Was ist Orientalische Nieswurz?
Orientalische Nieswurz, Lenzrose oder Frühlings-Christrose (Helleborus orientalis) bringt als eine der ersten Gartenpflanzen im Jahr Blüten in den Garten. Als Zierpflanze erfreut sie sich wachsender Beliebtheit. Wild wächst dieser Vertreter aus der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) im Nordosten Griechenlands, im Kaukasus und an der Küste des Schwarzen Meeres im Norden der Türkei an Waldrändern, auf Lichtungen und in Dickichten bis auf eine Höhe von 2000 Meter. Bisweilen findet man sie bei uns ausgewildert aus Gärten, und in Thüringen und Baden-Württemberg gilt sie stellenweise als Neophyt bereits als eingebürgert.
Die 20-40 Zentimeter hohe, dicht buschig wachsende ausdauernde Staude weist wie alle Helleborus-Arten ein kräftiges horizontal kriechendes Rhizom auf, mit dem sie den Winter übersteht und aus dem zahlreiche flache und faserige Wurzeln abzweigen. Daraus entspringen die kahlen oder nur leicht behaarten Blätter; sie sind ledrig, oben glänzend dunkelgrün, auf der Unterseite hellgrün, bis zu 40 Zentimeter lang und handförmig tief geteilt mit 5-11 elliptischen oder umgekehrt-lanzettlichen Blättchen mit teils gesägtem Rand. Oft gibt es nur ein einziges großes grundständiges Blatt an der Pflanze, die Stängelblätter weiter oben sind deutlich kleiner; die Blätter verwelken spätestens im Sommer.
Die kräftigen und meist verzweigten Blütensprosse erscheinen ungewöhnlicherweise bereits im Winter; an deren Enden sitzen jeweils 1-4 hängende oder nach außen gewandte schalenförmige Blüten mit einer Breite von 5-7 Zentimetern. Die Blüten sind fünfzählig, zwittrig und sternförmig. Zunächst haben sie eine weiße oder grünlich-weiße Farbe, die mit zunehmendem Alter in ein kräftiges Rosa oder Purpur übergeht. Bisweilen finden sich viele kleine dunkle Flecken auf den Blütenblättern. Die oft grüne Farbe rührt daher, dass es sich hier in Wirklichkeit nicht um Kronblätter, sondern um die zu einem großen Schauapparat umgebildeten Kelchblätter handelt; im Gegenzug sind die Kronblätter in Nektarien umgewandelt. Die freistehenden Fruchtknoten werden von zahlreichen Staubblättern mit gelben Staubbeuteln umringt. Aus ersteren entwickeln sich Balgfrüchte, die sich an ihrer Bauchnaht öffnen und die schwarzen Samen freigeben.
Orientalische Nieswurz im Garten
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Standort
Besonders anspruchsvoll ist die Orientalische Nieswurz im Garten nicht; sie nimmt mit so ziemlich jeder fruchtbaren und feuchten Erde vorlieb. Kalk mag sie, muss sie aber nicht unbedingt haben. Am liebsten ist ihr ein schwerer, aber gut durchlässiger humoser Boden mit neutralem bis basischem pH-Wert und nicht zu dunklem Schatten. Sonne verträgt die Lenzrose nicht. Sie ist vollkommen winterhart bis -28 °C, nur nass darf sie nicht stehen, denn Staunässe ist zu jeder Jahreszeit tödlich.
Schnitt
Die immergrüne Lenzrose ist absolut pflegeleicht; Du kannst im Sommer die verwelkten Blätter entfernen; ansonsten verraten sie Dir den Standort, wenn Du stehenlässt. Willst Du eine Selbstaussaat verhindern musst Du die Früchte beseitigen, bevor sie ausreifen und sich öffnen.
Beim Hantieren solltest Du darauf achten, dass der giftige Pflanzensaft der Orientalischen Nieswurz Hautreizungen verursachen kann; daher ist das Tragen von Handschuhen anzuraten.
Vermehrung
Die Samen der Orientalischen Nieswurz kannst Du unmittelbar nach der Samenreife im Herbst in Töpfen aussäen. Allerdings werden die Nachkommen von Sorten selten deren typische Eigenschaften aufweisen, da das Erbgut dank unbekanntem Pollen durchmischt wurde.
Sorten von Helleborus orientalis lassen sich nur vegetativ zuverlässig vermehren, am besten durch Teilung nach der Blütezeit, also im Frühjahr nach den Eisheiligen oder im Sommer. Allerdings mag sie wegen ihres empfindlichen Rhizoms solche Störungen nicht besonders und reagiert erst einmal eine Weile beleidigt. Daher solltest Du sie am besten nach dem Auspflanzen völlig in Ruhe lassen und nicht unnötig verpflanzen oder teilen.
Faustregel: Die Orientalische Nieswurz wird etwa 40 Zentimeter hoch und ebenso breit. 40 Zentimeter entsprechen auch dem Jahreszuwachs. Für die Planung, falls Du junge Frühlings-Christrose kaufen und pflanzen willst: 2-4 Pflanzen pro Quadratmeter reichen vollkommen aus.
Verwendung
Damit sie gut zur Geltung kommen pflanzt Du die Lenzrose am besten in kleinen Gruppen, etwa in gemischten oder Strauchrabatten oder vor dem dunklen Hintergrund von Hecken und Sträuchern als dekorativen Unterwuchs, der während der blattfreien Zeit für etwas mehr Dekoration im Gehölzgarten sorgt.
Schädlinge
Gerade frisch gesetzte und neu austreibende Pflanzen rufen Schneckenauf den Plan, welche die Blätter unschön annagen. Bei wärmerem Wetter vermehren sich die Blattläuse, und bisweilen treten an der Orientalischen Nieswurz auch Rostpilze an den Blättern oder Schwarzfäule auf. Vor allem die gelb blühenden Hybriden sind für Blattflecken anfällig, die eine Pflanze oft komplett absterben lassen. Habe daher immer ein waches Auge auf einen möglichen Pilzbefall.
Ökologie
Die oft grüne Farbe der Blüten lässt sich dadurch erklären, dass es sich bei dem Schauapparat eigentlich um die stark vergrößerten Kelchblätter handelt. Die Kronblätter sind aber nicht verschwunden, sondern zu Nektarien umgewandelt, die mit ihrem reichlich gebildeten Nektar ausgesprochen früh im Jahr Nahrung für die erwachende Insektenwelt bietet. Hummeln und Honigbienen wissen auch den leichter erreichbaren Pollen zu schätzen. Die Verbreitung der Samen übernehmen Ameisen, die sie mit ihrem nahrhaften fettreichen Elaisom verschleppen.
Wissenswertes
Orient und Okzident, Schwarz und Purpur
Wo es eine Orientalische Nieswurz gibt, da gibt es auch eine Abendländische Nieswurz. Sie heißt botanisch Helleborus occidentalis und wird heute meist als Unterart der Grünen Nieswurz, also Helleborus viridis ssp. occidentalis geführt.
Von den Wildformen sind in Gärten vor allem die Schwarze Nieswurz Helleborus niger und die Purpurnieswurz Helleborus purpurascens beliebt. Hauptunterscheidungsmerkmal bei den ansonsten recht ähnlichen Pflanzen sind die Fruchtblätter: Bei Helleborus viridis sind diese am Grund miteinander verwachsen, bei Helleborus orientalis stehen sie vollkommen frei.
Helleborus x hybridus
Als Zierpflanzen für den Garten sind die zahlreichen Frühlings-Schneerosen noch wichtiger, Hybriden von Helleborus orientalis mit weiteren Nieswurzarten. Meistens laufen diese reichlich undifferenziert unter der Handelsbezeichnung Helleborus x hybridus. Oft aus dem einfachen Grund, weil sich die Elternschaft nicht mehr nachvollziehen lässt und die Dinger einfach als hübsch befunden wurden. Als weitere Elternteile dienten vor allem Wohlriechende Nieswurz (Helleborus odorus), Rundblättrige Nieswurz (Helleborus cyclophyllus), Serbische Nieswurz (Helleborus torquatus) und Geteiltblättrige Nieswurz (Helleborus multifidus).
Viele bunte Sorten mit oder ohne Sommersprossen
Die züchterischen Bemühungen begannen um 1837 in Deutschland mit Hilfe einiger Lenzrosen-Exemplare aus dem Botanischen Garten von St. Petersburg. Das Ergebnis sind Frühblüher mit weißen, grünen, rosa und violetten Blüten. Die Innenseite der Kronblätter ist bei einigen Sorten rosa, rot oder violett geädert, gefleckt oder gesprenkelt – insbesondere die „Sommersprossen“ haben es vielen Gärtnern angetan. Darüber hinaus gibt es auch halbgefüllte und gefüllte Sorten, bei denen Staubblätter in zusätzliche Kronblätter umgewandelt sind – sehr zum Leidwesen nektarsuchender Insekten.
Vorsicht Gift!
Orientalische Nieswurz ist in allen Teilen giftig und hautreizend – getrocknet und zerkleinert nutzte man sie früher als Niespulver, daher auch der Name Nieswurz. Das gilt bei uns allerdings eher für die bei uns heimische Schwarze Nieswurz Helleborus niger, die bereits in den mittelalterlichen Klostergärten angebaut wurde. Reizend wirken sie auf der Oberhaut, die auf den Kontakt mit dem Saft mit Rötungen und Entzündungen antwortet, und die Schleimhäute nehmen den Verzehr übel und reagieren mit Durchfällen, Übelkeit und Erbrechen: Der brennend scharfe Geschmack beim Kauen ist ein deutlicher Warnhinweis. Biologisch wirksam sind vor allem Saponine und Glykoside wie Hellebrin und Helleborin.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner