Was ist Weber-Karde?
Weber-Karde oder Kardendistel (Dipsacus sativus) nennt man eine alte Kulturpflanze, die früher bei der Tuchweberei eine wichtige Rolle spielte. Sie gehört zur Familie der Geißblattgewächse (Caprifoliaceae). Im Gegensatz zur verbreiteten Wilden Karde findet man sie nur höchst selten und beständig in Beifuß-reichen Unkrautfluren und frischen Ruderalstellen von Wiesen, Weiden, Wald- und Wegrändern.
Die zweijährigen krautigen Pflanzen erreichen eine Wuchshöhe von bis zu eineinhalb Meter und entspringen einer kräftigen rübenförmigen Wurzel. Alle oberirdischen Teile sind stachelig bewehrt wie bei einer Distel; so auch die kräftigen gefurchten aufrechten Stängel, die sich vor allem zur Spitze hin verzweigen. Die meisten der gegenständigen lanzettlichen Blätter stehen in einer grundständigen Rosette; hier sind sie kaum gestielt, mit einer kräftigen Mittelrippe und einem gezähnten Rand; weiter oben am Stängel werden sie zusehends kleiner und sind am Grund breit miteinander verwachsen.
Am Ende der Triebe erscheinen die typischen walzenförmigen, bis zu zehn Zentimeter langen ährigen Blütenstände, die an ihrem Grund bei dieser Art von unterschiedlich langen, gerade waagrecht abstehenden Hüllblättern umgeben sind. Die Spreublätter am Köpfchenboden weisen eine charakteristisch zurückgekrümmte Spitze auf, sie sind steif und kürzer als die Blüten selbst. Diese sind schwach zygomorph und zwittrig, ihre vier ungleichen hellvioletten Kronblätter sind zu einer langen Röhre verwachsen. Ihre Staubbeutel ragen ebenso wie die einzelne Narbe weit aus den Blüten heraus, sie sind ganzrandig oder eingeschnitten gekerbt. Die Blüten öffnen sich zunächst gürtelförmig in der Mitte der Walzen, dann blühen sie der Reihe nach in einem aufsteigenden und einem absteigenden Ring weiter. Als Früchte werden 4-6 Millimeter große hautrandige Achänen gebildet.
Weber-Karde im Garten
Standort
Am wohlsten fühlt sich die Weber-Karde auf einem frisch-feuchten, nährstoff- und basenreichen humosen und lockeren Ton- oder Lehmboden mit reichlich Sonne. Sie kommt allerdings auch mit deutlich weniger zurecht und übersteht auf trockenen und sandigen Böden ebenso wie auf feuchten und schweren. Sie wächst schnell und breitet sich rasch aus, sodass man sie gegebenenfalls im Zaum halten muss.
Schnitt
Schneiden wird man die Weber-Karde üblicherweise erst zur Ernte, wenn man sie in Trockengestecken verwenden möchte. Lässt man sie über Winter stehen, bietet sie Vögeln eine wichtige Nahrungsgrundlage. Will man sie in ihrem Ausbreitungsdrang beschränken, sollte man die Köpfe vor der Selbstaussaat entfernen.
Vermehrung
Die Vermehrung der Weber-Karde ist mit Samen leicht möglich. Man kann sie auch selber aus den Walzen ernten und im Herbst an Ort und Stelle im Garten aussäen. Ansonsten sorgt sie auch fleißig für Selbstaussaat, nicht zuletzt mit Hilfe gefiederter Interessenten. Die Samen sind sehr robust und bleiben mindestens fünf Jahre keimfähig.
Verwendung
Weber-Karde eignet sich für hohe Staudenbeete und Rabatten und macht auch im Bauern- oder Apothekergarten eine gute Figur. Die getrockneten Pflanzen sind begehrte und lange haltbare Trockenblumen.
Schädlinge
Schädlinge sind bei der robusten Weber-Karde ebenso selten wie Krankheiten. Blattläuse finden sich vor allem an den frischen Trieben, Rostpilze oder Mehltau treten nur sporadisch auf.
Ökologie
Die Weber-Karde wird von zahlreichen Insekten umschwirrt, aber nur die mit besonders langen Rüsseln gelangen bis zum am Grund der Röhren verborgenen Nektar. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Hummeln und Schmetterlinge. Auch eine Selbstbestäubung ist möglich, führt aber nur zu geringem Samenansatz. Fünf Schmetterlingsarten nutzen den Nektar oder die Blätter als Raupenfutter, darunter der Kaisermantel (Argynnis paphia) und der Schachbrettfalter (Melanargia galathea).
Trotz der kleinen Blüten sind die Mengen an Pollen und Nektar erheblich; im gewerblichen Anbau liefert ein Hektar Weber-Karde bis zu 300 Kilo Honig und 250 Kilo Pollen.
Die Samen werden von Wind, Wasser und vorbeistreifenden Tieren verbreitet, welche die steifen Pflanzen in Bewegung bringen. Zudem bleiben die stacheligen Blütenstände klettenartig im Fell hängen. Einige Vögel, allen voran der Distelfink, sitzen im Herbst oft stundenlang auf den Pflanzen und picken geduldig die Samen heraus. Sie sind in Herbst und Winter eine wichtige Vogelnahrung.
Wissenswertes
Als Wildform nimmt man die Stachelkarde Dispsacus ferox an, die bei uns in Deutschland nicht vorkommt und aus dem nordwestlichen Mittelmeerraum stammt. Mit der weit verbreiteten Wilden Karde Dipsacus fullonum ist sie weitläufiger verwandt, ähnelt ihr aber trotzdem sehr. Das auch für Laien sicherste Unterscheidungsmerkmal sind die Spreublätter – bei der Weber-Karde sind diese zurückgebogen, was den Einsatz beim Kardieren nochmals verbesserte. Bei allen anderen der bei uns vorkommenden Karden sind sie stattdessen gerade und zudem nicht kürzer, sondern deutlich länger als die blauen Blüten. Ebenso charakteristisch sind die waagerecht abstehenden Hüllblätter, die bei anderen bogig aufsteigen.
Bisweilen ist die Weber-Karde noch unter ihrem alten Namen Dipsacus sativus oder deutsch Weberdistel erhältlich. Sie ist eine alte Nutzpflanze, die man schon in der Antike gezielt anbaute, denn die charakteristischen Köpfe dienten getrocknet als Kamm für das Auskämmen und Wolle und Leinen, das sogenannte Kardieren. Erst im 20. Jahrhundert wurden sie durch Metallkämme ersetzt.
Der Artname beinhaltet fullo, den Tuchwalker. Der botanische Gattungsname leitet sich vom lateinischen Durst ab, denn in den am Grunde verwachsenen Blättern bleibt nach Regen Wasser stehen, das Vögeln und Insekten als Tränke benutzen – eine Beobachtung, die bereits Dioskurides in der Antike beschrieb. Man vermutet, dass der eigentliche Sinn dieser Einrichtung sein soll, Blattläuse und andere flugunfähige Schädlinge vom Hochklettern abzuhalten. Eine wissenschaftliche Untersuchung konnte zeigen, dass tote Insekten in den Pfützen die Zahl der gebildeten Samen um etwa ein Drittel erhöhte – ganz geklärt ist der Zusammenhang allerdings noch nicht.
Diokurides ließ sich auch über die medizinische Wirkung aus. Die Weber-Karde enthält Iridoide, Flavonoide, Glykoside und Phenolsäuren. In der Volksheilkunde vor allem Russland verwendet man sie noch heute als Diuretikum, bei Hauterkrankungen, Gicht, Rheuma und Arthritis oder Lungenerkrankungen wie Tuberkulose. Relativ neu ist der Befund, dass sie auch bei chronischer Borreliose helfen soll; Extrakte wirken ähnlich bakterizid wie Amoxicillin.
Was mit der Weberei früh verbreitet wurde, entwickelte sich in Übersee häufig zu einer unwillkommenen invasiven Art. Kein Wunder: Eine einzelne Pflanze bildet 3-9 Blütenstände, oft auch mehr, und eine einzige Walze enthält im Schnitt 700-800 Samen. Abgesehen von der Fortpflanzungsfähigkeit halten die dichten Blattrosetten kleine Konkurrenten von der Sonne ab und lassen sie eingehen; ähnliches gilt für die vertrockneten oberirdischen Teile, die oft jahrelang stehenbleiben können.
Was sind einjährige Pflanzen?
Einjährige Pflanzen keimen, wachsen und blühen innerhalb eines Jahres. Durch Versamen können sie sich erhalten und wieder am selben Standort erscheinen. Manche „wandern“ so durch den Garten und erfreuen uns an immer neuen Standorten.
Markus Wichert
Naturgärtner