Kommentar zu "Die Nektar-Legende"

In meinem Artikel über die Bedeutung von Nektar für unsere Insekten (vorgestellt in NaturaPost #22) führte meine Bemerkung, dass die Honigbienen ohne Belang für unsere Ökosysteme ist, erwartungsgemäß auf Kritik.

Ist denn die Kritik berechtigt?

Nun, sie ist verständlich, aber sicher nicht berechtigt.

In der Tat ist die Honigbiene für unsere Ökosysteme ohne jegliche Bedeutung. Schlimmer noch, sie schädigt diese und trägt somit zum Insektensterben bei.

Die Honigbiene ist ein domestiziertes Nutztier. Die heutigen Völker haben mit unserer ursprünglichen und inzwischen hier ausgestorbenen echten (wilden) Honigbiene nichts mehr gemein. Es sind Züchtungen aus unterschiedlichen Arten und Unterarten aus den verschiedensten Ländern dieser Erde.
Getrimmt auf höhere Produktivität, bessere Fitness, reduzierte Anfälligkeit und höhere Überlebenswahrscheinlichkeit, ist sie unseren „wilden“ weit überlegen. Zudem wird sie noch vom Menschen behütet, notfalls gefüttert, gegen Krankheiten und Parasiten behandelt und sogar ihre Behausung wird gestellt. Das sind Vorteile die ihr die Verdrängung der Wildform leicht gemacht hat. Und es sind Vorteile, mit denen unsere wilden nicht gesegnet sind.

Die Honigbiene gehört auch nicht in unsere Ökosysteme. Dort sind heimische Wildpflanzen mit heimischen Insekten aufeinander abgestimmt. Beides, Ökosysteme, Wildpflanzen und Insekten sind heute bedroht oder gar am Rande des Aussterbens angelangt. Ein vom Menschen gezüchtetes Nutztier schöpft dort Ressourcen ab, die unsere wilden dringend benötigen.

Die oft zitierte Bestäubungsleistung hat in Ökosystemen hinsichtlich der Honigbiene keine Relevanz.
Die wird oft zitiert, wenn es um Monokulturen (Rapsfelder, Obstplantagen etc.) geht.
Aber zum einen sind das keine Ökosysteme, sondern vom Menschen zur Nutzung angelegte Kulturen, zum anderen schaffen es auch da die Wilden, ausreichend Bestäubungsleistung zu erbringen. So wird Raps beispielsweise hauptsächlich von Schwebefliegen bestäubt. Käfer und andere Insekten tun ihr übriges.

Auch sind die Wildbienen der Honigbiene an Leistung überlegen. Wir brauchen die Honigbiene nicht. Und wenn tatsächlich ein Mangel an Bestäubern herrschen sollte, dann ist es effektiver, Lebensraum für Wildbienen zu schaffen.
Und selbst wenn man das außer Acht lässt, wo sammeln die Honigbienen außerhalb der kurzen Blütezeit von Massentrachten ihren Nektar und Pollen? Richtig in den natürlichen Vorkommen heimischer Wildpflanzen. Dabei werden sie in ihrer Masse zum Nahrungskonkurrenten der Wildbienen und tragen dazu bei, deren Bestände weiter zu reduzieren.

Ja, aber wir brauchen Honig.

Brauchen wir den wirklich? In den meisten Ländern dieser Erde ist Honig eine seltene und begehrte Delikatesse. In den Industrieländern avanciert er fast zu einem Grundnahrungsmittel, ohne diesem Anspruch gerecht zu werden. Wir importieren Honig aus fernen Ländern, oft gepanscht oder mit Umweltgiften belastet. Und selbst dieser Honig muss ja irgendwo von Honigbienen gesammelt werden. Und dann wird er noch per Flugzeug oder Schiff von einem Kontinent zum anderen verfrachtet. Die CO2-Bilanz lässt grüßen. Also ist regionaler Honig doch besser?
Marginal vielleicht, aber noch lange nicht gut. Was wir uns aufs Frühstücksbrötchen streichen, fehlt Millionen wilder Insekten als Nahrung. Daran sollten wir immer denken.

Eine neue Metastudie von:

Jay m. Iwasaki und Katja Hagedoorn. School of Agriculture, Food and Wine, The Universitiy of Adelaide, Adelaide SA 5064, Australia

journal homepage: www.elsevier.com/locate/cris

hat festgestellt, dass Im Vergleich mit der Metastudie im Jahr 2017 (Mallinger) die Anzahl der Artikel zu diesem Thema um 47 % gestiegen ist. 

Der höchste Zuwachs war in Artikeln über die Übertragung von Krankheitserregern zu sehen, aber in den letzten fünf Jahren sind beträchtliche zusätzliche Informationen über die Konkurrenz zwischen bewirtschafteten und wilden Bienen verfügbar geworden.

Berichte über negative Auswirkungen haben gegenüber 2017 (53% der Studien) zugenommen auf derzeit 66% der Studien (2022). Eine Mehrzahl dieser Studien untersucht Auswirkungen auf das Besuchs- und Futtersuchverhalten. Während nur wenige Studien die Auswirkungen auf die Reproduktionsleistung von Wildbienen experimentell bewerteten, zeigten 78 % davon negative Auswirkungen. Pflanzenzusammensetzung und Bestäubung wurde in 7 % der Studien negativ beeinflusst, 79 % der Studien zu Krankheitserregern berichteten über mögliche negative Auswirkungen von bewirtschaftete oder eingeführte Bienen auf Wildbienen. 

Zusammengenommen deuten die Beweise zunehmend darauf hin, dass verwaltete und eingeschleppte Bienen sich negativ auf Wildbienen auswirken, und dieses Wissen sollte als Grundlage für Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Schädigung heimischer Ökosysteme dienen.