Kerstin

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Interview

Heute möchten wir dir Kerstin und ihren Garten vorstellen.

Erst neulich wurde ihr (ehemals Zier-)Garten mit der Plakette von "Natur im Garten" prämiert.

Hallo Kerstin, Glückwunsch zur erfolgreichen Zertifizierung.

Kannst du dich bitte kurz vorstellen?

Mein Name ist Kerstin Schillig und ich lebe seit 17 Jahren in Diepholz. Geboren bin ich in Herford. Ich bin 50 Jahre jung und verheiratet. Seit 26 Jahren arbeite ich als Grundschullehrerin und meine Freizeit verbringe ich überwiegend im unserem ca. 300qm großen Garten. 

Auf Instagram bin ich unter Sommer_Sprosse72 zu finden. Dort gibt es zahlreiche Einblicke in meinen Garten und zu meinen neusten Projekten. 

Fangen wir ganz hinten an;
Wie lange besitzt du den Garten und was waren aus heutiger Sicht die größten Fehler?

Als wir damals vor 17 Jahren bauten und der Garten gestaltet werden sollte, habe ich wie vermutlich die meisten jungen Bauherren, Pflanzen und Sträucher nach optischen Gesichtspunkten ausgewählt: 

Hübsch und so pflegeleicht wie möglich sollte es werden. 

So sah mein Garten vor sehr langer Zeit aus:

Kerstin
überdüngter, unkrautfreier Rasen

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überwiegend Kirschlorbeerhecke

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vliesunterlegte Kiesbeete

Wie kam der Umschwung?

Irgendwann schenkte mir mein Bruder ein Insektenhotel und ich begann, mich für die heimische Insektenwelt zu interessieren. 

Zudem unterrichtete ich damals Sachunterricht und besuchte mit meiner Schulklasse eine Imkerei. Das war der „Startschuss“ zum naturnahen Gärtnern. Ich besorgte mir Fachliteratur und tauschte mich im Netz mit anderen Gärtnern aus. 

Der Wissens- aber auch Gewissenszuwachs wurde täglich größer. Meine Mutter, die Biologie an der PH Bielefeld bei dem Biologieprofessor Rolf Dircksen studiert hat, musste plötzlich ihr Fachwissen über die heimische Pflanzen- und Vogelwelt mit mir teilen.

Ich sah auf einmal meinen eigenen Garten in einem anderen Licht.
Mir wurde klar, dass ein Garten in Zeiten des Artensterbens und des Klimawandels ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz sein kann. Also nahm ich mir fest vor, meinen Garten zu einem lebendigen Ökosystem mit unterschiedlichen Kleinbiotopen wie Steinhaufen, Totholzecke und Magerbeet umzugestalten.

Was ist daraufhin in deinem Garten passiert?

Ich tauschte Sommerflieder gegen Holunder und Forsythien gegen Kornelkirschen aus,
reduzierte die Anzahl der Neophyten, entfernte invasive Neophyten und schaffte heimische Wildstauden an. 

Ein invasiver Neophyt ist ein sich schnell zum Nachteil der einheimischen Artenvielfalt vermehrendes, nicht heimisches Gewächs. Der Schmetterlingsflieder bzw. Sommerflieder (Buddleja davidii) genannt, gehört zu den bekanntesten dieser Art. Er vermehrt sich rasant und verdrängt großflächig und aggressiv und beeinträchtigt somit die Artenvielfalt. Zwar lockt er Schmetterlinge an, dient jedoch nicht als Futterpflanze für Schmetterlingsraupen wie beispielsweise Brennnesseln oder Faulbäume (Quelle).

An unserer Böschung ließ ich Wildwuchs im Rasen zu und brachte Wildblumensamen aus. 

Futterstellen für Igel und Vögel wurden angelegt sowie Brutkästen aus Holzbeton. 

Selbst auf kleinster Fläche begann ich, Lebensinseln zu schaffen, indem ich beispielsweise vor der Kirschlorbeerhecke eine Samenmischung heimischer Wildpflanzen ausbrachte.

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Kirschlorbeerhecke mit Blühsaum

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Inselbeete auf Rasenfläche

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Wildwuchs an der Böschung

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Nistkästen aus Holzbeton

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Gänseblümchen im Rasen

Wie bist du auf die Idee einer Garten-Zertifizierung gekommen?

Irgendwann erfuhr ich, dass man Gärten in verschiedenen Kategorien zertifizieren lassen kann. 

Hier in Niedersachsen waren jedoch die Möglichkeiten begrenzt. Im Netz stieß ich dann aber auf die Bewegung „Natur im Garten“. Die Bewegung „Natur im Garten“ ist eine vom Land Niederösterreich getragene Bewegung, welche die Ökologisierung von Gärten und Grünräumen über die Landesgrenzen hinaus vorantreibt.  

Als ich die Bedingungen für eine erfolgreiche Zertifizierung las, konnte ich erfreut feststellen, dass mein Garten nicht nur die Kernkriterien erfüllt, sondern ebenfalls fast alle weiteren Zusatzbedingungen. 

Per Mail nahm ich Kontakt zu der Bewegung auf und schickte einige ausgewählte Bilder mit. Kurze Zeit später wurde mein Garten begutachtet und erhielt die Plakette.

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Kannst du uns typische Bedingungen nennen?

Typische Kriterien sind der Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und Dünger, der Verzicht auf Torf sowie das Zulassen von Wildwuchs und das Pflanzen heimischer Gehölze und Blumen sowie standortgerechter Bäume. 

Außerdem gehören auch das Anlegen eines Kräuterrasens, die Bereitstellung von Nützlingsunterkünften, der Verzicht auf Lichtverschmutzung oder die Nutzung von Regenwasser beispielsweise zu den Kriterien.

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Wiesenbereich

Was bedeutet dir die Plakette?

Für mich ist diese Plakette nicht nur die Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg bin, sondern auch eine Möglichkeit, andere Gärtner aufzuklären und zu motivieren, sich auch auf den Weg zu machen.

Auf welche Bereiche deines Gartens bist du besonders stolz?

Besonders stolz bin ich, dass wir bereits einen größeren Abschnitt unseres Rasens in Beetfläche umgewandelt haben:

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Biodiversität im Beet

Unsere Natursteinmauer bietet Lebensraum für viele bodenbrütende Wildbienen:

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An der Böschung zum Feld lassen wir der Natur ihren Lauf und werden jedes Jahr mit einem Meer aus Mohnblumen belohnt:

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Vor dem Staktenzaun unter dem Holunder wachsen Vergissmeinnicht, Lichtnelken, Schafgarbe und Eisenhut:

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Welches deiner Projekte im Garten hat dir bei der Umsetzung am meisten Freude bereitet?

Am meisten Freude hat mir die Umgestaltung der ehemaligen Teilrasenfläche bereitet. 

Früher gab es hier neben dem Rasen lediglich Kirschlorbeer und Liguster. Nun wachsen hier beispielsweise Wiesenraute, Wolfsmilch, kriechender Günsel, Akelei, Vergissmeinnicht, Kuckuckslichtnelke, Wilde Karde, Johanniskraut, Natternkopf, Spornblume, Duftnessel, Leinkraut, Lichtnelke, Wollziest und Vieles mehr. 

Ein nektar- und pollenreiches Paradies für die Insekten ist entstanden:

Kerstin

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Wie bist du bei der Pflanzenauswahl vorgegangen?

Bei der Neugestaltung der Teilrasenfläche habe ich gezielt Pflanzen ausgewählt, die einen hohen Nektar- und Pollenwert aufweisen und möglichst heimisch sind. Es sollte idealerweise von Frühling bis Herbst ein durchgehendes Blühangebot vorhanden sein. 

Leider sind heimische Wildpflanzen vielerorts selten geworden und damit die neuen Exoten in unseren Gärten. Sie sind aber eine wichtige Nahrungsquelle für heimische Wildbienen und Schmetterlinge. 

Was ist dein nächstes Vorhaben? Wie sieht dein bisheriger Plan dafür aus?

Es gibt noch Einiges zu tun im Garten. Noch sind nicht alle Spuren des ehemaligen Ziergartens beseitigt. 

In Zukunft soll weitere Rasenfläche weichen. Inselbeete sind geplant und eventuell ein Sandarium. Ganz aktuell plane ich, einen Miniteich in einem alten Weinfass anzulegen. Bei der Umsetzung der Projekte unterstützt mich mein Mann stets tatkräftig.

Du hast eingangs eine Kirschlorbeerhecke erwähnt, die nach deinen genannten Kriterien nicht so wirklich zum Konzept passt. Wird hier noch etwas passieren?

Die Nachbarn haben sie als Sichtschutz gepflanzt. Ich werde es wohl nicht schaffen, meine Nachbarn davon zu überzeugen, die Kirschlorbeerhecke zu entfernen.

Lediglich ein kleiner Streifen davor gehört uns. Ich habe diesen genutzt, um eine wertvolle Wildsamenmischung von Rieger - Hofmann aufzubringen. 

Hier wachsen zwar blühende, aber eher unauffällige heimische Schönheiten wie Acker-Vergissmeinnicht, Hügel -Vergissmeinnicht, Wald-Vergissmeinnicht, rote Schuppenmiere, Ferkelkraut, Spornkamille, Sandmohn, Beifuss, Pechnelke, Nelken-Leimkraut, Saat-Wucherblume, Hasen-Klee, Ackerstiefmütterchen, Hirtentäschel, weiße Lichtnelken, Hundskamille, Kornblumen, Ringelblumen, Hungerblümchen, Johanniskraut und und und. 

Alle Pflänzchen sind ökologisch wertvoll. Wertvoller als so manch eine wildbunte Mischung aus dem Baumarkt, auf der "bienenfreundlich" steht!! Die sind oft nur fürs menschliche Auge attraktiv. Bedenkt das unbedingt. Die richtige Blühphase startet erst noch, aber das Summen und Brummen ist jetzt schon sehr laut.

Konntest du bereits andere Menschen zum Umdenken bewegen?

Mit großer Freude kann ich berichten, dass meine Bemühungen, ein Umdenken bei den Menschen zu bewirken, schon erste Früchte trägt. Einige Freunde holen sich bereits Rat, welche ökologisch sinnvollen Pflanzen oder Gehölze sie in den Garten setzen könnten. 

Besonders in der Schule versuche ich die Kinder für die heimische Tier- und Pflanzenwelt zu sensibilisieren, indem wir Igelburgen bauen oder am Umwelttag nektar- und pollenreiche Pflanzen in den Schulgarten setzen. 

Was ist deine Lieblingspflanze und warum?

Mein Dauerfavorit im Garten ist das Vergissmeinnicht

Das Vergissmeinnicht ist ein wunderschöner Dauerblüher. Es bietet für einen sehr langen Zeitraum Nahrung für Insekten, zaubert ein blaues Blütenmeer in den Garten und ist als Gehölzunterpflanzung bestens geeignet. Das hübsche Raublattgewächs gedeiht an jedem Standort und lässt sich leicht bei Bedarf eindämmen.

Kerstin

Aber mein derzeitiger Liebling im Beet ist die Akeleiblättrige Wiesenraute, auch Amselraute genannt. Sie ist eine relativ unbekannte, aber absolut unverkennbare Zierpflanze, die als Geheimtipp für Gärten gilt und bei uns nur sehr selten wild auftritt. Die einheimische Wildstaude Thalictrum aquilegifolium mit dem hübschen doldenförmigen Blütenstand ist eine äußerst dankbare Bienenweide mit gutem Nektarwert.

Kerstin

Hast du zum Schluss noch eine persönliche Pflanzen-Empfehlung für uns?

Ich habe meine Pflanzenempfehlung innerhalb einer NaturaDB-Liste erstellt.
Schau gern mal: https://www.naturadb.de/listen/is7o4iyv/

Weitere Impressionen aus Kerstins Garten:

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