Was ist Späte Trauben-Kirsche?
Späte Trauben-Kirsche oder genauer Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina) ist ein schnellwüchsiger Zierbaum aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae), der ursprünglich aus Amerika stammt – dort wächst sie vom Osten Kanadas und der USA bis nach Guatemala. Bei uns findet man sie ausgewildert vor allem an feuchten, aber nicht durchdringend nassen Stellen von Auwäldern, Ufern und Waldrändern vornehmlich in Niedersachen und Sachsen-Anhalt.
Die Späte Trauben-Kirsche wächst in ihrer Heimat als bis zu 30 Meter hoher Baum mit einem Stammdurchmesser von bis über anderthalb Meter, in unseren Breiten hingegen vorzugsweise als mehrstämmiger, nur 5-8 Meter hoher Strauch. Das Wurzelwerk bleibt weitestgehend flach unter der Oberfläche. Sie hat eine schmal längliche bis breit säulenförmige Krone mit kurz abstehenden Ästen. Ihre Rinde ist anfangs glatt, dunkelbraun bis dunkelgrau und wird im Alter zusehends rissig und schuppig. Sie riecht eher unangenehm nach bitteren Mandeln.
Die sommergrünen Blätter sind 4-12 Zentimeter lang und sechs Zentimeter breit, länglich-eiförmig bis länglich-lanzettlich und zugespitzt, derb und oberseits lackartig glänzend dunkelgrün, auf der Unterseite heller und am Rand mit undeutlichen kleinen knorpeligen Zähnen. Auf der Mittelrippe weisen sie meistens rostbraune Haare auf, die Basis verschmälert sich keilförmig in den 0,5-2,5 Zentimeter langen, mit wenigen Drüsen besetzten Blattstiel. Gegen Ende des Jahres bekommen die Blätter eine gelbe bis orange Herbstfärbung.
Die duftenden schüsselförmigen Blüten erscheinen im Mai und Juni zu 10-25 Exemplaren in zylindrischen, 12-15 Zentimeter langen aufrechten bis abstehenden, später hängenden Trauben. Sie haben einen Durchmesser von 1,5-2 Zentimetern, einen nackten oder behaarten Blütenstiel und innen kahlen Achsenbecher und sind wie bei Rosengewächsen zumeist üblich fünfzählig mit doppelter Blütenhülle, aktinomorph und zwittrig. Die breit-ovalen Blütenblätter sind reinweiß.
Aus den bestäubten Blüten entwickeln sich kleine Kirschen, kugelige, anfangs rote, später violette bis schwarze Früchte mit einem Durchmesser von 6-10 Millimetern, dünnem saftigem Fruchtfleisch und einem glatten elliptischen, am Ende gespitzten Steinkern im Inneren. Sie sind essbar und schmecken süßlich-aromatisch, aber bitter.
Späte Trauben-Kirsche im Garten
Standort
Späte Trauben-Kirsche wächst am besten in einem feuchten, aber gut durchlässigen und mäßig fruchtbaren Boden; sie braucht für optimalen Blütenansatz volle Sonne oder zumindest Halbschatten. Feucht gerne, aber zu viel und vor allem stehende Nässe mag sie nicht. Beim Pflanzen in der Nähe vielbegangener Wege im Garten sollte man vorsichtig sein: Die große Zahl der herabfallenden Früchte und ihrer glitschigen Kerne kann Gehwege zur Rutschpartie machen. Woanders wächst sie aber auch besser, denn das flache Wurzelwerk reagiert empfindlich auf Bodenverdichtung, wie sie sich an Wegen kaum vermeiden lässt.
Schnitt
Viel Schnitt und Pflege ist bei Prunus serotina nicht erforderlich, sie wächst auch ohne menschliches Zutun zu einem prächtigen Strauch heran. Lediglich schiefe und überkreuzende Äste solltest Du ab und zu entfernen, und natürlich kann man jederzeit alte und abgestorbene Zweige abschneiden. Wird sie zu groß und möchtest Du sie zurechtstutzen, so solltest Du das unmittelbar nach der Blüte in Angriff nehmen. Zu spät im Jahr schneiden führt nur dazu, dass im Folgejahr weniger Knospen und Blüten gebildet werden.
Vermehrung
In Eigenregie sorgt die Späte Trauben-Kirsche mit Samen, Wurzelbrut und Stockausschlag fleißig für ihre Ausbreitung. Im Garten kannst Du Dir diese zunutze machen. Ansonsten wirst Du Dir in aller Regel erst einmal im Gartenhandel eine kleine Prunus serotina kaufen und pflanzen.
Die Aussaat erfolgt am besten im Herbst unmittelbar nach der Samenreife direkt im Freiland, im Frühsommer lassen sich Stecklinge vom grünen Holz abnehmen, sie bewurzeln allerdings eher recht als schlecht und meist nur mit Bodenheizung. Die Keimfähigkeit der Samen bleibt rund fünf Jahre erhalten; die Sämlinge werden in den ersten drei bis vier Jahren etwa 15 Zentimeter groß, unter absolut optimalen Bedingungen erreichen sie bisweilen sogar im ersten Jahr einen Meter. Traubenkirsche gilt vor allem in jungen Jahren als schnellwüchsig; bei freiem Stand können sie bereits nach fünf Jahren zum ersten Mal blühen.
Verwendung
Die Späte Traubenkirsche ist in Parks und Grünanlagen beliebt. Im heimischen Garten macht sie sich gut als reichblühender Solitär, aber auch in Gehölzgruppen. Man kann sie auf sandigen Böden auch als Bodenfestiger einsetzen.
Schädlinge
Im Großen und Ganzen ist die Späte Trauben-Kirsche sehr robust und wenig anfällig für Schädlinge und Krankheiten. Blattläuse sind allerdings Dauergäste, und Raupen wie die der Traubenkirsche-Gespinstmotte (siehe Ökologie) können die Sträucher verunstalten. Vor allem im Alter treten Pilzkrankheiten wie Asteroma padi, Phoma pomorum, Monilia-Spitzendürre oder Bleiglanz (Verursacher: Violetter Knorpelschichtpilz Chondrostereum purpureum) auf, seltener bilden sich durch Taphrina-Arten hervorgerufene Hexenbesen mit dicht gedrängt stehenden Zweigen. Die zunehmenden Pilzerkrankungen sorgen dafür, dass die Bäume nicht so alt werden wie in ihrer Heimat.
Ökologie
Späte Traubenkirsche als gute Bienenweide
Die Blüten der Späten Trauben-Kirsche erscheinen rund zwei Wochen nach denen der einheimischen Gemeinen Traubenkirsche Prunus padus und werden wie diese von einer Vielzahl von Insekten besucht. Als Hauptbestäuber gelten Honigbienen und Schwebfliegen. Bei unseren mitteleuropäischen Imkern ist die amerikanische Art beliebter als unsere heimische Prunus padus, da sie eine noch bessere Bienenweide darstellt: Der Ertrag pro Hektar (so viel am Stück gibt es bei uns allerdings eher selten) liegt bei 5-25 Kilogramm Zucker und 18-30 Kilogramm Pollen.
Raupenfutter für Schmetterlinge
Das Blattwerk des amerikanischen Exoten dient bei uns fünf Schmetterlingen als Raupenfutter. Tritt die Traubenkirsche-Gespinstmotte Yponomeuta evonymella in großer Zahl auf, kann sie die Sträucher vollkommen kahlfressen und mit ihrem Gespinst völlig überziehen, sodass sie wie von einem Leichentuch bedeckt erscheinen. Keine Panik – haben sich die Raupen erst einmal verpuppt treibt die Traubenkirsche in wenigen Wochen neue Blätter. Sie bevorzugt zudem eindeutig die hier heimische Gemeine Traubenkirsche.
Ähnlich sieht es mit dem Ulmen-Fleckenspanner oder Ulmen-Harlekin (Abraxas sylvata) aus, auch er nagt lieber an der heimischen Verwandten oder wie der Name bereits vermuten lässt an der Bergulme Ulmus glabra und anderen Laubhölzern. Diese Art ist weit verbreitet, aber gebietsweise massiv zurückgegangen.
Nicht ganz so groß ist der Andrang von Haseleule (Colocasia coryli), Blaukopf (Diloba caeruleocephala) und Goldafter (Euproctis chrysorrhoea). In der amerikanischen Heimat ist die Zahl der tierischen Interessenten wesentlich höher als bei uns, etwa Nachtfaltern wie der Gespinstmotte Malacosoma americanum und dem Spanner Rheumaptera prunivorata.
Verbreitung: Amseln und Schwarzbären
Für die Verbreitung der Samen sorgen Tiere – insbesondere Vögel und Säuger, die bei der Verdauungsausbreitung gerne behilflich sind. Die Darmpassage sorgt sogar dafür, dass sich die Keimrate deutlich erhöht. Hauptverbreiter in Europa sind Amsel und Ringeltaube, in Amerika Füchse, Hasen, Waschbären, Eichhörnchen und Streifenhörnchen, aber auch große Tiere wie der Amerikanische Schwarzbär . Da gibt es viel zu holen: Eine einzelne Späte Traubenkirsche bildet pro Jahr etwa 6000 Früchte, und alle 3-4 Jahre ist der Fruchtansatz besonders üppig.
Späte Traubenkirsche als Waldunkraut und invasiver Neophyt
Als Zierbaum ist die Späte Trauben-Kirsche weltweit beliebt – und problematisch, denn mit ihrem aggressiven Wachstum erweist sie sich vielerorts als invasiver Neophyt, der die einheimische Flora zurückdrängt und die alteingessenen Ökosysteme durcheinanderbringt. Als natürlichen Feind versucht man inzwischen Bleiglanz (Violetter Knorpelschichtpilz Chondrostereum purpureum) einzusetzen, um die Ausbreitung einzudämmen.
Bei uns ist sie zwar ebenfalls weit verbreitet und öfters vor allem auf nährstoffarmen und sandigen Untergründen ausgewildert, allerdings ist sie in unserem Klima eher schlecht wüchsig. Trotzdem gilt sie als eine der invasivsten Arten Mitteleuropas. Problematisch ist vor allem das Auswachsen aus Wäldern in ohnehin bedrohte Offenlandbiotope wie Heiden, Moore und Magerwiesen und das Absterben der von ihnen beschatteten Moos- und Krautschicht in Wäldern. Nachdem die Pflanzen bei uns ohnehin als eingebürgert gelten sollte vor allem die Forstwirtschaft vorsichtig mit Neupflanzungen umgehen, eine Ausrottung ercsheint mittlerweile ohnehin aussichtslos.
Wissenswertes
Black Cherry – beliebtes Kirschbaumholz
In Nordamerika ist die Späte Trauben-Kirsche ein bedeutender Forstbaum. Das von ihm gewonnene Kirschbaumholz wird unter der Bezeichnung Black Cherry, Schwarzkirsche angeboten. Es ist mittelmäßig hart und schwer, gleichmäßig mit einem hellen gelben Splint und einem grünlich schimmernden braunen Kern, der sich unter Lichteinfluss allerdings bald braunrot mit goldenem Schimmer verfärbt. Man verwendet es für Möbel, Furniere, Spielzeug und Pfeifen.
Amerikanische Riesen und europäische Zwerge
In Amerika werden die Bäume auch über 30 Meter hoch und haben bis eineinhalb Meter dicke Stämme – der Rekord liegt bei 39 Metern und 2,3 Meter in Brusthöhe bei einem 260 Jahre alten Exemplar. Bei uns bleibt sie deutlich kleiner und wächst als Busch, der mit 70 Jahren eine Höhe von 20 Metern erreichen kann. Meistens kommt es nicht so weit, und viele Traubenkirschen sterben bereits mit rund 30 Jahren an Pilzerkrankungen.
Vom Forstgehölz zum Plagegeist
Als Zier- und Forstgehölz wurde die amerikanische Späte Trauben-Kirsche 1623 in Europa eingeführt, in Paris pflanzte man sie um 1630 an und bei uns wird sie erstmals 1685 erwähnt. Zunächst pflanzte man sie in Parks und Landschaftsgärten, und ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann auch ihre forstwirtschaftliche Karriere. Bewährt hat sich die Sandliebhaberin vor allem als Laubholz-Beimischung in Kiefern- und Lärchenforsten, Wind- und Brandschutz, zur Aufforstung von Heideflächen und als Bodenfestiger für Dünen – in Norddeutschland wird sie seit den 1950er Jahren zu diesem Zweck eigens angebaut. Als recht durchsetzungsfähige Art breitet sie sich seitdem auf mageren sandigen Böden aus und ist vor allem in der Norddeutschen Tiefebene und am Oberrhein weit verbreitet.
Späte Traubenkirsche und Nordische Traubenkirsche
Die ausgewilderten Vorkommen der Späten Traubenkirsche werden mit wenigen Ausnahmen vom Arttypus, der Unterart Prunus serotina ssp. serotina gebildet. Vergleichsweise selten ist die Nordische Trauben-Kirsche Prunus serotina ssp. petraea, die noch derbere Blätter, aber geruchlose Blüten aufweist. Diese findet man fast ausschließlich in den höheren Gebirgslagen.
Achtung, Verwechslungsgefahr: Virginische und einheimische Traubenkirschen
Eine ganz ähnliche Art ist die ebenfalls in Amerika beheimatete Virginische Traubenkirsche (Prunus virginiana), bei der aber die die Blätter nicht so glänzend und einen deutlich spitz gezähnten Rand aufweisen. Auch sie findet sich häufig vielerorts bei uns verwildert, und in ihrer Heimat bilden beide oftmals Hybriden. Verwechslungsgefahr besteht auch mit unserer einheimischen Trauben-Kirsche Prunus padus. Hier sind die Blätter kürzer und breiter und glänzend nicht so auffallend, und auch die braunen Wollhaare auf der Unterseite fehlen bei der heimischen Art. Sie ist auch die Referenz für das „Spät“ in Späte Traubenkirsche und Spätblühende Traubenkirsche – letztere blüht etwa zwei Wochen später, und die zum Verwechseln ähnlich aussehenden Früchte reifen im August und September.
Späte Traubenkirsche als Giftpflanze
Als Giftpflanze ist die Späte Traubenkirsche mitunter für Nutztiere gefährlich. Vor allem die Samen, aber auch das verwelkende Laub enthalten cyanogene Glykoside, die bei der Verdauung Blausäure bilden. Unzerkaute Samen sind das Geheimnis der Verbreitung durch Vögel, Rehe und Kleinsäuger, aber das welke Laub wird in den USA für zeitweilig auftretende Vergiftungen bei Hausschweinen verantwortlich gemacht.
Das Laub von Späte Trauben-Kirsche ist schnell kompostierbar
Das Herbstlaub von Prunus serotina wird innerhalb von etwa einem Jahr zu wertvollem Laubkompost, den du zum Düngen deines Nutzgartens verwenden kannst. Nutze das Laub auch als Mulch, um den Boden vor Erosionen und Frost zu schützen. Ob als Kompost oder als Mulch – so förderst Du die Humusbildung.