Was ist Weymouth-Kiefer?
Weymouth-Kiefer, korrekter Weymouths Kiefer, Seidenkiefer oder auch Strobe (Pinus strobus) genannt ist eine aus Nordamerika stammende Kiefernart und gehört zur gleichnamigen Familie der Kieferngewächse (Pinaceae). In ihrer Heimat wächst sie in einem Gebiet zwischen Manitoba, Quebec und Neufundland im Norden, im Süden bis nach Tennessee, South Carolina und Georgia, im Westen bis nach Iowa, Illinois und Minnesota. Man findet sie vor allem in den luftfeuchten Tieflagen der Apalachen, wo sie bis in eine Höhe von 1.300 Metern aufsteigt.
Die Weymouth-Kiefer bildet bereits in jungen Jahren eine kräftige und tiefreichende Pfahlwurzel, von der kräftige horizontale Seitenwurzeln und kleiner vertikale Senkerwurzeln abgehen. Daraus erhebt sich ein stattlicher immergrüner Baum mit langem geradem Stamm und einer anfangs locker kegelförmigen, im Alter ausladendend breiten, flachen oder rundlichen Krone. Sie wird bei uns meist 15-30 Meter hoch, wohingegen in ihrer Heimat Exemplare mit über 60 Metern und einem Stammdurchmesser von 1,5 Metern nicht unüblich sind.
Die mäßig verzweigten Äste stehen etagenweise in deutlich abgesetzten Quirlen horizontal und steigen bogenförmig auf. Ihre Rinde ist bei jungen Bäumen dünn, glatt und rötlich dunkelgrün, im Alter dunkelgrau, dick und tief längs gefurcht und schuppig abblätternd. Junge Triebe sind dünn, grünlich, kantig gerieft und flaumig behaart, die älteren kahl, orangefarben und durch die Narben der abgefallenen Kurztriebe rau. Die Winterknospen der Weymouth-Kiefer sind länglich-eiförmig, von braunen harzigen Knospenschuppen bedeckt und haben eine kurze Spitze.
An den zahlreichen Kurztrieben stehen jeweils fünf Nadelblätter wie ein kleines Pinselchen in einer zentimeterlangen Nadelscheide, die bereits im ersten Jahr abfällt. Die weichen geraden, in sich gedrehten Nadeln selber sind 6-12 Zentimeter lang und weniger als einen Millimeter breit; sie stehen in einem spitzen Winkel ab und haben im ersten Jahr eine hellgrüne, danach eine dunkel graugrüne Färbung. Sie halten etwa drei Jahre und haben mit ihrer weichen Beschaffenheit für den Namen Seidenkiefer gesorgt. Im Querschnitt sind sie beinah dreieckig, der Rand ist fein gesägt, die Spitze wie das ganze Blatt sehr weich und nicht stechend. Auf den beiden Innenseiten der Nadeln sind feine weiße Linien mit Spaltöffnungen zu erkennen.
Weymouth-Kiefer ist einhäusig und bildet im April und Mai bis in den Juni hinein Blütenstände beiderlei Geschlechts an den gleichen Bäumen. Weibliche Blütenstände gibt es alljährlich, männliche machen oft ein Jahr oder länger Pause. Dagegen werden alle 3-5 Jahre besonders viele Zapfen gebildet.
Die männlichen Blütenstände sind eiförmig, 6-7 Millimeter lang und gelb, die einzeln oder in kleinen Gruppen von bis zu vier Exemplaren stehenden weiblichen 1-2 Zentimeter lang, aufrecht und hellrot bis dunkel purpurrot. Aus ihnen entwickelt sich der unverkennbare Zapfen der Weymouth-Kiefer; er ist anfangs grauviolett, später braun, in der Reife 8-20 Zentimeter lang und geöffnet 4-5 Zentimeter breit, leicht gebogen und sitzt auf einem 1-3 Zentimeter langen Stiel.
Man findet die Zapfen fast ausschließlich im oberen Bereich der Krone. Wenn sie sich öffnen spreizen die harzreichen und ledrig-holzigen Zapfenschuppen weit ab, um die Samen freizugeben. Diese reifen erst im August und September des zweiten Jahres und werden 5-7 Millimeter lang; ihr Flügel hat eine Länge von 1-2 Zentimetern und eine Breite von 5-6 Millimetern. Der Wind verbreitet sie unmittelbar nach der Samenreife, die leeren Zapfen fallen erst im Laufe des darauffolgenden Frühjahrs herab.
Weymouth-Kiefer im Garten

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Standort
Die Weymouth-Kiefer bevorzugt einen frischen, warmen und mäßig sauren Lehm- oder Sandboden. Sie ist ein Sonnenanbeter und steht am liebsten in der prallen Sonne. Die Bäume sind vollkommen winterhart, nur im ersten Jahr nach dem Pflanzen solltest Du die Baumscheibe mit etwas Laub oder Reisig schützen, bis alles zuverlässig angewachsen ist. Spätfröste mag sie auch später nicht besonders, und große Schneelasten können die Bäume brechen lassen.
Schnitt
Schneiden sollte man die Weymouth-Kiefer ebenso wenig wie andere Kiefern – unbeschnitten entwickeln sich die Kronen am schönsten. So etwas wie ein Formschnitt ist überhaupt nicht erforderlich; totes und abgestorbenes Holz kann man natürlich jederzeit trotzdem absägen.
Vermehrung
Aus den frisch gereiften Samen kann man die Weymouth-Kiefer ohne weiteres vermehren, aber das ist ein Generationenprojekt: Nicht vergessen, die Bäume werden mehrere hundert Jahre alt. In jungen Jahren wachsen sie recht flott, und bei Einzelstellung blühen sie bereits nach 10-15 Jahren. Das ist recht früh im Vergleich zu den nordamerikanischen Wäldern, wo sie erst nach 30-40 Jahren mit dem Blühen anfängt und Zapfen bildet.
Jedenfalls empfiehlt es sich, stattdessen lieber eine kleine Weymouth-Kiefer zu kaufen und sich mit dem Bäumchen aus Baumschule oder Gartencenter einen kleinen Vorsprung zu verschaffen.
Verwendung
Die Weymouth-Kiefer ist mit ihren stattlichen Bäumen eine beliebte Konifere für Parks, Grünanlagen und auch für den heimischen Garten. Dort ist sie mit einer Höhe von bis zu 30 Metern nur für die etwas größeren geeignet, wo sie einen stattlichen Solitär abgibt. Mit reichlich Standfläche kommen sie besonders gut zur Geltung, sodass Du andere Bäume und Gehölze auf Abstand halten solltest. Weymouth-Kiefern sind noch weniger rauchhart als die anderen Kiefernarten und für das innerstädtische Klima mit seinen Abgasen kaum zu gebrauchen.
Was aber immer geht: Weymouth-Kiefer als Bonsai. Bei den kleinen Bäumchen sehen die kleinen Pinsel der Nadeln besonders apart aus. Ähnliches gilt für die Blumenbinderei – hier werden die Äste für Grabgestecke und Weihnachtsdekoration verwendet.
Schädlinge
Ähnlich wie bei anderen Kiefernarten treten auch bei der Weymouth-Kiefer Käfer- und Wicklerraupen, Wollläuse und Rostpilze auf. Die größten Probleme bereitet der Blasenrost, hervorgerufen durch Cronartium ribicola. Er ist ein Paradebeispiel für eine ökologische Katastrophe, bei der sich zuvor als harmlos geltende Krankheitserreger bei einer anderen Spezies als tödlich erweisen.
Blasenrost gab es in Russland an der dort heimischen Sibirischen Zirbelkiefer (Pinus sibirica) offenbar schon seit Urzeiten, ohne dass der Rostpilz den Bäumen etwas anhaben konnte. Mit der Harmlosigkeit war es allerdings vorbei, als die forstwirtschaftlich angebaute Weymouth-Kiefer bis in den Lebensraum ihrer sibirischen Verwandten vorstieß und in Kontakt mit dem Krankheitserreger kam. Bei ihr äußert sich der Befall mit Blasenrost durch blasige Wucherungen an der Rinde von Stämmen und Zweigen. Sie sind voller gelber oder roter Sporen, die sich im Frühsommer zunächst auf Johannisbeeren (Ribes, daher auch der Pilzname ribicola) breitmachen, vor allem auf der Schwarzen Johannisbeere (Ribes nigrum). Hier bildet der Blasenrost eine neue Sporengeneration, die nun bevorzugt die dagegen äußerst empfindliche Weymouth-Kiefer heimsucht.
Wenn sich der Pilz an einem Baum so breit gemacht hat, dass die Infektion offensichtlich wird, ist die Pflanze nicht mehr zu retten und muss im Forst gerodet und verbrannt werden. Im heimischen Garten solltest Du befallene Bäume auf keinen Fall fein gehäckselt einschließlich der Sporen im Kompost verewigen, sondern zumindest im Restmüll entsorgen.
Ökologie
Raupenfutter für Nachtfalter
In unseren Gärten dient die Weymouth-Kiefer vier Nachtfaltern als Raupenfutter, zwei Spinnerartigen und zwei Eulenfaltern: dem Kiefernschwärmer Sphinx pinastri, dem Kiefern-Eckflügelspanner Macaria liturata, der Kieferneule Panolis flammea und der Hochwald-Fichteneule oder Klosterfrau (ohne Melissengeist) Panthea coenobita.
Bestandsprägender Baum
Im Osten Nordamerikas prägt die Weymouth-Kiefer viele Wälder des Tieflandes und der Apalachen, wo sie große Bestände bildet oder zusammen mit Amerikanische Esche (Fraxinus americana), Kanadische Hemlock (Tsuga canadensis) und Eiche vorkommt.
Feuer, Erde, Luft
Die Pfahlwurzel der jungen Bäume verkümmert auf flachgründigen Böden, sodass das Wurzelsystem von den horizontalen Seitenwurzeln und den kleinen vertikalen Senkerwurzeln gebildet wird. Das macht die Weymouth-Kiefer anfällig für Wind – ein starker Sturm kann ganze Wälder davon umlegen. Weniger empfindlich ist sie gegenüber den im Nordosten der USA bisweilen auftretenden Waldbrände: Ist das Unterholz nicht so dicht, dass es zu langanhaltenden und die Krone gefährdenden Bränden kommt schützt die dicke Borke den Stamm. Danach können die Samen die natürlich brandgerodete Fläche schnell mit neuen Bäumen besiedeln. Die Verbreitung der Samen übernimmt der Wind, der sie dank der kleinen Flügel lange in der Luft schweben lässt.
Fliegenpilze und Pfifferlinge als Nachbarn
Apropos Wurzeln: Die Weymouth-Kiefer bildet Mykorrhiza mit Pilzen aus, etwa mit dem Fliegenpilz (Amanita muscaria) und dem Pfifferling (Cantharellus cibarius). Wer also Pfifferlinge suchen gehen will sollte sich mal in einem Weymouth-Kiefernforst umsehen. Andere Partner sind verschiedene Täublinge, Trichterlinge und Schuppenröhrlinge, die ebenfalls im Dunstkreis der Kiefern ihre typischen Fruchtkörper bilden.
Weymouth-Kiefer und die Honigbiene
Auch wenn die Weymouth-Kiefer nichts mehr davon hat: Das weiche und leichte Holz ist bevorzugtes Material für die Rahmen der modernen Bienenbeuten. Die Honigbienen bauen ihre Waben in den hölzernen Rahmen, in dem der Imker meistens eine fertige Mittelwand aus Bienenwachs aus dem Wachskreislauf vorgibt.
Vorsicht, invasiver Neophyt?
In Deutschland sieht das Bundesamt für Naturschutz die Weymouth-Kiefer als möglichen invasiven Neophyten, der einheimische Arten verdrängen kann. In der Forstwirtschaft ist sie daher nicht mehr ganz so gerne gesehen wie früher.
Wissenswertes
Der Lord und der Entdecker
Die ersten Exemplare der Weymouth-Kiefer kam bereits Mitte des 16. Jahrhunderts nach Frankreich, das seinerzeit in Nordamerika noch seine Kolonien besaß. Zur Verbreitung in ganz Europa kam es allerdings erst ab 1705, nachdem Lord Thomas Thynne, 1st Viscount Weymouth (1640-1715) sie in der englischen Forstwirtschaft etablierte. Ihm zu Ehren wurde sie auch Weymouths Kiefer genannt. Lustigerweise gibt es in der Vita der Pinus strobus noch einen nicht näher verwandten Namensvetter des Selbigen: Der britische Entdecker Captain George Weymouth (1585[?] -1612) brachte 1605 die ersten Exemplare von seiner Expedition nach Massachusetts und Maine nach England. Der botanische Artname strobus bedeutet im Griechischen Kreisel – siehe Stroboskop. Damit ist die Form der Zapfen gemeint.
Die dicksten Dinger
Im Nordosten der USA ist die Weymouth-Kiefer mit bis über 60 Metern der größte Nadelbaum östlich der Rocky Mountains (die mit dem noch höheren Riesen-Mammutbaum Sequoiadendron giganteum und Küsten-Mammutbaum Sequoia sempervirens auftrumpfen) – auch wenn sie bei uns selten 30 Meter erreicht.
Die richtig großen Kolosse findet man mittlerweile nur noch selten, nachdem die größten Bäume bereits im 18. Jahrhundert dem Raubbau bevorzugt zum Opfer fielen. Den Jahresringen nach zu schließen wird die Weymouth-Kiefer bis über 500 Jahre alt.
Das größte bekannte Exemplar fiel 1995 einem Orkan zum Opfer: Die Boogerman Pine im Great Smoky Mountains National Park war 63 Meter hoch, als es die Krone dahinraffte. Die dicksten Bäume haben heute einen Stammdurchmesser von 1,6 Meter, aber aus der Siedlerzeit der USA wurde von bis zu 2,4 Metern berichtet.
USA: Auf Weymouth-Kiefernholz gebaut
In den USA nennt man die charakteristischen großen Koniferen White Pine oder Eastern White Pine, also Weißkiefer. Das ist auf das weiße Splintholz zurückzuführen, das einen rotbraunen Kern umgibt. Das harzreiche Holz der Weymouth-Kiefer ist weich und leicht und trocknet ohne großen Schrumpfungsverlust; man verwendet es für alles Mögliche, von Möbeln bis zum Hausbau. Mit zunehmendem Alter bekommt es einen satten goldbraunen Ton.
Großer Vorteil gegenüber anderen Holzarten: Man kann es noch Jahre nach dem Abholzen im Sägewerk zu Brettern schneiden, während Ahorn, Esche und Eiche sofort verarbeitet werden müssen. Farmen und ganze Städte wurden in den Gründungsjahren aus dem Kiefernholz gebaut; so lieferten Holzfäller in einem einzigen Jahr eine Viertelmillion Weißkiefern nach Chicago.
Schiffsmasten, Kuckucksuhren und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung
Die britischen Kolonialherren machten sich bei den Siedlern unbeliebt, weil sie ihnen den Einschlag der großen Weymouth-Kiefern verboten: Die „Mastkiefern“ wurden extra mit einem breiten Pfeil für die britische Marine reserviert. Und zwar nicht wenig: Schätzungsweise 4.500 Masten hat man von Portsmouth aus nach England verschifft. 1733 bekamen die königlichen Baummarkierer in Exeter, New Hampshire Prügel – die Aktion ging als Mast Tree Riot in die Geschichte der USA ein. Das dürfte wesentlich zur Unzufriedenheit beigetragen haben, die zur Boston Tea Party und letztlich zur Unabhängigkeitserklärung führte. Unnötig zu sagen, dass die Marine der jungen USA fleißig weiter Raubbau an den Beständen der großen Weymouth-Kiefer betrieb.
Auch bei uns ist das weiche Holz der Weymouth-Kiefer beliebt. Wurden früher Linde und Ahorn für Schnitzarbeiten verwendet, hat ihnen das Kiefernholz inzwischen oft den Rang abgelaufen. Gute Beispiele: Schwarzwälder Kuckucksuhren und Modellbau.
Weymouth-Kiefer in der Waldwirtschaft: Leicht verrostet
Ihre Anspruchslosigkeit und das leichte Bauholz machten die Weymouth-Kiefer auch für die europäische Forstwirtschaft interessant. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde sie vielerorts anstelle der ähnlich robusten, aber deutlich weniger ertragreichen Waldkiefer (Pinus sylvestris) angepflanzt. Im Vergleich zu dieser Blütezeit findet man sie heute eher selten im Anbau, nachdem besagter Blasenrost seit etwa 1880 die Bestände erheblich ausgedünnt hat. Trotzdem ist sie nach Douglasie (Pseudotsuga menziesii) und Japanische Lärche (Larix kaempferi) immer noch der dritthäufigste fremdländische Forstbaum unserer Wälder.
Baumfresser und nahrhafte Rinde
Bei den Irokesen galten die benachbarten Algonkin als adirondack, Baumfresser. Diese Stämme sammelten die weiche weiße innere Rinde der Weymouth-Kiefer für den Winter, um sie getrocknet und gemahlen zum Strecken von Mehl zu verwenden. Die Anishinabe, besser bekannt als Chippewa, nutzten das Kiefernharz zur Wundbehandlung – heute weiß man, dass es eine ganze Reihe von antimikrobiell wirksamen Substanzen enthält. Die originale Wundsalbe der Ureinwohner besteht aus der zerstoßenen inneren Rinde oder durch langsames Verbrennen gewonnenem Kiefernpech, gemischt mit Butter und Bienenwachs.
Diese Pflanze ist in Mitteleuropa nicht heimisch
Bedenke, die auf heimische Wildpflanzen angewiesenen Tierarten, wie die meisten Wildbienen- und Schmetterlingsarten sowie davon abhängige Vögel, sind von einem dramatischen Artenschwund betroffen. Mit heimischen Arten kannst du etwas zum Erhalt beitragen.
Markus Wichert
Naturgärtner