Mit ihrer Initiative „Deutschland summt! Wir tun was für die Bienen“ weisen Corinna und Cornelis seit dem Jahr 2010 auf die Notwendigkeit des Schutzes der Biodiversität hin, und zwar anders als Naturschützer das sonst so tun. Im Interview berichten die Beiden über das innovative Projekt, den Mehrwert städtischer Biodiversität und ihre Vision einer lebenswerten Stadt.
Die Stiftung für Mensch und Umwelt: Wie kam es dazu?
Wir sind beide seit unserer Jugend im Naturschutz ehrenamtlich tätig. Wir lieben es, uns zu vernetzen und andere zu inspirieren und zu mobilisieren. Wir waren überzeugt, dass es mit Drohkulissen und Weltuntergangsszenarien kaum gelingen kann, viele, viele Menschen für den Naturschutz zu gewinnen. Wir wollten uns ausprobieren, neue Wege gehen in der Ansprache von Menschen, die bisher noch gar nichts mit dem Thema zu tun hatten. Raus, und den sogenannten Mainstream erreichen. Praktisch ohne Geld haben wir dann ganz mutig Ende 2010 unsere eigene Stiftung aufgebaut. Wir sind operativ tätig, konzipieren also eigene Projekte – gerne mit Partnern. Wir finanzieren uns über Spenden, Sponsoren, Projektanträge und neuerdings auch über Aufträge im Wohnungsbau.
Mit Eurer Initiative “Deutschland summt! – Wir tun was für Bienen” habt ihr Eurer Stiftung direkt zu Beginn Leben eingehaucht. Es summt immer noch. Worum geht es genau?
„Deutschland summt! – Wir tun was für Bienen“ sollte das quasi unsichtbare Thema „Biologische Vielfalt“ an die Massenmedien herantragen. Es sollte unterschiedlichsten Gruppen Lust machen, selbst aktiv zu werden für den Naturschutz. Viele Journalistinnen und Journalisten hatten mir nämlich in den Jahren zuvor immer wieder gesagt: „Biodiversität ist nicht kommunizierbar, Frau Hölzer! Es ist unsexy als Thema, viel zu komplex.“ Das spornte mich an.
Und wie habt ihr das Thema dann „sexy“ gemacht?
Wir setzten die kleine Honigbiene auf prominente Dächer der Hauptstadt! Eine ungewöhnliche Szenerie für die Imker, die Hausherren und natürlich die Medien. Wir erregten erstmalig Aufmerksamkeit für ein halb wildes Nutztier, ein Insekt! Insekten waren damals ja überhaupt nicht im Fokus. Die Folge war eine unglaubliche Resonanz bei den Massenmedien. Die Menschen begannen, die Honigbienen als Bestäuber und nicht nur als Honiglieferanten zu schätzen; Jungimker stellten Haltungsformen infrage. Nach der neu entdeckten Liebe zur Biene Maja konnten wir den Funken der Begeisterung übertragen zu den bedrohten 560 Wildbienenarten in Deutschland! Hier waren wir dann mitten in der Biologischen Vielfalt, konnten aber kommunikativ bei den Bienen bleiben, das erleichterte die Sache!
Inzwischen gibt es über 30 Ortsgruppen im Reigen von „Deutschland summt!“. Was ist der Kern der Initiative?
Zahlreiche Mitmachaktionen, Infos und neuartige Kooperationen veranschaulichen, dass jeder konkret etwas tun kann. Allen Vorort-Partnern gemein ist, dass alte Naturschutzthemen neu gedacht und angetriggert werden. Sperrige Themen werden über die Bienchen niedrigschwellig in die breite Bevölkerung transportiert. Die Initiative „Deutschland summt!“ stärkt die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt als LEBENSraum. Wenn z.B. auf einem Info-Flyer in Ahrensfelde der Schnack steht: „Ahrensfelde summt! Summst du mit?“ und die Ahrensfelder Maskottchenbiene fröhlich jeden Info-Flyer schmückt, finden das viele Ahrensfelder eben attraktiv und fühlen sich angesprochen. Die gefährdeten Wildbienen sind Schlüsselwesen zwischen Tier- und Pflanzenwelt und dienen der Initiative als Botschafterinnen.
Führungsebenen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Kultur, Kirche, Wirtschaft und Medien werden konkret adressiert und zu Vernetzungsworkshops eingeladen, erwärmen sich für die Bedeutung biologischer Vielfalt und erkennen den eigenen „Hebel“. Die Initiative bringt Akteure, die bisher kaum in Austausch standen, ins Gespräch und regt sie zu (gemeinsamen) Aktivitäten in ihrem Ort an. Zweimal im Jahr gibt es das große Vernetzungstreffen aller Vor-Ort Initiativen.
Ist es das, was euch an Eurer Tätigkeit fasziniert? Probleme identifizieren, Visionen entwerfen, innovative Lösungsansätze finden?
Absolut. Ich liebe es an meiner Tätigkeit, ständig neue Ideen produzieren zu dürfen und sie auch umzusetzen. Auszutesten, mit welchen Mitteln ich die unterschiedlichsten Personenkreise aktiveren kann, macht mir Spaß. Es fasziniert mich immer wieder, wie schnell man aus einer öden Rasenfläche eine summende und zwitschernde Blühfläche entwickeln kann.
Wo gärtnert ihr privat?
Wir haben hier in Berlin leider nur einen Balkon im 5. Stock. Dort haben wir trockenheitsliebende Pflanzen wie Thymian, Glockenblumen und Rosmarin, können uns wenig kümmern. Wir verbringen mehr Zeit damit, Naturgärten für Wohnungsbaugenossenschaften zu planen und mit Gärtner-Azubis anzulegen, das ist ein neuer Schwerpunkt unserer Stiftungsarbeit. Verbunden mit viel Kommunikation mit Mietern und Hauswarten und natürlich dem Garten- und Landschaftsbau. Schaut mal auf www.treffpunkt-vielfalt.de nach!
Dieses Jahr startet die 8. Runde eures Pflanzwettbewerbes. Worum geht es und wie kann man teilnehmen?
Wirklich JEDER kann mitmachen – vom Kleinkind bis zur Firmenchefin, vom Kleingärtner bis zum Bürgermeister. Wir bieten 11 Kategorien an, in die man seine Fläche zuordnen kann, z.B. sind Schul- und Kitagärten, Verkehrsinseln, Friedhöfe, Dorfplätze, Firmengärten und viele weitere Flächen im Rennen.
Ab sofort loslegen und auf der Wettbewerbsplattform www.wir-tun-was-fuer-bienen.de vom 1. April bis 31. Juli 2023 Bilder und Texte der Pflanzaktion hochstellen. Wer gewinnen will, sollte aussagekräftige, gerne auch heitere Fotos auf das Wettbewerbsportal hochladen. Sie sind wichtig, wenn wir über die Massenmedien viele weitere Menschen überzeugen wollen, dass Naturgärtnern und Insektenschutz Spaß machen.
Wir selbst schauen immer wieder gerne in unsere „Happy Bee – Hall of Fame“, in der uns die Gewinner der acht letzten Wettbewerbsjahre lachend entgegen blicken! Mitreißend! Wer sich inspirieren lassen will: Es gibt von allen Wettbewerben noch alle Gärten der Teilnehmer zu sehen.
Eine Besonderheit: Alle Teilnehmer sind aufgerufen, auf ihre Pflanzaktion aufmerksam zu machen und andere Menschen zu motivieren, selbst aktiv zu werden. Sie können z.B. Samen ihrer eigenen Pflanzen weiter geben, die Nachbarschaft oder die Lokalpresse in den Garten einladen und das Naturgartenprinzip erklären, oder über Social Media Kanäle ihre Erfahrungen kund tun und zum Nachmachen animieren.
Was macht Euch am meisten stolz in Bezug auf die Initiative?
Dass wir den Mut hatten, praktisch ohne nennenswertes Geld eine Stiftung aufzubauen, durchzuhalten. Auch, dass wir Ohrfeigen wegstecken konnten von denen, die wir an unserer Seite glaubten, die uns aber übel nahmen, dass wir ein Naturschutzthema über die domestizierte Honigbiene und die Imker einstielten. Uns macht deshalb tatsächlich ein wenig stolz, dass es uns über diese neuartige Naturschutzkommunikation gelungen ist, soooo viele Herzen für die (Wild)Bienen zu gewinnen. Unglaublich, wieviele unterschiedliche Menschen positiv auf unser Bienenmaskottchen reagierten. Viele Mails, die uns bescheinigen, dass wir offenbar ganz gut raushaben andere zu „inspirieren“, erfreuen auch unser Herz!
Was sind Eure Projekte für 2023?
Wir haben heute unsere neue Schulungsplattform online gestellt, wo alle Interessierte, vor allem Profis aus den Grünen Berufen, sich dem Thema „Naturnahes Gärtnern“ nähern können. Wir sind schon aufgeregt und hoffen, dass sich unsere Mühe gelohnt hat. Hier wollen wir übrigens gerne auch Eure schöne Datenbank mit heimischen Pflanzen anbieten. Diese Plattform wollen wir stetig weiter entwickeln. Auch wollen wir weitere Naturgärten mit Wohnungsbaugesellschaften errichten und möglichst viele MieterInnen für das Thema begeistern.
Was ist deine absolute Lieblingspflanze und warum?
Ich habe die ganzen Glockenblumen ins Herz geschlossen! Es gibt für jeden Platz eine passende Art und ihre Form und Farbe ist einfach zum lieb haben.
Wofür verwendet Ihr NaturaDB?
Unser Team findet euer Engagement und eure Datenbank wirklich richtig super. Unsere zwei Landschaftsarchitekten schauen regelmäßig bei ihren Planungen der Gärten auch bei Euch nach. Ihr seid inzwischen gut sortiert. Wir finden die Möglichkeiten, Listen zu erstellen für unterschiedliche Standorte hilfreich. Bei unseren Gartenseminaren geben wir gerne den Link weiter, weil ihr auch nicht zu viel und nicht zu wenig zu den einzelnen Arten schreibt, dass es einen wirklichen Mehrwert sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene darstellt. Die Rubrik „Pflanzen für Tiere“ nutzen wir persönlich am häufigsten. Bravo für diese irre Arbeit und das gute Konzept!
Herzlichen Dank für das Interview!
Schaut doch gern einmal bei Deutschland summt! vorbei: