Hallo zusammen, mein Name ist Uschi, ich bin inzwischen 67 Jahre alt und damit Rentnerin. Verdientermaßen, wie ich meine, denn ich habe 30 Jahre lang eine Bioland-Gemüsegärtnerei in Kürten, im Bergischen Land, geführt und da galt die 100-Stunden-Woche - nie Wochenende, nie Feiertag, schon gar keinen Urlaub. Mein Leben war dem Betrieb untergeordnet, denn Arbeit gab es zu Hauf und keinen Platz für andere Dinge.
In den letzten Jahren fand ich noch nicht einmal mehr Zeit zum Gärtnern. Wenn ich aus dem Fenster schaute, sah ich die Mitarbeiter draußen wirken, während ich am Computer saß, denn die Organisation des Betriebes lag in meinen Händen. Die Verkaufstage, die Planung samt dem Packen der Abo-Kisten und deren Auslieferung, entsprechend die Erntearbeiten für die Vermarktung und natürlich dauernd Telefon und dazu das böse Wort: Steuer - immer alle Steuerunterlagen rechtzeitig einreichen.
Es war eine gute Zeit mit so vielen netten Kunden, aber es war auch Stress und nach 30 Jahren war der Akku leer.
So wurde die Gärtnerei verkauft und ich zog mit meinem Mann und all unseren Tieren um in die schöne Eifel. Ein kleiner alter Bauernhof war unser neues Domizil.
Mein Mann übernahm die Kernsanierung des Hauses und ich die Kernsanierung des Gartens. Auf 2500 qm Fläche gab es fast ausschließlich Rasen, der bis dato mit einem Rasentraktor gemäht wurde. Inzwischen ist das Haus fast fertig und aus der Rasenfläche wurde ein Naturgarten, der zu einem kleinen Paradies geworden ist für die verschiedensten Tiere.
Für unsere Kühe, Schafe und Ziegen konnten wir anfangs eine kleinere Wiese kaufen und etliche andere Flächen dazu pachten. Unsere Tiere liebten unsere Weiden, die mit Blumen und Kräutern bewachsen waren und alles war gut, bis, ja, bis mein Mann eine Rücken-OP hatte und nichts mehr tragen durfte. Schweren Herzens gaben wir unsere Tiere in gute Hände ab, nur die Ziegen wollte niemand, weil Ziegen immer Unfug im Kopf haben und sehr gerne über Zäune springen. So leben sie immer noch bei uns und haben ebenso die Rente durch. Sie bleiben bei uns, bis ihre biologische Uhr abläuft.
Die Pachtflächen konnten wir zurückgeben, wobei wir eine Weide für unsere Ziegen behielten. Aber dann gab es noch die Wiese, die uns gehörte: 5200 qm. Erst einmal stellten wir sie dem Reiterhof des Dorfes zur Verfügung, damit die Pferde das Gras abweiden konnten. Aber ich wollte mit der Wiese etwas Sinnvolles anstellen.
Vor der Zeit der Gärtnerei war ich mit meinem damaligen Mann im VW Bus zwei Jahre lang durch Länder der so genannten Dritten Welt gereist, habe wunderschöne Natur erlebt und habe immer gedacht, dass man diese schöne Welt bewahren muss. Und nun sprach jeder vom Insektensterben. Ich wollte nicht länger darüber reden, ich wollte etwas dagegen unternehmen, etwas bewahren, und eine geeignete Fläche hatte ich. Also war klar: ich wollte ein Insektenbiotop anlegen und für die Tiere ein Refugium schaffen.
Vor vielen Jahren hatte ein Vorbesitzer eine Weihnachtsbaumkultur auf der Wiese angelegt und dann auch noch mit Blaufichten. In einer Ecke der Wiese standen etliche von ihnen, die damals Weihnachten verpasst hatten und groß geworden waren. Blaufichten mag ich gar nicht und so ließ ich direkt einige von ihnen fällen, um mit Holz und Reisig einen ersten Totholzzaun zu bauen und Sitzbänke aus den Stämmen zu schneiden. Mit den verbliebenen Fichten habe ich mich ausgesöhnt, denn ihre Stämme dienten dazu, Fledermauskästen aufzuhängen.
Aber das Wichtigste: an ihren Wurzeln wächst der Pilz Mykorrhiza, mit dem Orchideen in Symbiose leben und heute stellen sich immer mehr dieser besonderen Pflanzen auf meiner Fläche ein.
Gegen frei laufende Pferde, Hunde und Rehwild zäunten wir die Wiese ein, ich pflanzte eine Wildhecke und Apfel- und Birnenhochstämme, natürlich alte Sorten, ein erstes kleines Insektenhotel wurde aufgestellt und die Wildblumen durften wachsen. Gemäht wird nur einmal im Jahr, im September, mit einem Balkenmäher. Um die Wiese abzumagern, muss die Mahd zusammengeharkt und mit der Schubkarre auf die Komposthaufen gefahren werden, was ungefähr zwei Wochen Arbeit bedeutet. Danach weiß man, was man getan hat!
Mein Biotop wächst von Jahr zu Jahr. Mittlerweile habe ich etliche Totholzzäune, Holz- und Steinhaufen, eine Lehmmauer für die Lehmwespen, zwei Sandhaufen aus ungewaschenem Sand, der nicht rieselt, so dass viele Sandbienen ihre Nistgänge dorthinein anlegen.
Heute gibt es drei große Insektenhotels und meine gebohrten Hölzer, die Strangfalzziegel und Schilfröhrchen sind fast alle belegt. Jedes Jahr muss ich anbauen und nachlegen.
Da sich sehr schnell Waldeidechsen einfanden, habe ich ihnen eine Eidechsenburg gebaut, in der sie gut überwintern können und natürlich war Wasser ein Thema.
Die Lehmwespen beispielsweise tragen Wassertropfen zu ihren Lehmwänden und weichen den Lehm damit auf, um besser graben zu können, aber natürlich brauchen auch alle Insekten und sonstigen Tiere Wasser zum Trinken und ich habe mehrere kleine Wasserstellen errichtet. Auch wenn es nur Spießbütten und die ausrangierte Badewanne unserer Nachbarin waren, erfüllen sie ihren Zweck.
Letzten Sommer schenkte mir ein Freund das Geld für das Material zu einem Teichbau und nun können auch Molche, Frösche und Kröten einziehen und die Wasserfläche wird bereits von etlichen Libellen besucht.
Diesen Herbst möchte ich gerne eine Wildrosenhecke pflanzen und ein Käferkeller soll das Biotop ebenso bereichern wie ein Steinriegel.
Ich wollte anfangs ein Insektenbiotop errichten, aber je länger ich auf meiner Fläche arbeite, um so öfter muss ich erkennen, dass man nichts nur für die Insekten baut.
Insekten sind die Futtergrundlage für viele andere Tiere und so wohnen bei mir auch verschiedenste Vögel, nachts jagen die Fledermäuse über die Wiese, und unzählige Waldeidechsen und Blindschleichen huschen durch das hohe Gras.
Meine Eidechsenburg wurde anfangs von einem Wiesel bezogen.
Ich baue etwas, denke, das mache ich für dieses oder jenes Tier und dann wird es von ganz anderen Tieren besiedelt, als ich gedacht hatte. Man kann also gar nichts falsch machen, denn irgendein Tier nimmt immer an, was man anbietet.
So beobachte ich, dass aus dem angedachten Insektenbiotop ein Biotop geworden ist, denn der Kreislauf stellt sich wieder ein. Die vielen Ameisen dienen den Eidechsen als Lieblingsnahrung. Auf unserer angrenzenden Ziegenwiese haben wir bereits eine Schlingnatter gesehen. Ich vermute, dass die Schlingnattern bald auf dem Biotop leben werden, denn sie fressen am liebsten Eidechsen.
Hat sich eine Art angesiedelt, zieht das andere Arten nach sich, denn wo es ein Futterangebot gibt, sind die Jäger nicht fern. Aber die Insekten sind die Grundlage für dieses viele Leben.
Wir wollen - elementar - essen, trinken und wohnen.
Und genauso geht es den Insekten.
Sie brauchen den Nektar der Blüten als Energielieferant, also essen, und den Pollen für ihre Brut. Je mehr Blüten wir anbieten, um so besser und möglichst so, dass es immer Blüten gibt.
Blumenzwiebeln stecken für das Frühjahr, Stauden und Sommerblumen für den Sommer und Herbst, flankiert von Blütensträuchern und Gehölzen, aber es sollten heimische Pflanzen sein mit ungefüllten Blüten.
Die Tiere brauchen Wasser, also trinken. Für eine kleine Wasserbütte oder ein kleines Teichbecken findet sich vielleicht ein Plätzchen, nur sollte man daran denken, diese Wasserstellen mit Steinen aufzufüllen, damit die Tiere, sollten sie hineingefallen sein, wieder herausklettern können. Bei einem kleinen Teichbecken sollte man ein Brett mit Querstegen ins Wasser legen, denn auch Mäuse, Igel oder andere Tiere könnten zum Trinken kommen und sie sollen nicht ertrinken. Wir wollen ihnen ja helfen und sie nicht töten.
Und die Insekten wollen wohnen, irgendwo ihre Brut anlegen. Ein Insektenhotel passt eigentlich in jeden Garten. Es sollte nach Möglichkeit unter einer hellen Überdachung hängen und nach Süd/Südost ausgerichtet sein und voll sonnig hängen. Etwa 80 % unserer Wildbienen nisten im Boden, auch voll sonnig gelegen. Wir sollten ein Stück Boden nicht umgraben und dadurch lockern, sondern die Unkräuter mit einem Messer entfernen und offenen, gewachsenen Boden anbieten ebenso wie einen Komposthaufen.
Und natürlich sollten wir nicht immer alles aufräumen. Hier einen kleinen Holzhaufen liegen lassen, dort Lesesteine aufschichten, eine Brennnesselecke anbieten oder etwas ungewaschenen Sand.
Wenn man bedenkt, dass die Fläche unserer privaten Gärten genauso groß ist wie die Fläche unserer Naturschutzgebiete, könnten wir unsere Naturschutzfläche sofort verdoppelt. Das wäre doch wunderbar!
Wer sich genauer informieren möchte, der kann all diese praktischen Tipps am Ende meines Buches nachlesen.
Im ersten Jahr habe ich gar nicht darüber nachgedacht, dass die Wildbienen Fressfeinde haben, vor denen ich sie schützen muss. Ich war bitter enttäuscht, als ich sah, dass Vögel die Röhren aufgepickt und die Bienenlarven gefressen hatten. Seitdem sind meine Insektenhotels mit Draht geschützt.
Ein großes Problem ist natürlich die Trockenheit. Ich habe zwar ein 1000 Liter Fass, um Regenwasser aufzufangen, aber wie schnell ist es leer! Und leider vertrocknen mir jeden Sommer Sträucher und junge Bäume, die ich im vergangenen Herbst mühsam in die Erde gepflanzt habe. Ich tue viel für den Artenschutz, aber den Klimawandel kann ich leider von meinem Biotop nicht fernhalten.
Meine Fläche ist 5200 qm groß und ich hätte besser direkt zu Anfang einen befahrbaren Rundweg durch das Gelände angelegt, um Holz, Sand, Steine und alles Material anfahren zu können. So muss ich irgendwo abladen und alles mit der Schubkarre dorthin schieben, wo ich es brauche. Das hätte ich mir leichter machen können!
Sofort kann ich sagen, welche Pflanzen ich NICHT mag: Giersch, Ackerwinde und Ackerschachtelhalm. Diese „Unkräuter“, sorry, ich benutze das Wort immer noch, machen mir das Leben schwer und seit Jahren kämpfe ich gegen den Giersch. Ich grabe seine Wurzeln aus und er verhöhnt mich, indem er an anderer Stelle wieder zu Tage tritt. Seit all den Jahren bin ich bei ihm auf der Verliererstraße, aber wenn er in Form einer leckeren Quiche auf meinem Teller liegt, triumphiere ich innerlich. Schade nur, dass man nicht morgens, mittags und abends Giersch-Quiche essen kann!
Bei den Lieblingspflanzen wird es richtig schwer.
Ich liebe die zarten violetten Wildkrokusse im zeitigen Frühling, die blauen Scilla und Traubenhyazinthen und die wilden Narzissen der Nordeifel. Ich liebe es, wenn die Schlüsselblumen erblühen und die gesamte Wiese in ein zartes Gelb tauchen. Ich liebe auch die Wegwarte, die ihre himmelblauen Blüten nur bis zum Mittag öffnet und die Nachtkerzen, denen ich immer wieder zuschauen kann, wenn sie abends innerhalb weniger Minuten ihre Blütenblätter entfalten und man das Gefühl hat, in einem Zeitraffer dabei zu sein. Ich liebe das Lungenkraut, den Lerchensporn und den Natternkopf und die schönen und dicken Pusteblumen des Wiesenbocksbartes. Ich liebe den Wiesensalbei und die Akelei, die Glockenblumen, den Odermennig und den Hauhechel. Aber ich liebe auch den Phlox, der vom Taubenschwänzchen umschwirrt wird, so dass ich fast das Gefühl habe, in den Tropen zu sein und Kolibris zu beobachten.
Ich liebe sie alle und wie soll ich da drei benennen?
Aber einen unangefochtenen Liebling habe ich und das sind meine Kandelaber-Königskerzen. Majestätisch kommen sie daher mit ihren riesigen Blütenständen, die von Wildbienen nur so umschwirrt werden und später holen sich die Vögel ihre Samen. Im Herbst schneide ich ihre verblühten Stängel ab, lagere sie trocken während des Winters, um sie im Mai senkrecht an Zäune zu binden. Ihre markhaltigen Stängel dienen Grab- und Faltenwespen als Nistgelegenheit und sie bohren sich senkrecht in die Stängel des Verbascums.
Die Königskerzen sollen später auf meinem Grab stehen und ich glaube, mehr Lieblingspflanze geht nicht!
Anfangs wurde ich in unserem Dorf mitleidig belächelt mit meinem Biotop. Aber nachdem ich in 2019 an dem bundesweiten Wettbewerb „Deutschland summt“ teilgenommen hatte, wurde eine Redakteurin des SWR Fernsehens auf meine Aktivitäten aufmerksam. Letzten August kam es zum Drehtermin, aber da auf dem Biotop die meisten Wildblumen verblüht oder vertrocknet waren, wurde ein Film über meinen Hausgarten gesendet, zu sehen unter
https://www.swrfernsehen.de/landesschau-rp/im-wildbienengarten-von-uschi-boerner-100.html
Dieses Jahr im Mai kam das Fernsehteam wieder, um endlich auf dem Biotop zu drehen und dieser Film ist zu sehen unter
https://www.swrfernsehen.de/natuerlich/die-faszinierende-welt-der-wildbienen-100.html
Inzwischen habe ich auch ein Buch geschrieben über die Entstehung des Biotops in den vergangenen vier Jahren. Es heißt
Am schnellsten zu beziehen ist es über den BoD Buchshop, aber natürlich auch über den Buchhandel oder Amazon.
Die Kreisverwaltung der Vulkaneifel hat dieses Jahr erstmalig ein Projekt für 8-12 jährige Kinder gestartet zum Thema Umwelt- und Naturschutz und ich wurde gefragt, ob die Gruppe zu Besuch kommen dürfe. Dies war eine große Freude für mich, denn nur zu gerne möchte ich mein Thema Kindern und Jugendlichen näherbringen und es war ein sehr nettes Treffen mit 10 Kindern. Ich denke auch, dass sie alle etwas mit nach Hause genommen haben von ihrem Besuch. Das Kreisjugendamt möchte nun regelmäßig mit Kindern vorbeischauen.
Totholzzaun
Sandhügel aus ungewaschenem Sand
Königskerzen, Verbascum olympicum, im Vorgarten
Die Stängel der Königskerzen werden senkrecht angebunden und dienen als Nisthilfe
Meine Bruchsteinmauer, mit Lehm verfüllt
Die lila Witwenblumen sind besonders beliebt
Meine Flutwurzel
Meine fertige Eidechsenburg
Mahd mit einem Balkenmäher
Mein neu angelegtes „Badewannenbeet
Strangfalzziegel als Nisthilfen
Teich in der Entstehungsphase