Was ist Roter Fingerhut?
Roter Fingerhut oder Waldglöckchen (Digitalis purpurea) gehört zur Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae). Er ist in Europa häufig auf Kahlschlägen und Lichtungen vor allem von Buchenwäldern, auf Brandflächen oder am Wegesrand zu finden und bildet meist größere Gesellschaften. Es handelt sich dabei um eine zweijährige krautige Staude, die einer tiefreichenden Pfahlwurzel entspringt und im ersten Jahr eine grundständige Blattrosette, im zweiten Jahr den bis zu 1,5 Meter hohen Stängel mit der Blütentraube ausbildet. In der Rosette werden die lang gestielten Blätter bis zu 20 Zentimeter lang, am Stängel bleiben sie deutlich kleiner. Sie sind breit ei-lanzettlich, unterseits graufilzig und am Rand gekerbt.
Die Blütenstände sind endständige Trauben mit zahlreichen zygomorphen Blüten, die aus einem fünfzipfeligen Kelch und einer zu einer fingerhutartigen Röhre verwachsenen Kronblättern. Sie sind im Inneren bärtig behaart, außen kahl und richten sich nach Süden zur Sonne hin aus. Ihre Farbe ist purpurviolett mit deutlich gefleckter Unterlippe, selten rein weiß. Als Früchte bildet der Rote Fingerhut eiförmige Kapseln, die sich mit fünf Klappen öffnen und die einen halben Millimeter großen Samen freisetzen.
Roter Fingerhut im Garten

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Standort
Der Rote Fingerhut bevorzugt einen durchlässigen, humosen mäßig sauren und möglichst kalkarmen Boden und einen Platz im Halbschatten – im vollen Schatten gedeiht er nur spärlich, und pralle Sonne mag er nicht besonders.
Beim Anpflanzen sollte man bedenken, dass es sich beim Roten Fingerhut um eine der stärksten Giftpflanzen Europas handelt. Bei Kindern im Haushalt sowie bei Hund und Katze sollte man daher sicherheitshalber eine Aussaat lieber nicht riskieren.
Schnitt
Ein Schnitt ist beim Fingerhut nur notwendig, wenn man im Herbst eine Selbstaussaat verhindern möchte. Dann sollte man die Blütenstände mit den reifenden Kapseln rechtzeitig entfernen. Ansonsten schneidet man bei den überwinternden Exemplaren das vertrocknete Kraut ab.
Vermehrung
Die Vermehrung des Roten Fingerhutes erfolgt mit Samen. Er sorgt auch für Selbstaussaat, wenn man die reifenden Früchte stehenlässt. Er ist ein Lichtkeimer, sodass man die Samen beim Aussäen nur leicht auf die Erde andrücken sollte.
Verwendung
So giftig der Rote Fingerhut auch sein mag ist er doch mit seinen großen Blütenständen eine Zier für Staudengärten, Blumenbeete und Rabatten. Auf Balkon und Terrasse eignet er sich für größere Töpfe und Container und bietet Hummeln eine wertvolle Nahrungsquelle.
Schädlinge
Schädlinge und Krankheiten spielen beim äußerst robusten Roten Fingerhut keine Rolle – nicht zuletzt dank seiner hochwirksamen Giftstoffe, die ihm bereits als Keimling die allzeit gefräßigen Nacktschnecken vom Leib halten.
Ökologie

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Die bärtige Behaarung im Inneren der Blüten verhindert den Besuch der meisten kleineren Insekten. Die Bestäubung erfolgt daher fast ausschließlich durch die kräftigen Hummeln (Bombus spec.). Sie kriechen in die Röhren hinein und werden dabei mit Pollen bepudert. Mit rund sechs Tagen Blütezeit sind die Blüten recht langlebig.
Pollen sammelt auch die Wildbiene Garten-Wollbiene Anthidium manicatum.
Vier Schmetterlinge nutzen den Roten Fingerhut ungeachtet seines Giftstoffgehaltes als Raupenfutter: der Fingerhut-Blütenspanner (Eupithecia pulchellata), Waldkräuter-Blütenspanner (Eupithecia subfuscata), der Kugelblumen-Blütenspanner (Gymnoscelis rufifasciata) und die Pupur-Glanzeule (Euplexia lucipara).
Wissenswertes
Der Rote Fingerhut hat seinen Namen von den typischen Fingerhut-ähnlichen Blüten erhalten. Er ist eine alte Heilpflanze, die erst in der Neuzeit Eingang in die Gärten und Naturheilkunde fand. Erst im 18. Jahrhundert stellte man fest, dass die Einnahme kleiner Mengen die Herztätigkeit steigert und die Herzfrequenz herabsetzt. Der Effekt beruht auf Digitaloiden, herzwirksamen Glykosiden wie Digitoxin und Digoxin.
2007 wurde der Rote Fingerhut zur Giftpflanze des Jahres gewählt.
Was sind zweijährige Pflanzen?
Zweijähre Pflanzen bilden im ersten Jahr meist nur eine flache Rosette. Im nächsten Jahr wächst die Pflanze in die Höhe, blüht und versamt sich. Die Pflanze stirbt und aus dem Samen entsteht die nächste Generation.
Markus Wichert
Naturgärtner