Was ist Sommer-Linde?
Die Sommer-Linde (Tilia platyphyllos) ist ein sommergrüner Laubbaum aus der Familie der Malvengewächse (Malvaceae), zu der auch die ebenso bekannte Winter-Linde (Tilia cordata) und Silber-Linde (Tilia tomentosa) gehören. Beheimatet ist sie im Westen, Süden und Südosten Europas ebenso wie in Mitteleuropa und Kleinasien bis zum Kaukasus; sie fehlt auf den Britischen Inseln, Süden und Westen der Iberischen Halbinseln und weiten Teilen Skandinaviens. Dort findet man vergleichsweise selten wilde Vorkommen auf Schutt- und Geröllhängen, in Hangwäldern und den bezeichnenden Buchen-Linden-Bergwäldern und Linden-Ahorn-Wäldern; in den Alpen steigt sie bis auf eine Höhe von 1000 Meter.
Sommer-Linden haben eine breite rundliche Krone mit steil aufragenden Ästen und eine graubraune bis schwarzbraune, dicht gerippte und tief längsrissige Borke. Bei freiem Stand bleibt sie bis nahe am Boden beastet, im Wald wächst sie hingegen langschäftig mit geradem astfreiem Stamm. Die Bäume werden 30-35 Meter, im Alter auch über 40 Meter hoch und über 1000 Jahre alt, ihr Stamm erreicht einen Durchmesser von 0,5-1,5 Meter. Die weit verzweigten Herzwurzeln gehen von einer kräftigen Pfahlwurzel aus. Jung sind die Zweige deutlich hin- und hergebogen, mit einer olivgrünen, zur Sonne hin rötlich überlaufenen Farbe und flaumig behaart, später werden sie kahl. Korkwarzen sind reichlich vorhanden. Die Winterknospen sind eiförmig, rötlich und an der Spitze behaart.
Die Lindenblätter der Sommer-Linde stehen zweizeilig; sie sind auffällig unterschiedlich in ihrer Größe, mit einer mittleren Länge von etwa 15 Zentimetern und rund 12 Zentimetern Breite. Der Blattstiel ist 3-5 Zentimeter lang, die Spreite hat einen schief-eiförmigen bis schief-herzförmigen Umriss, mit einer deutlichen Spitze am Ende und einem scharf gesägten Rand. Während die matt dunkelgrüne Oberseite anfangs fein behaart ist und meistens verkahlt ist die Unterseite graugrün und behält ihre deutlich flaumige Behaarung, die in den Achseln weiße Bärte (bei der Winter-Linde rotgelbe) bildet. Gegen Ende des Jahres bekommen sie eine gelbe Herbstfärbung. Die Nebenblätter fallen früh ab.
Die etwa zwei Zentimeter großen Blüten sind bei der Sommer-Linde zwittrig, sternförmig und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Sie erscheinen im Juni nach dem Laubaustrieb als erste Lindenblüten des Jahres gut zwei Wochen vor denen der Winter-Linde und bilden 3-5-blütige Blütenstände, bei denen es sich botanisch um Trugdolden handelt. Die länglich-eiförmigen Kelchblätter sind 5-6 Millimeter lang und behaart, die verkehrt-eiförmigen Kronblätter 6-8 Millimeter lang, gelb und abgespreizt. Überragt werden sie den von den 25-30 Staubblättern, in deren Mitte sich der Fruchtknoten mit einem langen Griffel mit fünf Narben befindet. Aus ihnen entwickelt sich eine kugelige bis birnförmige, verholzende Nussfrucht mit dicker Wand, die 8-9 Millimeter lang wird und fünf deutliche Rippen sowie einen dünnen Filz aus grauen Haaren aufweist. Diese im Volksmund regional als Nasenfeger bezeichneten Nüsse stehen in Fruchtständen zusammen, die eine Länge von bis zu 10 Zentimeter erreichen und von einem 7-8 Zentimeter langen, 1,5-2 Zentimeter breiten pergamentartigen Flügel gekrönt werden, der einem vertrockneten Hochblatt entspricht. Die Fruchtreife erfolgt im September des gleichen Jahres.
Sommer-Linde im Garten
Standort
Sommer-Linde verträgt Schatten recht gut, hat aber auch gegen pralle Sonne nichts einzuwenden. Sie bevorzugt einen frischen nährstoff- und basenreichen, humosen und lockeren steinigen Lehmboden, der einen milden bis mäßig sauren pH-Wert aufweist. Für den großen Herzwurzler sollte der mittel- oder tiefgründig sein. Als heimischer Baum ist sie natürlich vollkommen winterhart.
Schnitt
Sollten sich am Grund der Sommer-Linde allzu viele Schösslinge bilden, kannst Du diese ab und zu zurückschneiden. Ansonsten brauchen die Bäume kaum Pflege, nur alte und abgestorbene Äste sollten regelmäßig entfernt werden.
Vermehrung
Üblicherweise wirst Du eine junge Sommer-Linde kaufen – in Baumschulen bekommt man sie regelmäßig. Du kannst Dich natürlich auch an der Aussaat der Samen versuchen, nur dauert das deutlich länger. Den Samen muss man als Kaltkeimer im Winter kühl halten, damit er überhaupt keimt. Die Keimlinge sind sehr apart, denn ihre Blätter sind ungewöhnlicherweise fünfzipfelig. Im Vergleich zur Winter-Linde ist die Sommer-Linde recht schnellwüchsig und bekommt ihre ersten Blüten nach 15-20 Jahren. Mit über 1000 Jahren wird sie zudem auch noch älter als ihre nahe Verwandte.
Verwendung
Die Sommer-Linde ist ein beliebter Baum für Parks und Grünanlagen, aber ebenso wie die Winter-Linde nur bedingt rauchhart – das raue innerstädtische Klima mit seinen Abgasen und Umweltbelastungen sagt den Bäumen nicht besonders zu. Im Garten wird man den großen Baum vor allem als Solitär pflanzen. In der Forstwirtschaft spielt sie nur eine untergeordnete Rolle.
Schädlinge
Sommer-Linde ist wie alle Linden empfindlich für die Phytophthora-Wurzelfäule und im Alter für Pilzbefall, der die hohl werdenden Stämme befallen kann. Auf der Borke finden sich bisweilen Schildläuse, und auf den Blättern und Blüten sind Blattläuse Dauergäste.
Ökologie
Gib der Krautschicht eine Chance!
In Wäldern gibt der späte Laubaustrieb der Sommer-Linde der Krautschicht genügend Zeit, um sich rechtzeitig vor der Verschattung zu entwickeln. Zudem verrotten die weichen Blätter sehr schnell und liefern einen wertvollen Kompost. Die Wurzeln verzweigen auch nahe unter der Erdoberfläche reichlich und gehen in die Tiefe, sodass die Bäume einen guten Bodenfestiger abgeben.
Intensiver Duft und reichlich Nektar
Die Blüten werden von einer Vielzahl von Insekten bestäubt, vor allem Bienen und Hummeln, aber auch von Fliegen und Schwebfliegen, die sich hier im Sommer in großer Zahl einfinden. Sie interessieren sich vor allem für den reichlich gebildeten Nektar, der von speziellen Haaren am Grunde der Kronblätter abgegeben wird. Dabei zeigen sie einen täglichen Rhythmus: morgens in aller Frühe und am späten Nachmittag ist die Nektarproduktion am höchsten. Der Morgennektar enthält 16-27 %, der Abendnektar 50-80 % Zucker. Den Weg weist ein intensiver Duft der Blüten, der gegen Abend hin stärker wird. Die gute Nachricht für Hummeln: Der Nektar der Sommer-Linde ist im Gegensatz zu dem der Silber-Linde für die dicken Brummer nicht gefährlich.
Lindenhonig und Lindenblütenhonig
Honigbienen verarbeiten den zuckerreichen Nektar zu Honig; bei ausreichend vielen Bäumen in der Nähe des Bienenstockes reicht das für einen sortenreinen Lindenhonig. An einer einzelnen Sommer-Linde können die Tiere Nektar mit bis zu einem Kilogramm Zucker einsammeln. Der aromatische grauweiße, gelblich-grüne bis braune Lindenhonig ist kräftig, cremig und sehr aromatisch. Die unterschiedlichen Farben kommen durch verschiedene Anteile von Honigtau zustande, der dem weißen reinen Nektar eine braune Tönung gibt. Den Honigtau sammeln die Bienen von den oft in großen Mengen vorhanden Beständen an Läusen und Zikaden. Speziellen Lindenblütenhonig, der zum größten Teil aus dem Nektar der Blüten hergestellt wird, erkennt man an seiner hellen Farbe und dem besonders ausgeprägten pfefferminzartigen Geruch nach Menthol. Außer dem süßen Saft holen sich die Honigbienen auch den Pollen, um daraus Bienenbrot (Perga) herzustellen.
Nektarlieferant und Raupenfutter für Schmetterlinge
Den Nektar nutzt auch ein Schmetterling, der Akazien-Zipfelfalter Satyrium acaciae. Wesentlich beliebter sind die Blätter der Sommer-Linde als Raupenfutter, insbesondere für Nachtfalter wie den Lindenschwärmer (Mimas tiliae) und die Trapezeule (Cosmia trapezina).
Unterschlupf für Milben
Einen ungewöhnlichen Wohnort bieten die haarigen Achselbärte auf der Blattunterseite – hier finden sich oft große Mengen an Milben, die hier Unterschlupf suchen. Man bezeichnet sie als Milbenhäuschen oder Acarodomatien.
Kleine Hubschrauber
Für die Verbreitung der Samen sorgt der Wind – die Flügel der Fruchtstände vertrocknen zu einer dünnen Haut und machen die Nüsse zu Drehflüglern, die sich langsam Richtung Boden bewegen und über weite Strecken davongetragen werden können. Viele dieser Fruchtstände bleiben im Winter an den Bäumen, auch wenn das Laub schon lange abgefallen ist.
Wissenswertes
Lindenarten in Europa
Zur Gattung Tilia gehören rund 50 Arten, von denen es in Mitteleuropa nur drei gibt: Sommer-Linde (Tilia platyphyllos), Winter-Linde (Tilia cordata) und Silber-Linde (Tilia tomentosa). Die anderen finden sich auf der gesamten nördlichen Hemisphäre, mit einem Verbreitungsschwerpunkt in Ostasien. 1991 wählte man die Sommer-Linde zum Baum des Jahres.
Woher kommt der Name Tilia und Linde?
Den Namen Tilia findet man bereits in der Antike, unter anderem bei Vergil und Columella. Der Artname platyphyllos kommt aus dem Griechischen und bedeutet breitblättrig; in der Tat sind die Blätter der Sommer-Linde deutlich größer als die der Winter-Linde; bei Wasserreisern können sie bis zu 25 Zentimeter lang werden. Das Wort Linde leitet sich vom althochdeutschen linta und mittelhochdeutschen linde ab.
Erneuerung kommt von Innen
Ein Grund für die Langlebigkeit der Sommer-Linde: Sie bildet Innenwurzeln. Wird der Baum im Alter hohl (alter Merkspruch über die Linde: 300 Jahre wachsen, 300 Jahre stehen, 300 Jahre vergehen), so kann sein Kambium in dem dort gebildeten Mulm neu austreiben. Das erklärt auch die Mehrstämmigkeit sehr alter Lindenbäume – stirbt der innere Teil mit der Zeit ab, stehen die neuen Stämme Gewehr bei Fuß und halten die Stellung. Der multiple Stamm erreicht so bei einigen Exemplaren einen Umfang von neun Metern und mehr.
Der Heilige Baum der Freya und die Goethe-Linden
Bei den alten Germanen und Slawen war die Linde heilig und der Fruchtbarkeitsgöttin Freya geweiht. Ihre besonders herausragende Stellung haben die Lindenbäume bis in Mittelalter und Neuzeit bewahrt. Große Exemplare dienten als Dorflinde, Tanzlinde oder Gerichtslinde, und später widmete man sie wichtigen Persönlichkeiten. Einiger der alten Goethe-Linden, Luther-Linden und andere stehen noch heute. Im Mittelalter durften sie zudem nicht gefällt werden und genossen besonderen Schutz, weil man sie als wichtige Trachtquellen für Honigbienen und die Herstellung von Lindenhonig und Lindenblütenhonig erkannt hatte.
Weiches Lindenholz in der Bildhauerei
Das Lindenholz der Sommer-Linde hat einen breiten gelblich-weißen Splint und einen kleinen dunklen Kern; es ist dicht, zäh und elastisch, trocknet schnell bei mäßigem Schwund und lässt sich gut bearbeiten. Es ist noch leichter als das Holz der Winter-Linde und daher vor allem in Schnitzerei und Bildhauerei beliebt. Man verwendet es auch zum Drechseln, für Möbel, Bilderrahmen und Spielzeug, die Reste für Holzwolle und Zellstoff.
Sommer-Linde in der Naturheilkunde
Als Naturheilmittel verwendet man Lindenblüten, genauer die kompletten Fruchtstände der Sommer-Linde, die in der Apotheke unter der Bezeichnung Tiliae flos (früher: Flores tiliae) erhältlich sind. Daraus bereitet man Lindenblütentee, der eine schweißtreibende und blutreinigende Wirkung hat. Besonders wirksam sind das ätherische Öl und die Flavonoide, hinzu kommen weitere Wirkstoffe wie Gerbstoffe und Schleimstoffe sowie Zucker. Die schweißtreibende Wirkung von Lindenblütentee hat sich vor allem bei fiebrigen Erkältungskrankheiten bewährt – eine solche Schwitzkur wurde früher sogar ausdrücklich vom Bundesgesundheitsamt, dem Vorgänger von Bundesamt für Arzeneimittel und Medizinprodukte (BFArM) und Robert-Koch-Institut (RKI) empfohlen.
Tilia-Globuli und Hildegard von Bingen
In der Homöopathie verwendet man die frischen Lindenblüten zur Herstellung einer Urtinktur, die man verdünnt oder zu Globuli verarbeitet gegen Rheuma, Nesselsucht und Heuschnupfen einsetzt. Inzwischen werden dafür aber häufiger die Blüten einer Hybride, der Europäischen Linde, Tilia europaea-Globuli verwendet.
In den Kräuterbüchern des Mittelalters werden Lindenblüten seltsamerweise kaum erwähnt, wohl aber die Lindenwurzeln und die Lindenrinde; nach Hildegard von Bingen sollen die getrockneten und pulverisierten Wurzeln gegen Herzleiden helfen und die Rinde als Amulett getragen gegen die Pest. In der Naturheilkunde werden sie heutzutage ebenso wie die Lindenholzkohle nur noch anekdotisch verwendet.
Das Laub von Sommer-Linde ist schnell kompostierbar
Das Herbstlaub von Tilia platyphyllos wird innerhalb von etwa einem Jahr zu wertvollem Laubkompost, den du zum Düngen deines Nutzgartens verwenden kannst. Nutze das Laub auch als Mulch, um den Boden vor Erosionen und Frost zu schützen. Ob als Kompost oder als Mulch – so förderst Du die Humusbildung.