Was ist Hirschzungenfarn?
Der Hirschzungenfarn (Asplenium scolopendrium), oft auch einfach Hirschzunge genannt, ist ein trichterförmige Horste bildender Farn mit ungefiederten, glänzend dunkelgrünen Wedeln, die auch im Winter erhalten bleiben. Er wächst in Europa, Vorderasien und Japan sowie im östlichen Nordamerika in schattigen Wäldern, Schluchtwäldern, Felsformationen und Mauern mit hoher Luftfeuchtigkeit bis auf eine Höhe von 1800 Metern. Die Gattung gehört zur Familie der Streifenfarne (Aspleniaceae).
Hirschzungenfarn ist unser einziger heimischer Farn, bei dem die Blätter nicht gefiedert sind. Der deutsche Name verrät, dass sie ein riemenförmig-zungenartiges Aussehen haben; ihr Grund geht herzförmig in den braunen behaarten, am Grund mit Schuppen besetzten Stiel über. Sie stehen aufrecht und hängen an den Enden über, ausgehend von einem kräftigen aufrechten oder kurz kriechenden Rhizom; sie sind glänzend und ledrig, werden bis zu 40 Zentimeter lang und bilden ein Nest, das an einen umgedrehten Federball erinnert. Die im Frühjahr neu gebildeten Wedel sind einige Zeit deutlich heller grün als die alten.
Im Sommer erkennt man auf der Unterseite die charakteristischen Fischgrätenmuster aus schräg zur Mittelrippe stehenden streifenförmigen Sporenhaufen, die die Verwandtschaft mit den sonst meist deutlich anders aussehenden Streifenfarnen offenbaren. Ihre Farbe ist gelbbraun bis rotbraun. Anfangs werden sie beiderseits von einem Schleier (Indusium) geschützt, der aber bald abfällt.
Hirschzungenfarn im Garten
Der beste Standort für Hirschzungenfarn
Kühl, schattig und schön feucht, wie es Farne lieben: Da macht auch der Hirschzungenfarn keine Ausnahme. Er bevorzugt einen humusreichen lockeren und durchlässigen Boden, gerne kalkhaltig und mäßig nährstoffreich, der aber auch leicht sauer ausfallen darf und schattig bis halbschattig und vor allem luftfeucht sein sollte. Der Standort sollte etwas windgeschützt bleiben, vor allem weil die Hirschzunge im Winter scharfe austrocknende Winde an sonnigen Tagen nicht mag – die sorgen für reichlich Austrocknung. Staunässe ist schnell tödlich. Als heimische Farnart ist der Hirschzungenfarn vollkommen winterhart – bis zu -28 °C sind für ihn kein Problem.
Unter Glas wie im Gewächshaus oder im Wintergarten kannst Du ihm eine spezielle Erde aus Lehm, Mulch und Holzkohle geben; die hält die Feuchtigkeit besonders gut und sorgt für eine ausreichende Nährstoffzufuhr. Auch im Gewächshaus sollte der Hirschzungenfarn niemals direkt in der Sonne stehen und ausreichend Luftfeuchtigkeit bekommen.
Hirschzungenfarn pflegen und schneiden
Auch wenn der Hirschzungenfarn wintergrün ist sterben doch gerade in der kalten Jahreszeit etliche Blätter ab. Die solltest Du im Frühjahr entfernen und damit neuen Wedeln Platz schaffen.
Je nach Standort können die Pflanzen im Herbst plötzlich in der Sonne stehen, wenn umstehende Bäume und Sträucher ihr Laub verloren haben. Die Wintersonne kann durchaus heftig werden; Dein Hirschzungenfarn wird es Dir danken, wenn Du ihn dann sicherheitshalber beschattest, etwa indem Du einige Koniferenzweige direkt um ihn herum in die Erde steckst.
Andere Möglichkeit zum Schutz vor Wintersonne: Im Herbst anfallendes Laub locker darüberschichten und mit Reisig beschweren, damit es nicht beim ersten Windhauch davonfliegt. Das hat den Vorteil, dass die verrottenden Blätter für zusätzliche Nährstoffe sorgen.
Was das Hirschzungenfarn düngen angeht, so nimmt er im Frühling auch gerne etwas gut abgehangenen Kompost entgegen.
Vermehrung
Hirschzungenfarn mit Sporen vermehren
Prinzipiell kannst Du den Farn auch aus Sporen ziehen – das ist aber eine ausgesprochen mühselige und langwierige Angelegenheit. Zudem weiß man bei den Sorten nicht, was einen da erwartet; die charakteristischen Eigenschaften bleiben bei dieser Vermehrung in aller Regel nicht erhalten. Etliche davon bilden erst gar keine Sporen, sodass dieser Weg ohnehin ausscheidet. Ansonsten werden die Sporen zwischen Juli bis September reif und benötigen für ihre Keimung rund einen Monat.
Hirschzungenfarn kaufen
Wesentlich schneller geht das mit Hirschzungenfarn kaufen und an die vorgesehene Stelle setzen; so um die zehn Exemplare pro Quadratmeter solltest Du hierfür einplanen.
Hirschzungenfarn mit Rhizomstecklingen vermehren
Hast Du bereits welchen im Garten, so kannst Du Dich an Stecklingen versuchen. Die richtig zu gewinnen ist eigentlich gar nicht so kompliziert:
- Grabe einen Farn aus und reinige ihn gründlich von aller Erde.
- Dann erkennst Du die Reste alter Wedel als kleine Verdickungen am Rhizom.
- Breche die vorsichtig nach unten ab und bewurzele sie in leicht feuchtem Sand, der nie austrocknen sollte, am besten unter Glas, damit die Luftfeuchtigkeit hoch bleibt.
- Achtung: Die Bruchstellen sollten dabei nach oben zeigen und am besten bündig mit der Sandoberfläche abschließen.
PS: Den Rest des Rhizoms musst Du natürlich wieder eingraben.
Hirschzungenfarn mit Blattstecklingen vermehren
Blattstecklinge sind noch etwas einfacher. Die Vorgehensweise klingt brutal:
- Einfach einen Wedel direkt am Rhizom abbrechen und die Spreite mit dem größten Teil des Stiels abschneiden.
- Den kümmerlichen Rest wie beschrieben in feuchtem Sand und unter Glas wurzeln lassen; an der Bruchstelle bilden sich nach einer Weile neue Pflanzen.
- Etwas Geduld ist dabei gefragt: Zwei oder drei Monate wird es dauern, bis Du die Jungfarne pikieren und in Töpfen weiterziehen kannst.
Warum nimmt man nur den Stiel? Weil der ganze Wedel mit seiner großen Oberfläche viel zu schnell austrocknen würde…
Verwendung
Als Unterwuchs für Gehölzgruppen ist der Hirschzungenfarn geradezu unschlagbar. Seine glänzenden Blätter kommen vor dem dunklen Hintergrund von blühenden Sträuchern wie Rhododendron, Blut-Johannisbeere, Zaubernuss oder Scheinhasel wunderbar zur Geltung und unterstreicht deren Blütenpracht. Im Steingarten eignet er sich vor allem für schattige und steinige Mauern; besonders malerisch wirkt er neben Findlingen oder Baumstümpfen. Auf Balkon und Terrasse lässt er sich als Kübelpflanze halten, oder auch im Haus als Topfpflanze.
Schädlinge
Eigentlich ist der Hirschzungenfarn ein Überlebenskünstler, dem Schädlinge und Krankheiten selten etwas anhaben können. Ungünstiger Standort, zu viel Wasser oder ein nasser kalter Winter können ihn so schwächen, dass er Rostpilze an den Blättern bekommt oder Schildläuse auftreten.
Ökologie
Nährstoffsammelnde Nester
Der Hirschzungenfarn steht an seinen natürlichen Standorten oft an felsigen Stellen mit wenig Nährstoffen. Nur hier hat er eine Chance gegenüber konkurrenzstärkeren Nachbarn, die ihn schnell überwuchern würden. Damit das Futter nicht zu knapp wird sammelt er mit den charakteristischen Nestern aus Wedeln organisches Material auf, das verrottet und ihn zusätzlich versorgt. So hält er sich selbst an steilen Mauern oder sogar in gemauerten Brunnenschächten.
Bienen, Schmetterlinge & Co. finden hier mangels Blüten natürlich weder Pollen noch Nektar. Trotzdem ist der Hirschzungenfarn eine ökologisch wichtige Pflanze, die steinige und humusarme Stellen besiedelt.
Wissenswertes
Eine große Familie, Synonyme und Naturschutz
Der Hirschzungenfarn ist nur einer der über 700 Vertreter der Gattung Asplenium, die weltweit mit Ausnahme der Antarktis vorkommen. In der botanischen Taxonomie hatte der Hirschzungenfarn schon viele Namen; dementsprechend findet man ihn im Gartenhandel häufig auch unter den Bezeichnungen Phyllitis scolopendrium, Scolopendrium vulgare oder Scolopendrium officinarum. In Deutschland steht er auf der Roten Liste und darf wie alle unter Naturschutz stehenden Pflanzen an seinen natürlichen Standorten nicht ausgegraben werden.
Rekordverdächtig viele Sorten
Bei den Farnen dürfte der Hirschzungenfarn der Rekordhalter in Sachen Sorten sein – bereits Ende des 20. Jahrhunderts waren über 400 Sorten verzeichnet. Dabei handelt es sich sowohl um weitergeführte Wildfunde als auch die Ergebnisse züchterischer Bemühungen. Der besseren Übersicht halber unterteilt man diese meistens in Gruppen:
- Angustifolium-Gruppe (Schmale Hirschzungenfarne) mit schmäleren Zungen als bei der Wildart
- Cristatum-Gruppe (Hahnenkamm-Hirschzungenfarne) mit kürzeren Wedeln, bei denen sich die vordere Hälfte in einen Fächer aus Lappen aufteilt
- Marginatum-Gruppe (Doppelrand-Hirschzungenfarne) mit nach unten umgeschlagenen, verdickten und/oder unregelmäßig gezähnten Rändern der Wedel
- Ramocristatum-Gruppe mit zahlreichen Rhizomen und an der Spitze gekräuselten Wedeln
- Ramomarginatum-Gruppe mit verzweigten Wedeln mit gezähntem unregelmäßigem Rand
Hirschzungenfarn als Heilpflanze
Als Heilpflanze ist die Hirschzunge in der modernen Naturheilkunde nicht mehr gebräuchlich – ganz im Gegensatz zu Antike und Mittelalter. Bei den antiken Autoren wie Dioskurides, Galen und Plinius d.Ä. streitet man noch über die Zuordnungen von phyllitis, asplenion oder skolopendrion zu dieser Art. Weniger Zweifel gibt es bei den mittelalterlichen Autoren, die Hirschzunge nach der Signaturenlehre wegen ihrer milzähnlichen Form für Erkrankungen der Milz verwendeten. Im englischen Sprachraum heißt sie noch heute spleenworts.
Hildegard von Bingen beschreibt die hirtszunge als hilfreich bei Erkrankungen der Atemwege und des Magen-Darm-Traktes. Dazu empfahl sie die Blätter in Wein gekocht mit Honig, Zimt und Pfeffer als heilsam für Lunge und Leber. Gegen Brust- oder Kopfschmerzen sollte auf heißen Ziegelsteinen getrocknete und pulverisierte Hirschzunge helfen.
In der Volksheilkunde verwendete man die Hirschzunge bis in neuere Zeit als Tee gegen Durchfall und Darmentzündungen, als Gurgellösung gegen Entzündungen im Mundraum. Die Blätter enthalten Gerbstoffe, die schleimlösend, adstringierend und harntreibend wirken und die Wundheilung fördern.
Die Homöopathie nutzt Scolopendrium-Globuli gegen Tuberkulose, Malaria und übermäßiges Schwitzen.