Was ist Alpen-Aurikel?
Die natürlichen Vorkommen der mehrjährigen und immergrünen Alpen-Aurikel beschränken sich nicht allein auf die Alpen, man findet sie auch auf teils senkrechten Klippen, Felshängen und Felsrasen auf den gerölligen Kalk- und Grundgesteinen des Jura, in Schwarzwald und Vogesen sowie in den Karpaten. In den Alpen steigt die Schlüsselblume bis in eine Höhe von 2600 Meter.
Unterirdisch verfügt das Mitglied aus der Familie der Schlüsselblumengewächse (Primulaceae) über eine kräftige Pfahlwurzel und ein weitverzweigtes Rhizom, mit dem es den Winter überdauert und in seiner Umgebung ausbreitet. Darüber erhebt sich eine bodennahe Rosette aus 6-12 Zentimeter langen, verkehrt-eiförmigen bis spatelförmigen Blättern; diese sind hellgrün bis hell graugün, auf der glänzenden Oberseite dunkler als auf der matten Unterseite, oftmals weiß bemehlt und ledrig bis fleischig mit einem glatten knorpeligen Rand.
Die duftenden gelben, 15-30 Millimeter großen Blüten erscheinen an blattlosen Stängeln, an deren Enden sie mit 2-30 Exemplaren bis zu 20 Zentimeter große büschelige Dolden bilden; mit ihnen erreichen die Pflanzen eine Höhe von etwa 25 Zentimetern, was sie zu den größten Schlüsselblumen der Alpenregion macht. Die Kronblätter sind unten zu einer etwa einen Zentimeter langen Röhre verwachsen und an der Spitze abgerundet. Nach der Bestäubung entwickeln sich kugelige Kapseln, die sich in der Reife an der Spitze mit 5-10 Zähnen öffnen und die zahlreichen dunkelbraunen Samen entlassen.
Alpen-Aurikel im Garten

Quelle: Michaela Pilch/shutterstock.com
Standort
Im Garten braucht die Alpen-Aurikel einen gut durchlässigen, kalkhaltigen und eher nährstoffarmen lehmigen Boden, der möglichst kühl bleiben sollte; zu viel sommerliche Wärme mag sie nicht. Ansonsten kann sie sowohl im Schatten, Halbschatten und in der Sonne stehen, solange die Füße halbwegs kalt bleiben. Der Boden sollte gleichmäßig feucht bleiben. Im Winter überdauern die bodennahen Blattknospen und das unterirdische Rhizom; Temperaturen bis zu -40 °C sind für den Alpenbewohner kein Problem.
Schnitt
Zu schneiden brauchst Du die Alpen-Aurikel nicht, die verwelkten Blätter vergehen bei Wind und Wetter recht schnell – es sei denn, sie stören Dich aus ästhetischen Gründen. An Ort und Stelle belassen sorgen sie dort für etwas Düngung, oder sie lassen sich zum Mulchen oder für den Kompost einsetzen.
Bei empfindlichen Personen kann die Alpen-Aurikel eine Hautentzündung hervorrufen; im Zweifelsfalle solltest Du daher beim Hantieren mit den Pflanzen Handschuhe tragen.
Vermehrung
Die Vermehrung der Alpen-Aurikel erfolgt mit Samen oder durch Teilung; die sich mit der Zeit bildenden Tochterrosetten kannst Du vorsichtig abtrennen und verpflanzen. Bei der Aussaat musst Du beachten, dass sie Lichtkeimer und Kältekeimer sind; also am besten gleich nach der Reife im Herbst an Ort und Stelle und nicht zu tief im Boden eingraben.
Verwendung
Der Gebirgsbewohner akklimatisiert sich leicht an die Bedingungen im Garten und lässt sich dort vielfältig einsetzen, außer in der prallen Sonne. Am häufigsten wird die Alpen-Aurikel im Steingarten gepflanzt. Steinige Stellen wie Trockenmauern sind ihr ebenso willkommen.
Schädlinge
Die Alpen-Aurikel ist als Alpenpflanzen hart im Nehmen, und Krankheiten oder Schädlinge können ihr selten etwas anhaben. Viel öfter kämpft sie ungeachtet ihrer Robustheit und Anspruchslosigkeit eher mit Fehlern bei der Pflege, vor allem mit zu trockenen verdichteten Böden und zu gut gemeintem Düngen.
Ökologie
- An den Rändern der Blätter sitzen spezielle Drüsen, mit denen die Pflanzen überschüssiges Wasser und Salze wie Kalk ausscheiden können.
- Die dicke Wachsschicht hilft beim Wasser sparen und reduziert die Verdunstung.
- Die duftenden gelben Blüten locken eine Vielzahl von Bestäubern an, vor allem Bienen, Hummeln und zahlreiche Schmetterlinge, darunter sowohl Tagfalter wie der Zitronenfalter (Gymnopterix rhamni) und viele Nachtfalter.
- Apropos Nachtfalter: Der Primel-Kapselspanner (Perizoma incultaria) nutzt das Kraut als Raupenfutter.
- Den Pollen holen sich auch drei Wildbienen: Frühlings-Pelzbiene Anthophora plumipes und Gewöhnliche Schmalbiene Lasioglossum calceatum gehören dabei zu den noch recht häufig anzutreffenden Arten, während die Alpenhummel Bombus alpinus inzwischen wegen des Rückgangs ihrer natürlichen Lebensräume in Deutschland als ausgestorben, andernorts als stark gefährdet gilt – im Norden der skandinavischen Länder ist sie inzwischen deutlich häufiger als in der Alpenregion.
- Für die Verbreitung der Samen sorgen Wind und Regen.
Wissenswertes
- Diese Art bildet leicht Hybriden mit der Behaarten Primel (Primula hirsuta).
- Im Primelwahn: Ab dem 16. Jahrhundert erfreute sich die Alpen-Aurikel bei Sammlern, Gärtnern und Züchtern einer Beliebtheit, die an die Tulipomanie erinnert; seinerzeit wurden über 1000 Sorten und Hybriden aufgelistet.
- Primula auricula ziert die Vorderseite der österreichischen 5 Cent-Münze.
- Als Heilpflanze war die Alpen-Aurikel bereits in der Antike bekannt; schon Dioskurides empfahl eine Pflanze gegen Frostbeulen und Abzesse, die man heute als Primula auricula
- Die größte Rolle als Medizinalkraut spielte die Alpen-Aurikel in der traditionellen Volksheilkunde der Alpenländer eine Rolle; heute wird sie in der modernen Naturheilkunde und Phytotherapie kaum mehr verwendet.
- Als Inhaltsstoffe zu nennen sind ätherische Öle, Saponine, Flavonoide und Kampfer, in den Wurzeln zudem Zucker.
- Die biologisch aktiven Substanzen wirken schmerzstillend, hustenlindernd, antibakteriell und entzündungshemmend.
- In großen Mengen gelten sie als giftig – die Dosis macht’s, dass ein Ding ein Gift sei.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner