Was ist Stängellose Schlüsselblume?
Stängellose Schlüsselblume, Schaftlose Primel oder Kissenprimel (Primula vulgaris) ist eine rosettenbildende immergrüne Staude, die bei uns auch wild vorkommt. Man findet den Vertreter aus der Familie der Primelgewächse (Primulaceae) selten in krautreichen Buchen-, Tannen- und Eichen-Hainbuchen-Wäldern, auf Wiesen und an Böschungen; ursprünglich ist sie in Süd- und Westeuropa beheimatet.
Die bis zu 20 Zentimeter hohen Pflanzen überdauern mit Hilfe eines ausgeprägten kurzen, faserigen Wurzelstockes. Das Rhizom hat beim Ausgraben einen leichten Geruch nach Anis. Daraus erhebt sich an dem namensgebenden extrem kurzen Stängel eine Rosette aus bis zu 25 Zentimeter langen verkehrt-lanzettlichen bis verkehrt-eiförmigen Blätter mit unregelmäßig gesägtem oder gebuchtetem Rand, der leicht nach unten umgerollt erscheint und der sich allmählich in den Blattstiel verschmälert. Sie sind mittelgrün, runzelig, oberseits kahl und auf der Unterseite sternförmig und drüsig behaart.
Die lang gestielten, 2,5-4 Zentimeter breiten und schwach aber angenehm duftenden Blüten stehen grundständig in kurzstieligen büscheligen Dolden mit 3-25 Exemplaren. Ihre Blütenstiele sind zottig behaart und deutlich länger als die linealischen blassgrünen Hüllblätter. Die Blüten selbst sind fünfzählig, radiärsymmetrisch und zwittrig, mit einem kantigen und behaarten grünlichgelben Kelch, der nur halb so lang wird wie die Krone. Diese ist bei der Wildform hell schwefelgelb, basal miteinander verwachsen mit fünf orangefarbenen Flecken im Schlund und einem flach ausgebreiteten Saum aus verkehrt-herzförmigen Kronzipfeln. Staubblätter und Narben sind im Inneren der Kronröhren verborgen. Aus den Fruchtknoten entwickeln sich eiförmige, an der Oberseite mit Klappen öffnende Kapselfrüchte mit braunen, 2-3 Millimeter großen schwarzen Samen mit warziger Oberfläche.
Stängellose Schlüsselblume im Garten

Quelle: Nahhana/shutterstock.com
Standort
Wie an ihren natürlichen Standorten bevorzugt die Stängellose Schlüsselblume auch im heimischen Garten einen sickerfrischen, nährstoff- und basenreichen, kalkfreien neutralen bis mäßig sauren humosen, steinigen oder reinen Lehmboden. Sie zieht Halbschatten der prallen Sonne vor, wächst aber auch hier, solange der möglichst durchlässige und tiefgründige Boden ausreichend feucht gehalten wird. Die Pflanzen sind wenig frostempfindlich und können mit der Zeit ausgedehnte Teppiche bilden.
Schnitt
Ein Schneiden ist bei der Stängellosen Schlüsselblume nur erforderlich, um abgeblühte und verwelkte Teile zu entfernen.
Vermehrung
Die Vermehrung der Stängellosen Schlüsselblume erfolgt mit Samen, die man im zeitigen Frühjahr an Ort und Stelle im Garten aussät. Man sollte die Lichtkeimer nicht allzu tief in der Erde versenken. Auch ein Teilen der vorhandenen Bestände ist problemlos möglich. Bei guter Pflege können die Pflanzen mehrere Jahrzehnte alt werden; Blüten erscheinen erst ab dem zweiten Jahr.
Verwendung
Primeln sind äußerst dankbare Gewächse, die man im Garten fast überall anpflanzen kann. Sie machen sich ausgezeichnet in Blumenbeeten, Staudenrabatten, Steingärten und sogar in der Randbepflanzung von Gartenteichen oder bei der Dachbegrünung. Auch in Töpfen und Kästen auf Balkon und Terrasse machen sie eine gute Figur und liefern dort ansässigen Schmetterlingen und Wildbienen Nahrung. Auf Friedhöfen gehört sie neben Stiefmütterchen zu den gängigsten Grabbepflanzungen.
Schädlinge
Schlüsselblumen sind ebenso dekorativ wie anfällig für Schädlinge. Vor allem Blattläusen und Schneckenhaben sie es angetan, aber auch Käfern und Spinnmilben. Als Krankheiten kommen vor allem die Phytophthora-Wurzelfäule, Grauschimmel (Botrytis spec.) und diverse Rostpilze vor, die an den Blättern unschöne braune Flecken hinterlassen.
Ökologie
Die faserigen Wurzeln der Stängellosen Schlüsselblume bilden eine enge Symbiose mit Mycorrhiza-Pilzen, mit denen sie Nährstoffe gegen Photosyntheseprodukte eintauscht. Bestäubt werden die Blüten vor allem von Hummeln, Tagfaltern und Wollschwebern, aber auch von Bienen, Fliegen, Schwebfliegen und Käfern. Den Pollen sammeln die beiden Wildbienen Zweifarbige Sandbiene (Andrena bicolor) und Gemeine Pelzbiene (Anthophora plumipes). Als Raupenfutter werden die Blätter von zwei Schmetterlingen verwendet, der Kleinen Bandeule (Noctua interjecta) und der Ditrapez-Erdeule (Xestia ditrapezium). Die Verbreitung der Samen übernehmen Ameisen, die sie wegen ihrer nährstoffreichen Anhängsel verschleppen.
Wissenswertes
Primula ist die Verkleinerungsform des lateinischen Prima – die Erste. Damit deutet der Name darauf hin, dass die Pflanze zu den ersten Frühblühern im Jahr gehört. Dagegen bedeutet vulgaris sinngemäß verbreitet und spielt auf ihr häufiges Vorkommen hin.
Neben der Wildform findet man in Gärten wesentlich häufiger die zahlreichen Hybriden und Zuchtsorten, die andersfarbige und teils gefüllte Blüten aufweisen. Die überaus dankbare und pflegeleichte Stängellose Primel ist eine der wichtigsten Zierpflanzen des Gartenfachhandels, die alljährlich einen großen Teil des Umsatzes ausmacht. Im Frühjahr bekommt man eine bunte Vielzahl in allen Rot-, Gelb-, Blau- und Weißtönen.
Als Heilpflanze steht die Stängellose Schlüsselblume im Schatten der Echten Schlüsselblume Primula vera, aber sie enthält genau wie diese Saponine und Vitamin C. Ihre Wurzeln werden bis heute von der Naturheilkunde und Phytotherapie als harntreibendes, schmerzlinderndes, krampf- und schleimlösendes Mittel verwendet, vor allem bei Erkältungskrankheiten.
Was sind mehrjährige Stauden?
Mehrjährige Stauden bleiben über viele Jahre erhalten. Den Winter überdauern sie eingezogen in Wurzeln, Zwiebeln oder anderen unterirdischen Speicherorganen und treiben im nächsten Frühjahr wieder aus.
Markus Wichert
Naturgärtner