Was ist Polei-Gränke?
Polei-Gränke, Lavendelheide oder Rosmarinheide (Andromeda polifolia) ist ein Erikagewächs (Ericaceae) und nahe mit Heidekraut, Preiselbeere und Heidelbeere verwandt. Man findet die Pflanzen wild nur noch selten in Hochmooren, wo sie zusammen mit Torfmoosen, Wollgras und Carex-Arten vorkommt. Die Gattung Andromeda ist monotypisch und enthält nur diese eine Art. Sie wächst in den Feuchtgebieten der nördlichen Hemisphäre und in Europa bis in die Gebirgsregionen von Pyrenäen, Alpen und Karpaten hinein. Im Garten sind sie als Zierpflanzen für feuchte Standorte beliebt.
Die ausdauernden immergrünen Zwergsträucher kriechen am Boden entlang und bilden reichlich unterirdische Ausläufer. Der größte Teil sitzt unter der Erde und bildet ein schuppiges Rhizom mit langen Internodien – nur rund ein Viertel der Pflanze wächst überirdisch. Dort erreicht sie eine maximale Höhe von etwa 40 Zentimetern. Die aufrechten oder aufsteigenden Zweige sind nur anfangs leicht behaart und später kahl; an ihnen sitzen gegenständig 2-4 Zentimeter lange lanzettliche ledrige Blätter; diese sind kahl, zugespitzt mit keilförmig verschmälertem Grund und am Rand leicht nach unten gerollt, auf der Oberseite dunkelgrün, unterseits weißlich bis bläulich grün. Mit ihrem Aussehen erinnern sie an Rosmarin, was den deutschen Namen Rosmarinheide erklärt.
Von Mai bis Juli erscheinen die nickenden Blüten zu 2-8 Exemplaren in einer lockeren, doldenartigen Schirmtraube am Ende der Triebe. Sie stehen auf glatten, rosafarbenen Stielen und sind sternförmig, zwittrig und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Ihre dauerhaften Kelchblätter sind dreieckig bis lanzettlich und spitz. Die kugelig verwachsene Krone ist 5-8 Millimeter lang, mit gekräuselten und stumpfen Zähnchen am Ende. Anfangs sind die Kronblätter rosa, mit der Zeit werden sie beinahe weiß; auf der Innenseite sind sie kurz behaart. Im Inneren der Blüten verstecken sich 10 Staubblätter und ein oberständiger Fruchtknoten mit einer kopfigen Narbe.
Bei den Früchten handelt es sich um aufrecht stehende Kapseln, die in fünf Fächern 30-40 Samen enthalten. Anfangs sind sie bläulich, später werden sie braun und trocken; dann öffnen sie sich an ihrer Spitze mit fünf Klappen und geben die eiförmigen glatten und hellbraunen Samen frei.
Polei-Gränke im Garten

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Standort
Die Polei-Gränke braucht einen nassen, nährstoff- und basenarmen, sauren Torfboden, der gut durchlässig sein muss. Kalk verträgt sie überhaupt nicht, und auch Trockenheit mag sie überhaupt nicht. Am liebsten steht sie in der Sonne oder im Halbschatten. Sie ist winterhart, aber Spätfröste können die jungen Triebe und austreibenden Knospen schädigen.
Schnitt
Will man die Polei-Gränke versetzen wird man sich über das kräftige Wurzelwerk wundern. Die feinen faserigen Wurzeln reichen bis zu einem halben Meter in die Tiefe und eine Handbreit unter der Erdoberfläche am dichtesten. Ansonsten schneidet man sie, wenn sie aus der Form geraten und zu groß zu werden drohen.
Vermehrung
Wer die Polei-Gränke mit Samen vermehren möchte, muss diese mindestens einen Fingerbreit mit Erde bedecken und im Herbst ausäen; sie sind Dunkelkeimer und Frostkeimer. Die Keimfähigkeit nimmt bereits nach einem Jahr deutlich ab.
Allerdings verbreiten sich die Pflanzen selbst vorwiegend vegetativ mithilfe ihrer weit verzweigten Ausläufer. Daher kann man die bestehenden Bestände auch problemlos teilen und versetzen. Will man die Pflanzen erst einmal im Garten ansiedeln, so greift man am besten auf Jungpflanzen aus dem Gartenhandel zurück, das geht schneller als die Aussaat. Stecklinge wurzeln ebenfalls sehr gut.
Tipp für die Teilung: Vorher ausgraben und extra noch mal ein halbes bis ganzes Jahr tiefer wieder einpflanzen. Danach bilden sich noch wesentlich mehr Rhizom und Wurzeln, und man kann deutlich mehr Ableger davon gewinnen.
Verwendung
Mit ihrer Vorliebe für extrem feuchte Orte kommt die Lavendelheide für den Rand vom heimischen Gartenteich und feuchte Moorbeete in Frage – ein Hochmoor dürften die Wenigsten im Garten haben. Dort muss der Boden auf jeden Fall nass, torfig und sauer sein. Einen Versuch ist es allemal wert.
Schädlinge
Die meisten Schädlinge nehmen bei der Giftpflanze Reißaus – ebenso wird man so gut wie nie Krankheiten an der Polei-Gränke beobachten, denn der Moorbewohner ist einiges gewohnt und weiß sich ihrer zu erwehren. Natürliche Fressfeinde wie Elche, Auerhähne und Rentiere werden sie im Garten nicht heimsuchen; bestenfalls Wühlmäuse können zum Problem werden, und auch einige Pilzerkrankungen treten bisweilen auf.
Ökologie
Bestäubt wird die Polei-Gränke von Bienen; insbesondere Honigbienen wissen die kleinen kugelförmigen Blüten zu schätzen. Ebenso finden sich hier Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge ein. Sobald sie sich auf die Blütenstände setzen rieselt der Pollen aus den typischen Glocken auf sie herab und pudert sie ein. Eine Selbstbestäubung ist bei den Blüten des Zwergstrauches ebenfalls möglich, führt aber zu deutlich weniger Früchten mit weniger Samen.
Schmetterlinge machen sich ebenfalls an der kleinen Staude zu schaffen; die Raupen von Hochmoor-Bodeneule (Coenophila subrosea) und Hochmoor-Bläuling (Plebeius optilete) überwintern hier und ernähren sich von den Blättern. Beide Arten sind durch den Rückgang von Moorlandschaften akut bedroht.
Die Verbreitung der Samen erfolgt durch das Ausstreuen aus den fünfklappig geöffneten Kapseln mit dem Wind oder durch vorüberstreifende Tiere. Die trockenen Früchte bleiben über Winter an den Pflanzen und sorgen weiterhin für die Vermehrung. Da sich die Lavendelheide vorwiegend vegetativ vermehrt dienen die Samen nur der Ausbreitung in entfernteren Gebieten.
Brände in den Mooren übersteht die robuste Polei-Gränke wesentlich besser als andere Arten. Kleinere natürliche Feuer etwa durch Blitzeinschlag sind sogar positiv für die Erhaltung von Moorflächen, denn sie halten Kiefern und Birken klein, die ansonsten alles überwuchern.
Wie viele andere Heidekrautgewächse bildet auch die Rosmarinheide Mycorrhiza aus, insbesondere mit dem Pilz Hymenoscyphus ericae. Das Myzel hilft dem Kraut bei der Entgiftung und bei der Aufnahme von Nährstoffen, insbesondere von Stickstoff aus der Luft.
Wissenswertes
Giftpflanze und halluzinogener Honig
Rosmarin (Rosmarinus officinalis) und Rosmarinheide ist zweierlei – während Ersterer ein beliebtes Küchenkraut ist, ist die Rosmarinheide hochgiftig! Sie enthält vor allem Andromedotoxin, das ihr seinen Namen zu verdanken hat. Der sekundäre Pflanzenstoff gehört zu den Grayanatoxinen und findet sich in allen Pflanzenteilen – auch im Pollen und im Nektar. Damit ist der von den Bienen an der Polei-Gränke gesammelte Honig ebenfalls toxisch. Er wirkt ähnlich wie der berühmte Pontische Honig oder Schwarzmeerhonig, der in der Türkei allerdings vor allem von verschiedenen Rhododendron-Arten gewonnen wird.
In geringen Dosen wirken Grayanatoxine halluzinogen, in größeren Mengen neurotoxisch. Sie aktivieren die Natriumkanäle und führen zu Vagotonus: Nach Übelkeit und Müdigkeit verlangsamt sich der Puls, der Blutdruck fällt ab und im Extremfall kommt es zum Tod durch Kreislauf- und Atemstillstand. Menschen nutzen den halluzinogenen Honig für Rauschzustände und vor allem als Heilmittel in der lokalen Volksheilkunde. Bei der indigenen Bevölkerung Nordamerikas ist die Polei-Gränke selbst eine traditionelle Heilpflanze und wird für die Herstellung eines Getränkes verwendet; bei den Inuit gilt sie als entzündungshemmend.
PS: Haustieren wie Kaninchen und Meerschweinchen sollte man aus besagten Gründen nicht an der Polei-Gränke knabbern lassen. Gefährlich wird sie bisweilen ahnungslosen Weidetieren, die an den Pflanzen knabbern, besonders Schafen und Ziegen.
Gerbstoffreiche Blätter und Wurzeln
Die Lavendelheide enthält nicht nur potente Giftstoffe, sondern auch jede Menge Tannine. In Russland macht man sich die Gerbstoffe bis auf den heutigen Tag zum Gerben von Leder zunutze.
Blume des Jahres 1991, schwindende Moorflächen und die letzte Eiszeit
1991 hat man die Polei-Gränke zur Blume des Jahres gewählt – nicht zuletzt um auf ihre schwindenden Lebensräume im Hochmoor aufmerksam zu machen. Wie paläontologische Funde zeigen ist sie ein Relikt der letzten Eiszeit, in der die Pflanzen in Mitteleuropa am Rand der Gletscherzonen wesentlich mehr Lebensraum vorfanden. Damals gab es offenbar noch wesentlich mehr Arten der Gattung Andromeda.
In den Anfängen eines Hochmoores ist die Rosmarinheide eine der häufigeren Besiedler. Entwässerung, Torfabbau und Aufforstung haben ihre natürlichen Lebensräume in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgehen lassen. Die eingerollten Blätter und die dicke Wachsschicht sollen die Pflanzen vor den Temperaturschwankungen auf der Mooroberfläche schützen.
Perseus und Andromeda
Den botanischen Namen hat die Gattung Andromeda von der schönen Tochter der Kassiopeia, die ihr Kind für schöner als die Nereiden hielt und zur Strafe von Poseidon mit Überflutungen und einem Seeungeheuer bestraft wurde. Als Andromeda am Strand geopfert werden sollte befreite Perseus sie mit Hilfe des Hauptes der Medusa, dessen Anblick das Untier zu Stein erstarren ließ. Was das mit der Polei-Gränke zu tun hat? Auch die steht mit den Füßen im Wasser, ähnlich wie die angekettete Andromeda - allerdings freiwillig.
Den Artnamen polifolia hat die Pflanze von der Ähnlichkeit ihrer Blätter mit denen des Polei-Gamanders oder Marienkraut Teucrium polium, der im Mittelmeerraum wächst und eine beliebte Heilpflanze ist.