Was ist Sumpf-Ziest?
Der Sumpf-Ziest ist ein Lippenblütler (Lamiaceae), den man in der freien Wildbahn häufig an feuchten und nährstoffreichen Stellen wie Wassergräben und den Ufern von Gewässern oder feuchten Feldern findet. Unterirdisch überdauert er den Winter mithilfe eines horizontal wachsenden Rhizoms und seiner reichlich gebildeten Ausläufer, die tief in die Erde reichen und weit in der Umgebung erstrecken. An ihnen bilden sich im Herbst charakteristische weiße Knollen, die für Schweine eine Delikatesse sind und der Pflanze den wenig schmeichelhaften Namen Schweinerübe eingebracht haben. Die oberirdischen Anteile sterben im Winter ab und werden im Frühjahr durch neue Pflanzen aus den Knospen des Rhizoms ersetzt.
Die verzweigten Stängel wachsen straff aufrecht; sie haben einen viereckigen Querschnitt und eine abstehende lockere Behaarung. Daran sitzen kreuzgegenständig die schmal-lanzettlichen Blätter mit herzförmiger Basis und kurzem Stiel. Sie sind mitunter beiderseitig filzig behaart.
An den Enden der Triebe erscheinen im Sommer und Herbst die Blütenstände; in den spitz zulaufenden Scheinquirlen stehen jeweils bis zu zehn einzelne Lippenblüten mit verwachsenem Kelch und Kronblättern, die in ihrem unteren Anteil zu einer Kelchröhre verwachsen sind. Die Kronblätter sind rotviolett bis purpurn oder rosa, mit einer helleren Zeichnung und dunklen roten Flecken. Nach der Bestäubung entwickeln sich daraus dunkelbraune verkehrt-eiförmige Klausenfrüchte.
Sumpf-Ziest im Garten
Standort
Der Sumpf-Ziest hat es gerne feucht; der Boden sollte normal bis lehmig und eher nährstoffarm ausfallen. Auch solltest Du nicht oder nur sehr sparsam düngen, denn die Pflanzen werden dadurch schwach und anfällig für Krankheiten und Pilze. Der Standort sollte sonnig bis halbschattig sein. Im Winter vertragen die Pflanzen bis zu -28 °C.
Schnitt
Stauden wie den Sumpf-Ziest solltest Du erst im Frühjahr schneiden, damit die abgestorbenen Pflanzenteile die überwinternden Anteile vor Frost schützen können. Zudem verstecken sich hier Insekten und Kleintiere. Im März vor dem neuerlichen Austrieb kannst Du die alten Anteile bodennah abschneiden und als Mulch oder für den Kompost weiterverwenden.
Vermehrung
Eine Vermehrung ist meistens gar nicht nötig, denn dafür sorgt der Sumpf-Ziest ganz von alleine – mit seinen Ausläufern und auch durch Selbstaussaat. Einmal angesiedelt erweist er sich schnell als äußerst hartnäckig, denn selbst kleine Reste von Wurzeln, Rhizom und Ausläufern wachsen zu neuen Pflanzen aus.
Verwendung
Mit seiner Vorliebe für gemäßigt feuchte Standorte empfiehlt sich der Sumpf-Ziest für den Uferbereich des Gartenteiches, für den Sumpfgarten, feuchte Wiesen und Gräben. In Kübeln und Kästen auf Balkon und Terrasse gepflanzt entwickelt er sich schnell zum Magneten für Insekten, die sich über den Pollen und Nektar hermachen.
Schädlinge und Krankheiten
spielen beim äußerst widerstandsfähigen Sumpf-Ziest keine besondere Rolle. Noch nicht mal Schnecken können sich mit der offenbar wenig geschmackvollen Kost anfreunden.
Ökologie
Wild wächst der Sumpf-Ziest in Ufernähe an Seen, in Mooren zusammen mit Erlen, an feuchten Gräben und Bachufern, Wiesen, Äckern und Brachflächen. Seine kleinen Lippenblüten liefern vielen Insekten Nahrung, denn sie bilden reichlich Nektar, den sich Bienen, Schmetterlinge und Schwebfliegen holen. Falls es nicht zur Fremdbestäubung kommt können die Blüten auch für Selbstbestäubung sorgen.
41 Wildbienen zeigen sich am nicht ganz so reichlich gebildeten Pollen interessiert; eine Reihe davon gilt inzwischen als stark gefährdet, wie die Späte Ziest-Schlürfbiene Rophites quinquesinosus und die Rote Schneckenhausbiene Osmia andrenoides, andere als vom Aussterben bedroht wie die Filzige Pelzbiene Anthophora pubescens und die Schwarze Mörtelbiene Megachile parietina. Zwei der Besucher gelten sogar als ausgestorben oder verschollen, nämlich die Kleine Holzbiene Xylocopa iris und die Nördliche Pelzbiene Anthophora borealis.
Als Raupenfutter werden die Pflanzen von Autographa pulchrina genutzt, der Silberpunkt-Höckereule oder in diesem Zusammenhang besser Ziest-Silbereule. Die Raupen der Nachtfalter sind grün mit gelb-weißen, leicht welligen Seitenstreifen. Sie überwintern und verpuppen erst im Mai des Folgejahres, die ausgewachsenen Eulen fliegen von Juni bis August.
Die Klausenfrüchte des Sumpf-Ziests werden von vorüberstreifenden Tieren und vom Wind verbreitet. Dabei können sie auch an Schuhen, Reifen und landwirtschaftlichen Geräten hängenbleiben. Ameisen gehören dank des ölreichen Elaiosoms zu den wichtigsten Transporteuren. Ebenso sind sie schwimmfähig und können mit Regen und Wasserläufen wegtransportiert werden.
Auf landwirtschaftlichen Flächen macht sich der Sumpf-Ziest des Öfteren bei Bauern unbeliebt, denn seine tiefgründigen und weitläufigen Wurzeln sind ziemlich impertinent und lassen sich nur schwer beseitigen.
Wissenswertes
Die im Herbst als Überdauerungsorgane gebildeten weißlichen Knollen sind nicht nur ein sensationelles Futter für die Schweine, sondern auch für den Menschen wohlschmeckend. Am besten schmecken sie im Winter, wenn sie sich bereits ordentlich entwickelt haben und auf wärmere Temperaturen warten.
Die Ziest-Knollen speichern mal zur Abwechslung keine Stärke, sondern ein anderes Polysaccharid namens Stachyose, das aus einem Saccharose- und zwei Galaktosebausteinen gebildet wird. Unsere körpereigenen Enzyme können diese im Darm nicht abbauen, sodass die Stachyose für uns keinen Nährwert hat. Allerdings machen sich die Darmbakterien darüber her und können bei reichlichem Genuss von Knollen zu Blähungen führen.
Als Heilpflanze spielt der Sumpf-Ziest heute keine Rolle mehr. In den Kräuterbüchern des Mittelalters wurde er noch zur Beschleunigung der Wundheilung und Entzündungshemmung empfohlen. Heute weiß man, dass seine Inhaltsstoffe auch blutdrucksenkend wirken.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner