert ist die Taktik des Zimbelkrauts, um in Mauern in höhere Regionen zu kommen: Nach der Bestäubung wachsen die Stiele der jungen Früchte in die Höhe und wenden sich dem Licht ab. So finden die Samen der aufplatzenden Kapseln auf jeden Fall eine Stelle mit Erde zum Keimen und erobert neue Lebensräume, in der die wuchsstärkere Konkurrenz nicht mithalten kann.
Zimbelkraut im Garten
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Standort
Zimbelkraut mag Wärme und Steine. In der freien Wildbahn wächst es am liebsten an steinigen Stellen wie Felsen; dementsprechend kannst Du es auch im Garten an Mauern einsetzen. Frei ausgepflanzt ist es nur schwach konkurrenzfähig und wird schnell von wüchsigeren Pflanzen überwuchert.
Übrigens musst Du nicht befürchten, dass Dir das Zimbelkraut Deine schöne Hauswand oder die Trockenmauer irgendwann zerlegt: Seine Wurzeln sind ganz zahm und bleiben in den Fugen, ohne die Steine zu schädigen.
Zu trocken sollte die Mauer nicht sein, und Halbschatten oder Sonne mag das Zimbelkraut allemal lieber als Schatten. Düngen ist eigentlich nicht unbedingt erforderlich, aber an besonders nährstoffarmen Stellen wird es dankbar angenommen.
In Topf, Kasten und Kübel braucht das Zimbelkraut keine Konkurrenz zu fürchten. Daher kannst Du es auch gut auf Balkon oder Terrasse halten, etwa in flachen Schalen, die der Flachwurzler schnell besiedelt.
Vermehrung
Hast Du es erst einmal im Garten angesiedelt, so brauchst Du Dich eigentlich kaum noch darum zu kümmern, denn es sorgt für reichlich Selbstaussaat und ergreift schnell Besitz von Mauern oder Hauswänden.
Vorsicht beim Zimbelkraut pflanzen: Die kleinen Kletterkünstler sind äußerst fragil und die Stängel und Blätter brechen leicht.
Ökologie
Zimbelkraut ist autogam oder wird von Insekten bestäubt. Neben Schwebfliegen und Honigbienen interessieren sich sechs Arten von Wildbienen für die kleinen Blüten: drei Schmalbienen (Lasioglossum spec), zwei Blattschneiderbienen (Megachile spec.) und die Wald-Lockensandbiene (Andrena fucata). Letztere ist in vielen Regionen Deutschlands noch recht häufig und baut ihre Bodennester in der Nähe von Gehölzen wie Lichtungen und Heckensäumen; dagegen ist die Holz-Blattschneiderbiene (Megachile ligniseca) stark gefährdet. Das liegt vor allem am Rückgang von Totholz in unseren Wäldern, das sie zum Nestbau benötigt. Ihre Nisthöhlen tapeziert sie, wie der Name bereits andeutet, mit Blattstücken verschiedener Pflanzen. Zimbelkraut teilt seine Vorliebe für Mauerfugen mit vielen Wildbienen, die dort in den Ritzen ihre Nester anlegen.
Besonders konkurrenzstark ist das zarte Zimbelkraut nicht; dessen ungeachtet erobert es schnell Lebensräume, in denen die Konkurrenz nicht mithalten kann. Dementsprechend findet es sich mittlerweile weltweit in vielen Ländern, auch in Nordamerika, Australien und Neuseeland. Als invasiv gilt der kleine Neophyt dort allerdings nicht.
Wissenswertes
Früher zählte man das Mauerblümchen zu den Braunwurzgewächsen (Scrophulariaceae), aber nach molekulargenetischen Untersuchungen führt man es heute als Wegerichgewächs (Plantaginaceae).
Ursprünglich kommt das Zimbelkraut aus der Mittelmeerregion, wurde aber bereits frühzeitig nach Mitteleuropa importiert. Das dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass es eine alte Heilpflanze ist und die mittelalterlichen Klostergärten zu seiner Verbreitung beigetragen haben. Die Kräuterbücher jener Zeit befassen sich ausgiebig mit seiner Heilwirkung, darunter Lonicerus und Matthiolus. Es enthält Iridoide, die man sich bei Wundheilung, Entzündungen und Frauenleiden zunutze machte. Heute spielt das Mauerblümchen in der Naturheilkunde keine Rolle mehr.
Die Blätter und Blüten sind übrigens auch essbar und machen sich gut als Dekoration, in Pesto, Salaten oder Kräuterquark. Sie enthalten viel Vitamin C und schmecken leicht bitterlich.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner